VwGH vom 15.04.2010, 2006/06/0152
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde 1. des Mag. RZ und 2. der Z KEG, beide in Thüringen, beide vertreten durch Dr. Friedrich Miller, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom , Zl. BHBL-I-4102.26-2006/0001, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. H GmbH; 2. Gemeinde Thüringen, 6712 Thüringen, Walgaustraße 20), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die erstmitbeteiligte Partei ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 1576/1, KG Thüringen, im Gemeindegebiet der zweitmitbeteiligten Gemeinde, auf dem ein Betriebsgebäude steht. Dieses Grundstück ist im Flächenwidmungsplan als "Bauland-Mischgebiet" ausgewiesen. Das Grundstück Nr. 1576/2 des Erstbeschwerdeführers grenzt in östlicher Richtung, das Grundstück Nr. 1577/2 der zweitbeschwerdeführenden Partei in südöstlicher Richtung an das Grundstück Nr. 1576/1 an.
Mit Eingabe vom suchte die erstmitbeteiligte Partei um baupolizeiliche Bewilligung der Verwendungsänderung und des Umbaues des bestehenden Betriebsgebäudes an. Geplant sei, dieses Betriebsgebäude in ein Mehrfamilienwohnhaus umzubauen.
Die beschwerdeführenden Parteien erhoben mit Schreiben jeweils vom Einwendungen und wiederholten diese auch bei der mündlichen Verhandlung am . Dabei brachten sie im Wesentlichen vor, die Baunutzungszahl von 83 sei völlig unüblich und würde zu einer übertriebenen Nutzung des Gebäudes führen. Eine Erhöhung der Baunutzungszahl würde im Endeffekt eine Gefährdung der Gesundheit und Lärm hervorrufen sowie eine Beeinträchtigung der Wohnqualität bewirken. Für die geplanten Änderungen seien zu wenig Parkplätze und keine Besucherparkplätze vorhanden. Der Umbau führe zu einer Gefährdung der Gesundheit durch Lärm, Schmutz, Abgase und Verkehr und dadurch zu stark eingeschränkter Wohnqualität. Der Erstbeschwerdeführer brachte darüber hinaus vor, die Fensterabstandsflächen zum Grundstück Nr. 1576/2 seien nicht eingezeichnet und lägen auf seinem Grundstück. Das sei zwar auch bisher so gewesen, aber auf Grund der geplanten Änderung der Nutzung zu Wohnzwecken sei mit einer gravierenden Beeinträchtigung der Wohnqualität zu rechnen.
Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Gemeinde die Baubewilligung für den Umbau und die Verwendungsänderung des Betriebsgebäudes in ein Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen, sechs Einstell- und neun Abstellplätzen unter einigen Auflagen (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt I. wurde gemäß § 7 Abs. 1 lit. c und f des Vorarlberger Baugesetzes 2001 (BauG) eine Abstandsnachsicht für die Verwendungsänderung und den Umbau betreffend die Nichteinhaltung der bestehenden Abstandsfläche gegenüber dem Grundstück Nr. 1576/2 erteilt. Schließlich wurden die Einwendungen unter anderem der beschwerdeführenden Parteien als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt II.).
Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen Bescheid Berufung.
