VwGH vom 23.09.2010, 2010/21/0117
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Martin Morscher, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. E1/6262/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen Pakistans, gemäß den §§ 31, 53 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.
Begründend führte sie - zum Teil unter Verweis auf die von ihr wiedergegebenen Feststellungen der Erstbehörde - auf das Wesentliche zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer sei am illegal nach Österreich eingereist und habe am einen Asylantrag gestellt. Das Verfahren sei mit erstinstanzlichem, am erlassenen Bescheid samt feststellendem Ausspruch nach § 8 Asylgesetz 1997 "negativ entschieden" worden. Am sei eine (wenn auch erst am schriftlich ausgefertigte) zweitinstanzliche und damit rechtskräftige negative Entscheidung verkündet worden. Eine Anrufung des Verfassungsgerichtshofes sei - nach Versagung der Verfahrenshilfe - unterblieben. Der Beschwerdeführer halte sich somit seit insofern rechtswidrig im Bundesgebiet auf, als ihm weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden sei. Ein Aufenthaltsrecht auf Grund einer anderen gesetzlichen Bestimmung sei weder behauptet worden noch aus der Aktenlage ersichtlich.
Der Beschwerdeführer lebe seit rund 7 Jahren und 5 Monaten im Bundesgebiet. Er habe einen Deutschkurs besucht und sei laut eigenen Angaben der deutschen Sprache mächtig. Er sei über zwei Jahre bei der Firma M. sowie über ein Jahr bei der Firma A. tätig gewesen und habe darüber hinaus verschiedene weitere kurzfristige Berufstätigkeiten ausgeübt. Dazwischen habe er jedoch Arbeitslosengeld, Notstandshilfe bzw. Überbrückungshilfe bezogen und sei zuletzt ohne Beschäftigung und im Rahmen der Grundversorgung untergebracht gewesen. Insgesamt werde das Gewicht der aus der Aufenthaltsdauer ableitbaren Integration maßgebend dadurch gemindert, dass sein Aufenthalt nur auf Grund eines Asylantrages, der sich letztlich als unberechtigt erwiesen habe, temporär berechtigt gewesen sei. Dem Beschwerdeführer sei - zumal nach erstinstanzlicher Abweisung seines Asylbegehrens am - bewusst gewesen, ein "Privat- und Familienleben" während eines Zeitraumes geschaffen zu haben, in dem er einen unsicheren Aufenthaltsstatus gehabt habe. Er habe nicht von vornherein damit rechnen können, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen. Dazu komme, dass er im Alter von 29 Jahren in das Bundesgebiet eingereist sei, also den überwiegenden Teil seines bisherigen Lebens im Heimatland verbracht habe. Dort lebten fünf Schwestern und drei Brüder des Beschwerdeführers, der demnach über ein familiäres Netzwerk verfüge und im Heimatstaat nicht völlig isoliert wäre. In Österreich seien dagegen keine familiären Beziehungen vorhanden. Schließlich sei der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom wegen Suchtgiftdelikten zu einer bedingt nachgesehenen sechswöchigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Am sei er neuerlich wegen des Verdachts von Übertretungen nach dem SMG angezeigt worden. Die soziale Komponente seiner Integration sei demnach in erheblichem Maße gemindert. Aus der bloßen Aufenthaltsdauer könne "kein individuelles Bleiberecht" abgeleitet werden, zumal keine sonstigen ausreichenden Integrationsschritte erbracht worden seien.
Der Beschwerdeführer halte sich seit beinahe zwei Jahren illegal in Österreich auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, sodass die Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG zu deren Wahrung dringend geboten sei. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle nämlich einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Die öffentliche Ordnung werde schwer wiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begeben und versuchten, damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Dasselbe gelte, wenn Fremde nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor diesem Hintergrund seien auch keine tauglichen Gesichtspunkte erkennbar, um das der Behörde durch § 53 Abs. 1 FPG eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers zu üben.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass sein eingangs dargestelltes Asylverfahren rechtskräftig beendet ist. Auch ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.
Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:
"1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;
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2. | das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens; |
3. | die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; |
4. | der Grad der Integration; |
5. | die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden; |
6. | die strafgerichtliche Unbescholtenheit; |
7. | Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; |
8. | die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren." |
Die Beschwerde rügt in diesem Zusammenhang, dass die belangte Behörde keine eigenen Sachverhaltsfeststellungen getroffen habe. Dieser Vorwurf ist jedoch aktenwidrig, wurden doch (wie dies auch die Beschwerde zum Teil inhaltlich wiedergibt) - | wenn auch unter dem Titel einer rechtlichen Beurteilung - Feststellungen etwa zur Reisebewegung, dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache, vorübergehender beruflicher Tätigkeiten, der familiären Situation, der Straffälligkeit in Österreich und der Wohnungnahme im Rahmen der Grundversorgung getroffen. Darüber hinaus hat die belangte Behörde Ausführungen der Erstbehörde der Begründung ihrer Entscheidung vorangestellt und diese erkennbar zu eigenen Feststellungen gemacht. |
Vor diesem Hintergrund hat die belangte Behörde eine erforderliche Interessenabwägung am Maßstab der Kriterien des § | 66 Abs. 2 FPG in der genannten Fassung vorgenommen und dabei auch die in der Beschwerde angeführten, für einen Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechenden Umstände (vor allem seinen rund siebeneinhalbjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet, die "anerkennenswerte berufliche Tätigkeit", Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache sowie Kontakte zu Bekannten in Österreich) in diese Beurteilung einbezogen. Dem Vorbringen zur Integration des Beschwerdeführers während seines langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet hielt die belangte Behörde dabei aber zutreffend entgegen, dass dieser durch eine illegale Einreise begonnene und nur vorläufig rechtmäßige Aufenthalt lediglich auf einen unbegründeten Asylantrag zurückzuführen war und seit Beendigung des Asylverfahrens unrechtmäßig ist. |
In diesem Zusammenhang macht der Beschwerdeführer geltend, er habe am 25. | August 2009 einen Antrag nach § 44 Abs. 4 NAG gestellt, was bei Bemessung der Dauer seines legalen Aufenthaltes zu berücksichtigen sei. Vor dem Hintergrund der klaren Anordnung des bis zum geltenden § 44b Abs. 3 NAG sowie des ab 1. Jänner geltenden § 44 Abs. 5 NAG, wonach Anträge gemäß § 44 Abs. 4 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach dem NAG vermitteln, trifft diese Ansicht jedoch nicht zu. |
Die während des Aufenthalts erlangten Gesichtspunkte der Integration wurden in einem Zeitraum erworben, als sich der Beschwerdeführer (spätestens) auf Grund der Abweisung seines Asylantrages mit erstinstanzlich am 14. | Oktober 2002 erlassenem Bescheid der Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er also - für den Fall eines negativen Ausgangs seines Asylverfahrens - nicht mit einem dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet rechnen durfte. Warum es an diesem Bewusstsein, das ohne weiteres jedenfalls ab Zustellung des den Asylantrag erstinstanzlich abweisenden Bescheides angenommen werden durfte, gefehlt haben soll, vermag die Beschwerde nicht schlüssig aufzuzeigen. |
Zwar hat § | 66 Abs. 2 Z. 8 FPG schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0348). Jedoch sind nach dem Gesagten die im vorliegenden Fall zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände (insbesondere unter Berücksichtigung der erwähnten strafgerichtlichen Verurteilung) in ihrer Gesamtheit betrachtet nicht von solchem Gewicht, dass sie eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung begründen könnten. |
Auch tritt die Beschwerde der Ansicht der belangten Behörde nicht inhaltlich entgegen, dass dem unverheirateten und kinderlosen Beschwerdeführer, der über Geschwister im Heimatstaat, hingegen über keine Angehörigen in Österreich verfügt, eine Ausreise nach Pakistan, wo er den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht habe, zuzumuten sei. | |
Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, dass sie im Verhalten des Beschwerdeführers eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Es trifft nämlich zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - | und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein sehr hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0300, mwN). |
Zusammenfassend ist es insgesamt fallbezogen nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. | 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privatleben angesehen hat. Schließlich werden in der Beschwerde auch keine ausreichenden Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre. |
Die Beschwerde war daher gemäß § | 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. |
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ | 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 |
Wien, am |
Fundstelle(n):
SAAAE-81009