Die Berufungsbehörde holte ein Gutachten des Amtssachverständigen für Maschinenwesen Ing. S. vom ein. Darin wird insbesondere dargelegt, das bisher als Betriebsanlage genutzte Gebäude solle umgebaut und in Zukunft als Wohnhaus mit neun Wohnungen und 16 Einstell- und Abstellplätzen verwendet werden. Das Grundstück befinde sich auf einer Fläche mit der Widmung Baufläche-Mischgebiet. An Emissionen durch die Stellplätze hinsichtlich der Geräuscheinwirkungen seien die Teilschallquellen Schließen der Wagentüren, Startvorgang, Leerlauf des Motors, langsame Fahrt und beschleunigte Fahrt zu nennen. Eine Prognose der aus diesen Teilschallquellen entstehenden Geräuscheinwirkungen erfolge durch die Bayerische Parkplatzlärmstudie. Für die Belegung bzw. Frequenz der Parkplatzbenützung würden ebenfalls die Anhaltswerte dieser Studie verwendet. Im gegenständlichen Fall ergebe sich beim nächstgelegenen Wohnnachbarn ein Beurteilungspegel für die ungünstigsten acht aufeinanderfolgenden Stunden am Tag von 33 bis 37 dB und für die ungünstigste halbe Stunde der Nacht ein solcher von 36 bis 40 dB. Die Immissionen würden sich auch nach Verwendungsänderung in ein Wohngebäude im Rahmen des nach der Widmungsart Zulässigen halten, da sich die Emissionen von Wohngebäuden, auch von Mehrfamilienwohngebäuden, im Rahmen des in einer solchen Widmungskategorie üblichen Ausmaßes bewegten. Für die neun Wohnungen seien insgesamt 16 Stellplätze vorgesehen. Gemäß den Bestimmungen der Stellplatzverordnung ergäbe sich eine Pflichtstellplatzzahl von 12. Es sei somit eine gesonderte lärmtechnische Beurteilung der Emissionen aus den Stellplätzen notwendig. Jedoch zeige sich vielerorts, dass gerade bei Mehrfamilienwohnhäusern die Zahl der Stellplätze, wenn sie nach den Bestimmungen der Stellplatzverordnung festgelegt werde, in der Praxis zu gering sei. So seien bereits in vielen Gemeinden durch Bebauungspläne oder ortspolizeiliche Verordnungen höhere Mindestzahlen vorgeschrieben worden. Es entspreche auch der Erfahrung des täglichen Lebens, dass der Bedarf an Stellplätzen bei Mehrfamilienhäusern zugenommen habe. Im gegenständlichen Fall würde sich bei einem Grundgeräuschpegel von tagsüber 35 bis 40 dB eine Grenze der zumutbaren Störung von 45 bis 50 dB ergeben. Für die Nacht ergebe sich bei einem Grundgeräuschpegel von 30 bis 35 dB eine Grenze der zumutbaren Störung von 40 bis 45 dB. Die sich aus den Stellplätzen ergebenden Emissionen führten bei den nächstgelegenen Wohnnachbarn zu Immissionen, die die genannten Richtwerte nicht überschritten. Nach der ÖNORM S 5021 falle das Gebiet in die "Kategorie 2". Demnach gälten Emissionsgrenzwerte von 50 dB bei Tag und 40 dB bei Nacht. Ein Vergleich mit den im ungünstigsten Fall auftretenden Immissionspegeln bei den nächstgelegenen Wohnnachbarn zeige, dass die Emissionsgrenzwerte eingehalten würden.
Mit E-Mail vom ersuchte die Berufungsbehörde um Ergänzung des Gutachtens unter Berücksichtigung von acht anstatt von neun Wohnungen und unter Berücksichtigung des Inkrafttretens des neuen Bebauungsplanes der mitbeteiligten Gemeinde, der zwei Stellplätze pro Wohneinheit vorschreibe.
Im E-Mail vom führte Ing. S. aus, wäre der neue Bebauungsplan im gegenständlichen Bauvorhaben bereits vor Bescheiderlassung gültig gewesen, wären für das Projekt nunmehr 16 Stellplätze als Pflichtstellplätze notwendig. Im Projekt seien 16 Stellplätze ausgewiesen. Da somit die Zahl der Pflichtstellplätze nicht überschritten werde, sei von einer Ortsüblichkeit des Projektes auszugehen. Am Ergebnis des Gutachtens vom ändere die Tatsache, dass nunmehr acht anstatt von neun Wohnungen geplant seien, nichts.
Im Akt befindet sich ferner ein (undatierter) Aktenvermerk (offenbar der Berufungsbehörde), wonach der Gemeindearzt Dr. Z. telefonisch erklärt habe, dass es beim gegenständlichen Projekt seines Erachtens von medizinischer Seite keine Beeinträchtigungen gebe. Im Übrigen sei er für die Erstellung eines Gutachtens befangen.
Mit Schreiben vom gaben die beschwerdeführenden Parteien eine Stellungnahme zum Gutachten des Ing. S. ab.
Mit Bescheid der Berufungskommission vom wurde die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid (unter Vorschreibung zusätzlicher brandschutztechnischer Auflagen) bestätigt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, im Zuge des Berufungsverfahrens sei ergänzend ein lärmtechnisches Gutachten vom eingeholt worden, wonach Immissionen nur im Rahmen des ortsüblichen Maßes entstünden. Dies umso mehr, als die Anzahl von 16 Stellplätzen exakt den Bestimmungen des Bebauungsplanes entspreche. Der Befund sowie das Gutachten des Ing. S. und dessen Begründung seien schlüssig, die geringfügigen Änderungen des Sachverhaltes sowie der Rechtslage seien durch die ergänzende Äußerung des Sachverständigen mitberücksichtigt worden, in der er erklärt habe, dass sich inhaltlich dadurch keine Änderungen am Gutachten ergäben. Im Gesamtbebauungsplan der mitbeteiligten Gemeinde sei festgelegt, dass für bestehende Gebäude nicht die auf dem Grundstück zugelassene Baunutzungszahl, sondern die bestehende Gesamtgeschoßfläche gelte, die zudem noch über den Bestand hinaus bis zu 5 % für Änderungen bzw. Umbauten erweitert werden könne. In erster Instanz, als noch der Bebauungsplan aus dem Jahr 1991 rechtsgültig gewesen sei, sei vom Gemeindevorstand eine Ausnahme vom Bebauungsplan erteilt worden. Das zwischenzeitige Inkrafttreten des neuen Bebauungsplanes sei für die Berufungsbehörde zu berücksichtigen, da für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der Berufungsentscheidung abzustellen sei. Da die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 lit. f BauG gegeben gewesen seien, sei die Abstandsnachsicht durch die Baubehörde erster Instanz zu Recht erteilt worden. Im Übrigen hätten die Beschwerdeführer bemängelt, dass die in erster Instanz erhobenen Einwendungen als unzulässig zurückgewiesen worden seien. Dazu sei darauf hinzuweisen, dass im Baubewilligungsverfahren mit Erledigung des verfahrenseinleitenden Bauantrages zulässige Einwendungen als miterledigt gelten. Die explizite Erledigung dieser Einwendungen im Spruch sei daher nicht erforderlich.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung, welche mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Durchführung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung durch die Gemeindebehörden hätte der Verfahrensökonomie widersprochen. Im Übrigen habe der Nachbar kein Recht darauf, dass die Planunterlagen und sonstigen Belege der Rechtslage entsprechend vollständig seien. Geringfügige Mängel in Bauplänen bedeuteten keine Beeinträchtigung des Nachbarn. In der Frage des "Aussteckens" des Bauvorhabens stehe dem Nachbarn kein Mitspracherecht zu. Der Sachverständige für Schalltechnik habe in seinem Gutachten vom nachvollziehbar dargestellt, dass sich das gegenständliche Bauprojekt auch nach gesonderter Beurteilung der Stellplätze hinsichtlich seiner Immissionen im Rahmen des nach der Widmungsart zulässigen bewege. Da somit eine das ortsübliche Maß übersteigende Belästigung ausgeschlossen werden könne, habe auch für die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens keine Notwendigkeit bestanden. Aus dem schalltechnischen Gutachten vom und der Stellungnahme des Gemeindearztes Dr. Z. gehe eindeutig hervor, dass das Bauprojekt die Nachbarn nicht stärker beeinträchtige als vor der Verwendungsänderung. § 7 Abs. 1 lit. f BauG sei daher für eine Abstandsnachsicht heranziehbar gewesen. Da es sich im gegenständlichen Fall um einen bereits im Mindestabstand errichteten Schopf handle, könne auch nach § 7 Abs. 1 lit. b BauG eine Abstandsnachsicht erteilt werden. Die Erteilung der Abstandsnachsicht nach dieser Bestimmung zu dem Zweck, einen seit langem bestehenden und als konsentiert geltenden Gebäudeteil im Zug eines bewilligungspflichtigen Umbaues weiter verwenden zu können, entspreche dem Kriterium einer zweckmäßigen Bebauung. Dabei sei dem Umstand ein erhebliches Gewicht beizumessen, dass es sich um eine Baumaßnahme handle, durch welche einerseits der Abstand nicht weiter verringert werde, andererseits aber auch ein konsentierter Baubestand weitere Verwendung finde. Hinsichtlich der Baunutzungszahl sei festzuhalten, dass bei einer Nutzungsänderung bestehender Gebäude diese nicht maßgebend sei, wenn die baulichen Änderungen keine Erhöhung der vorhandenen Nutzung bewirkten. Wie sich der Stellungnahme des bautechnischen Sachverständigen vom entnehmen lasse, erfolge beim geplanten Projekt eine Änderung der Geschoßflächen nur durch den Einbau von Dachterrassen. Diese bewirkten eine Reduzierung der Gesamtgeschoßfläche und somit auch eine Reduzierung der Baunutzungszahl. Überdies habe der Nachbar keinen Rechtsanspruch auf die Einhaltung der Baunutzungszahl, da sie kein subjektivöffentliches Recht des Nachbarn betreffe. Zum weiteren Vorbringen der Beschwerdeführer über den angeblichen Widerspruch zu raumplanungsgesetzlichen Bestimmungen und die Nichteinhaltung der erforderlichen Fläche für Kinderspielplätze sei zu bemerken, dass damit keine Verletzung der in § 26 Abs. 1 BauG taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte geltend gemacht werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer bringen vor, dass die Unterlagen nicht entsprechend den baurechtlichen Vorschriften vorgelegt worden seien. Bei der Bauverhandlung am seien die Eckpunkte der neuen Gaupe nicht ausgepflockt worden. Nach der Bauverhandlung sei das Projekt in wesentlichen Punkten, nämlich hinsichtlich der Anzahl der Wohnungen, der Anzahl der Terrassen, der Abstellflächen und eines möglichen Laubenganges anstelle des bestehenden Schopfes, geändert worden. Am sei ein neuer Grundrissplan im Bauakt gewesen. Darin seien 11 Positionen hinsichtlich des Geländes neu eingezeichnet gewesen. Trotz der Nachreichung wesentlicher Planunterlagen sei keine neue Bauverhandlung mehr anberaumt worden, obwohl dies ausdrücklich beantragt worden sei. Der Amtssachverständige Ing. S. hätte objektive Messungen an Ort und Stelle durchführen müssen. Solche seien unterblieben. Die Äußerung des Dr. Z. sei kein medizinisches Gutachten. Mit der Möglichkeit von Immissionen durch Abgase habe sich die Baubehörde überhaupt nicht beschäftigt. Die Bestimmung des § 7 Abs. 1 lit. f BauG könne nicht herangezogen werden, da schon durch den Eingang für zwei Wohnungen eine stärkere Beeinträchtigung der Beschwerdeführer eintreten werde als bei einem Lager, das in diesem Bereich keinen Eingang gehabt habe. Außerdem sei das Grundstück der erstmitbeteiligten Partei auch ohne Gewährung einer Bauabstandsnachsicht wirtschaftlich zweckmäßig bebaubar. Ein entsprechender Baukörper könne auch unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsvorschriften errichtet werden. Die Gewährung der Abstandsnachsicht sei daher rechtswidrig erfolgt. Die Baunutzungszahl von 84,8 bewirke eine wesentlich höhere Immissionsbelastung als jene von 40. Diesbezüglich werde ausdrücklich auf den Kinderspielplatz verwiesen, der nicht mit der vorgeschriebenen Fläche von 330 m2 errichtet werden könne, sondern nur über eine Fläche von 122 m2 verfüge. Bei einer Baunutzung von 40 wäre das Ausmaß des Kinderspielplatzes viel geringer und außerdem könnte er an eine Stelle verlegt werden, die zu keiner Belästigung der Beschwerdeführer führte. Der Baukörper sei ein störender Fremdkörper, der nicht in das Orts- und Landschaftsbild passe und durch seine Nutzung zu einer das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigung der Nachbarn führe. Der Amtssachverständige Ing. S. habe nicht die Richtlinie des österreichischen Arbeitsringes für Lärmbekämpfung (ÖAL Richtlinie Nr. 3) herangezogen. Woher er die von ihm angenommenen Werte über Grundgeräuschpegel nehme, sei mangels Messungen an Ort und Stelle nicht nachvollziehbar. Er habe auch die Bestimmungen der ÖNORM 5021 nicht eingehalten. Die Parkplatzlärmstudie des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz sei nicht nachprüfbar. Es werde nicht dargelegt, warum sich der Sachverständige nicht auf die 4. Auflage dieser Studie stütze. Bei der Belästigung durch die Parkplätze habe der Sachverständige nur einen Durchschnittswert, nicht aber die insbesondere durch das Schließen von Autotüren kurzzeitig auftretenden Lärmspitzen, die höher als der Weckpegel seien, befasst. Mit der Lärmbelästigung durch den Kinderspielplatz habe er sich gar nicht befasst.
Im Beschwerdefall ist das Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 52/2001 in der Fassung LGBl. Nr. 27/2005, anzuwenden.
Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten:
"§ 5
Abstandsflächen
...
§ 6
Mindestabstände
(1) Oberirdische Gebäude, ausgenommen kleine Gebäude nach § 19 lit. a bis c, müssen von der Nachbargrenze mindestens 3 m entfernt sein. Abweichend davon dürfen Bauteile nach § 5 Abs. 5 lit. b und c bis zu 2 m an die Nachbargrenze heranreichen.
(2) Oberirdische Bauwerke, die keine Gebäude sind, sowie oberirdische kleine Gebäude nach § 19 lit. a bis c müssen mindestens 2 m von der Nachbargrenze entfernt sein.
(3) Unterirdische Bauwerke und unterirdische Teile von Bauwerken müssen mindestens 1 m von der Nachbargrenze entfernt sein.
(4) Für Einfriedungen oder sonstige Wände oder Geländer bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück gilt kein Mindestabstand.
(5) Ergeben sich aus einem Bebauungsplan oder einer Verordnung über die Art der Bebauung kleinere Mindestabstände als nach den Abs. 1 bis 3, gelten diese.
§ 7
Abstandsnachsicht
(1) Die Behörde kann Ausnahmen von den Vorschriften des § 5 Abs. 1 bis 6 sowie des § 6 Abs. 1 bis 3 zulassen (Abstandsnachsicht), wenn die Interessen der Sicherheit, der Gesundheit sowie des Schutzes des Orts- und Landschaftsbildes nicht beeinträchtigt werden und überdies
a) der betroffene Nachbar zustimmt; die Zustimmung ist ab ihrem Einlangen bei der Behörde unwiderruflich; oder
b) ohne Abstandsnachsicht eine zweckmäßige Bebauung, z. B. wegen der besonderen Lage oder Form des Baugrundstückes, nicht möglich wäre; oder
c) bei einer Änderung eines nach den baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehenden Bauwerkes oder bei seinem Wiederaufbau innerhalb von sieben Jahren die Schattenpunkte nicht tiefer in das Nachbargrundstück hineinragen als bisher und die bisherigen Abstände nicht unterschritten werden; oder
d) dies für eine Sanierung durch die nachträgliche Anbringung einer Außenwärmedämmung bis zu 0,25 m notwendig ist; oder
e) bei der Errichtung oder Änderung von Nebengebäuden oder Nebenanlagen bis zu einer Höhe von 1,80 m über dem Nachbargrundstück die Nachbarn nicht stärker beeinträchtigt werden, als dies bei Errichtung einer Einfriedung oder einer sonstigen Wand bis zur selben Höhe der Fall wäre; oder
f) bei der Änderung der Verwendung eines Gebäudes der Nachbar nicht stärker beeinträchtigt wird als bisher.
(2) Ergeben sich aus einer nach dem Raumplanungsgesetz bewilligten Ausnahme von einem Bebauungsplan oder einer Verordnung über die Art der Bebauung kleinere Abstandsflächen oder Mindestabstände als nach § 5 Abs. 1 bis 6 oder § 6 Abs. 1 bis 3, ist zusätzlich eine Abstandsnachsicht im Sinne des Abs. 1 erforderlich.
§ 8
Immissionsschutz
Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen dürfen keinen Verwendungszweck haben, der eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung des Nachbarn erwarten lässt. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, ist unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen.
...
§ 26
Nachbarrechte, Übereinkommen
(1) Der Nachbar hat im Verfahren über den Bauantrag das Recht, durch Einwendungen die Einhaltung der folgenden Vorschriften geltend zu machen:
a) § 4 Abs. 3, soweit mit Auswirkungen auf sein Grundstück zu rechnen ist;
Tabelle in neuem Fenster öffnen
b) | §§ 5 bis 7, soweit sie dem Schutz des Nachbarn dienen; |
c) | § 8, soweit mit Immissionen auf seinem Grundstück zu rechnen ist. |
(2) Einwendungen des Nachbarn, mit denen die Verletzung anderer als im Abs. 1 genannter öffentlich-rechtlicher Vorschriften behauptet wird, sind als unzulässig zurückzuweisen.
(3) Die im Zuge einer mündlichen Verhandlung getroffenen Übereinkommen sind von der Behörde in der Niederschrift zu beurkunden. Einwendungen, die sich auf das Privatrecht stützen und hinsichtlich derer ein Übereinkommen nicht zustandekommt, sind auf den Rechtsweg zu verweisen."
§ 14 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 39/1996
idF Nr. 33/1997 und 43/1999, lautet auszugsweise:
"§ 14
Einteilung der Bauflächen
(1) Als Bauflächen sind nach Erfordernis und Zweckmäßigkeit gesondert festzulegen: Kerngebiete, Wohngebiete, Mischgebiete und Betriebsgebiete.
…
(4) Mischgebiete sind Gebiete, in denen Wohngebäude und sonstige Gebäude und Anlagen zulässig sind, die das Wohnen nicht wesentlich stören. In Mischgebieten können Zonen festgelegt werden, in denen Gebäude und Anlagen für land- und forstwirtschaftliche Zwecke errichtet werden dürfen.
…"
Zum Vorbringen, die eingereichten Projektunterlagen entsprächen nicht den Rechtsvorschriften, ist auszuführen, dass ein Nachbar keinen Rechtsanspruch darauf hat, dass die Projektunterlagen in jeder Hinsicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen, sofern sie nur eine zur Verfolgung seiner Rechte ausreichende Information vermitteln (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/06/0313, mwN). Die Beschwerdeführer legen nicht dar, inwiefern sie aus den Projektunterlagen die für sie relevanten Informationen nicht in ausreichendem Maß hätten beziehen können. Eine Verletzung ihrer Rechte durch mangelhafte Unterlagen ist daher nicht erkennbar.
Soweit die Beschwerdeführer rügen, dass keine weitere mündliche Verhandlung durchgeführt worden ist, legen sie nicht dar, was sie bei dieser Verhandlung vorgebracht hätten und warum es dazu unbedingt einer Verhandlung bedurft hätte. Sie zeigen daher schon die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels nicht auf (vgl. im Übrigen zu den Voraussetzungen der Durchführung einer mündlichen Verhandlung das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0176).
Bezüglich der Einhaltung einer Baunutzungszahl kommt den Nachbarn mangels Aufzählung im Katalog des § 26 Abs. 1 BauG kein Mitspracherecht zu (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/06/0028, und vom , Zl. 2009/06/0015). Gleiches gilt hinsichtlich der Bestimmungen über den Orts- und Landschaftsbildschutz (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2002/06/0043, und vom , Zl. 2007/06/0287). Auch besteht hinsichtlich der in § 25 Abs. 2 BauG geregelten "Auspflockung" mangels Aufzählung in § 26 Abs. 1 BauG kein subjektiv-öffentliches Recht, das dem Nachbarn zusteht.
§ 8 BauG enthält keinen allgemeinen Immissionsschutz. Es handelt sich vielmehr um eine Ausnahmeregelung für Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen mit einem aus dem Ortsüblichen herausfallenden Verwendungszweck. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, ist nach dieser Bestimmung unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen. Dem Nachbarn kommt zwar nach dem Katalog des § 26 Abs. 1 BauG kein eigenes Nachbarrecht auf Einhaltung der Flächenwidmung zu, wohl aber in gewissem Sinn mittelbar über die Voraussetzungen des § 8 BauG. Ist durch den Flächenwidmungsplan eine bestimmte Widmungskategorie für das Baugrundstück festgelegt, so sind die Immissionen, die sich im Rahmen des in einer solchen Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, als zumutbar anzusehen, und zwar auch dann, wenn sie beispielsweise das Ausmaß der in unmittelbarer Nähe eines anderen Gebäudes feststellbaren Emissionen übersteigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/06/0287, mwN).
Die konsensgemäße Verwendung einer Wohnanlage im Mischgebiet kann keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung des Nachbarn herbeiführen, weil der Verwendungszweck von Wohnbauten typenmäßig keine dort ortsunübliche Art von Immissionen erwarten lässt. Dies gilt auch für Nebenanlagen von Wohngebäuden wie Kinderspielplätze (zur Pflicht, solche zu errichten, vgl. § 10 BauG) und die Pflichtstellplätze. Lediglich dann, wenn mehr als die Pflichtstellplätze errichtet würden, könnte von der Ortsüblichkeit nicht mehr in jedem Fall ausgegangen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/06/0149).
Im vorliegenden Fall ist jedoch die Feststellung der Berufungsbehörde unbestritten geblieben, dass lediglich die Pflichtstellplätze errichtet werden. Dies bedeutet, dass das vorliegende Projekt im Mischgebiet im Hinblick auf § 8 BauG jedenfalls zulässig ist und sämtliche Ausführungen in der Beschwerde betreffend das Gutachten des Ing. S. und die Stellungnahme eines Arztes ins Leere gehen.
Hinsichtlich der Abstandsnachsicht ist zunächst festzuhalten, dass § 7 Abs. 1 lit. f BauG im vorliegenden Fall nicht zum Tragen kommt. Diese Bestimmung setzt nämlich voraus, dass lediglich eine Verwendungsänderung vorliegt. Geht mit der Verwendungsänderung auch die bautechnische Änderung des Bauwerkes einher, müssen für die Erteilung der Abstandsnachsicht auch die Voraussetzungen nach einem anderen Tatbestand des § 7 Abs. 1 BauG erfüllt seien (vgl. dazu den Motivenbericht zur Regierungsvorlage zum BauG Blg. 45/2001 27. LT, abgedruckt bei Germann/Hämmerle , Das Vorarlberger Baugesetz, S. 55). Dies geht auch aus der alternativ gefassten Auflistung der einzelnen Tatbestände des § 7 Abs. 1 BauG hervor, wo Änderungen von Bauwerken bzw. eine zweckmäßige Bebauung in anderen Tatbeständen geregelt sind (vgl. insbesondere lit. b, c und e).
Zutreffend hat die belangte Behörde allerdings § 7 Abs. 1 lit. b BauG herangezogen und ist auf Grund dieser Bestimmung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beschwerdeführer durch die Abstandsnachsicht in den von der Vorstellungsbehörde zu wahrenden subjektiven Rechten nicht verletzt werden. Dazu ist Folgendes auszuführen:
§ 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz, LGBl. Nr. 39/1972 idF LGBl. Nr. 72/1997, hatte folgenden Wortlaut:
"(9) Wegen der besonderen Form oder Lage des Baugrundstückes oder aus Gründen einer zweckmäßigeren Bebauung kann die Behörde mit Genehmigung des Gemeindevorstandes von den in den Abs. 2 bis 8 vorgeschriebenen Abstandsflächen und Abständen Ausnahmen zulassen, wenn dadurch die Interessen des Brandschutzes, der Gesundheit sowie des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes nicht beeinträchtigt werden."
Zu dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/06/0038, Folgendes ausgeführt:
"Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Gesetzesstelle darf die genannte Ausnahmebestimmung nämlich keinesfalls so ausgelegt werden, dass zu Lasten des Nachbarn jede beliebige größere Ausnutzung des Bauplatzes zulässig wäre; es spielen bei der Frage der zweckmäßigeren Bebauung auch wirtschaftliche Gesichtspunkte - wie sie von der belangten Behörde als Begründung der Zulässigkeit einer Abstandsnachsicht ins Spiel gebracht werden - eine Rolle, weil jedes Grundstück nur dann als zweckmäßig bebaubar beurteilt werden kann, wenn eine wirtschaftlich vernünftige Bauführung zulässig ist, also ein entsprechend langer und breiter Baukörper unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsvorschriften errichtet werden kann. Nur wenn die Errichtung eines solchen Baukörpers nicht möglich wäre, könnte eine zweckmäßige Bebauung verneint werden und es wäre durch die Gewährung einer Ausnahme eine zweckmäßigere Bebauung zu ermöglichen. § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz kommt daher nur dann zum Tragen, wenn auf Grund der Form oder Lage des Grundstückes oder sonst eine zweckmäßige Bebauung nicht möglich wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/06/0037, m.w.N.). Im angeführten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof weiter ausgeführt, dass die Erteilung einer Abstandsnachsicht dann zu erfolgen hat, wenn eine zweckmäßige Bebauung 'anders als unter Erteilung einer Abstandsnachsicht nicht möglich, d.h. wirtschaftlich gar nicht vertret- und zumutbar wäre'."
Im Fall eines Umbaues und der Änderung des Verwendungszweckes eines bereits im Mindestabstand errichteten Gebäudes, mit dem keine in den Mindestabstand weiter hineinreichende neue Bebauung erfolgte, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Erteilung der Abstandsnachsicht zu dem Zweck, einen seit langem bestehenden und als konsentiert geltenden Gebäudeteil im Zuge eines bewilligungspflichtigen Umbaues weiter verwenden zu können, den Kriterien einer zweckmäßigen Bebauung im Sinne des § 6 Abs. 9 Baugesetz 1972 im allgemeinen entspricht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 92/06/0064, und vom , Zl. 2000/06/0021). Es ist daher dem Umstand ein erhebliches Gewicht beizumessen, dass es sich dabei um eine Baumaßnahme handelt, durch welche einerseits der Abstand nicht weiter verringert wird, andererseits aber auch ein konsentierter Baubestand weitere Verwendung findet (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom ).
Der Verwaltungsgerichtshof hat also bereits zur alten Rechtslage, bei der es um Gründe einer "zweckmäßigeren Bebauung" gegangen ist, judiziert, dass eine solche dann gegeben ist, wenn sonst eine zweckmäßige Bebauung "nicht möglich wäre". Eben diesen Wortlaut hat der Gesetzgeber nun in § 7 Abs. 1 lit. b BauG aufgenommen. Es ist daher davon auszugehen, dass die bisherige Judikatur zu § 6 Abs. 9 Baugesetz 1972 auch für die neue Rechtslage heranzuziehen ist (vgl. in diesem Sinne auch bereits das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/06/0194).
Auch im vorliegenden Fall erfolgt keine in den Mindestabstand weiter hineinreichende neue Bebauung und soll ein alter, konsentierter Gebäudeteil weiter verwendet werden. Die Voraussetzungen, wie sie der Verwaltungsgerichtshof in den zitierten hg. Erkenntnissen vom und vom für eine Abstandsnachsicht angenommen hat, liegen somit auch im hier gegenständlichen Fall vor.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am