VwGH vom 22.02.2011, 2008/18/0154
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des PB, geboren am , vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/518.954/2007, betreffend Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 und § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen.
Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer im Februar 2006 illegal mit einem PKW von Italien nach Österreich gelangt sei und am einen Asylantrag gestellt habe, der in erster Instanz abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe gegen die abweisende Entscheidung Berufung erhoben, der mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom gemäß § 38 Abs. 2 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 vierter Fall Suchtmittelgesetz (SMG), § 12 zweiter Fall StGB, § 28 Abs. 3 erster Fall SMG, § 12 zweiter Fall StGB, (des Vergehens nach) § 50 Abs. 1 Z. 1 Waffengesetz (WaffG) und der Vergehen nach § 28 Abs. 1 SMG und § 224a StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden.
Dem Urteil liege zugrunde, dass der Beschwerdeführer zusammen mit zwei weiteren Verurteilten in Wien im November und Dezember 2006 Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge nach § 28 Abs. 6 SMG übersteigenden Menge (nämlich rund 100 kg Cannabisharz brutto) gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt bzw. andere gewerbsmäßig zu dessen In-Verkehr-Setzung bestimmt habe. Weiters habe der Beschwerdeführer im Dezember 2006 Suchtgifte in einer die Grenzmenge nach § 28 Abs. 6 SMG übersteigenden Menge (nämlich ca. 15 kg Cannabisharz netto, rund 1 kg Marihuana netto sowie 52 Stück Ecstasy-Tabletten) mit dem Vorsatz besessen, dass diese in Verkehr gesetzt würden; schließlich habe der Beschwerdeführer verfälschte, besonders geschützte Urkunden (nämlich einen verfälschten serbischen Reisepass, einen gefälschten griechischen Personalausweis und einen gefälschten griechischen Führerschein) mit dem Vorsatz, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis seiner (falschen) Identität gebraucht würden, sowie unbefugt eine Waffe, nämlich eine Pistole der Marke M 57, Kal. 7,62 mm, besessen.
Der Beschwerdeführer sei ledig; Sorgepflichten für Kinder bestünden in Österreich nicht. Er habe weder im erstbehördlichen Verfahren noch in der Berufung familiäre oder berufliche Bindungen im Bundesgebiet geltend gemacht.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 62 Abs. 1 und 2, 60 Abs. 2 Z. 1 sowie 63 Abs. 1 FPG - im Wesentlichen aus, dass aufgrund der Verurteilung des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei. Das dieser Verurteilung zugrunde liegende Verhalten lasse auch die Annahme als gerechtfertigt erscheinen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährde und überdies anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich insbesondere dem Schutz der Gesundheit, der Verteidigung der Ordnung und der Verhinderung von strafbaren Handlungen, zuwiderlaufe.
Da sich der Beschwerdeführer seit knapp zwei Jahren im Bundesgebiet aufhalte, sei von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in dessen Privatleben auszugehen. Dessen ungeachtet seien die Zulässigkeit der Maßnahme im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zu bejahen und im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtmittelkriminalität die Erlassung des Rückkehrverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung) als dringend geboten zu erachten. Nur wenige Monate nach seiner Einreise nach Österreich, um hier Schutz vor politischer Verfolgung in seiner Heimat zu suchen, sei der Beschwerdeführer bereits im erheblichen Maße straffällig geworden. Eine Verhaltensprognose könne für den Beschwerdeführer schon im Hinblick auf den relativ kurzen Zeitraum seit der Verurteilung, die Schwere der Tat, die teilweise gewerbsmäßige Begehung und die Suchtmitteldelikten zugrunde liegende immanente Wiederholungsgefahr nicht positiv ausfallen.
Hinsichtlich der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass einer allfälligen aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jede Integration erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Zudem beruhe der gesamte Aufenthalt des Beschwerdeführers auf einem in erster Instanz abgewiesenen Asylantrag. Von daher gesehen hätten etwaige private Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den genannten, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten. Insbesondere der Suchtgiftkriminalität hafte eine hohe Sozialschädlichkeit an. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu der Ansicht gelangt, dass die Auswirkungen des Rückkehrverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fernbleibe. Die Erlassung des Rückkehrverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.
Angesichts des dargestellten Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers, der Art und Schwere der diesem zur Last gelegten Straftaten sowie des Fehlens von besonders berücksichtigungswürdigen Umständen habe von der Erlassung des Rückkehrverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen zufolge der Beschwerdeführer am einen Asylantrag gestellt hat und das Asylverfahren (im Stadium der Berufung) im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht rechtskräftig abgeschlossen war.
Im Hinblick darauf bestehen gegen die behördliche Auffassung, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen Asylwerber handelt, keine Bedenken.
1.2. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang als Verfahrensmängel rügt, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer insoweit entgegen § 45 Abs. 3 AVG nicht vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens verständigt habe und das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben sei, weil die belangte Behörde nicht den gesamten Asylakt beigeschafft habe, führt der Beschwerdeführer nicht aus, welche anderen Feststellungen sich aufgrund des Asylaktes ergeben hätten bzw. was der Beschwerdeführer zum Stand des Asylverfahrens in einer Stellungnahme vorgebracht hätte; die Beschwerde tut somit die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht dar.
1.3. Gemäß § 62 Abs. 1 erster Satz FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt (Z. 1) die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder (Z. 2) anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinn des § 62 Abs. 1 FPG (u.a.) insbesondere jene des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG.
Die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, begegnet in Anbetracht der unstrittig feststehenden Verurteilung des Beschwerdeführers vom keinen Bedenken.
1.4. Nach den weiteren nicht bestrittenen Feststellungen der belangten Behörde liegt der Verurteilung des Beschwerdeführers zugrunde, dass dieser (u.a.) im Zeitraum November und Dezember 2006 Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge nach § 28 Abs. 6 SMG übersteigenden Menge, nämlich etwa 100 kg Cannabisharz brutto, in Verkehr gesetzt bzw. andere gewerbsmäßig zur In-Verkehr-Setzung dieses Suchtgiftes bestimmt hat. Weiters hat der Beschwerdeführer im Dezember 2006 Suchtgift in einer die Grenzmenge des § 28 Abs. 6 SMG übersteigenden Menge, nämlich etwa 15 kg Cannabisharz netto, rund 1 kg Marihuana netto und 52 Stück Ecstasy-Tabletten, mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.
In Anbetracht dieses Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0743, mwN), begegnet auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand, handelt es sich doch bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist.
1.5. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung kommt es in diesem Zusammenhang auf die "asylrelevanten Gründe" nicht an, sodass auch aus diesem Grund eine Beischaffung des Asylaktes nicht erforderlich war.
2. Die Beschwerde bringt im Weiteren zur Bekämpfung der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung vor, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in sein Heimatland mit schwerer Folter oder gar dem Tod zu rechnen habe; dem ist zu entgegnen, dass die Frage, ob ein Fremder in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 50 Abs. 1 oder 2 FPG bedroht ist, nicht im Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes, sondern in einem Asylverfahren oder einem Verfahren nach § 51 FPG zu prüfen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0293, mwN).
Darüber hinaus hebt die Beschwerde die Ausführung der belangten Behörde hervor, wonach der Beschwerdeführer eine etwaige Traumatisierung und auch die Notwendigkeit seiner Behandlung im Inland nie behauptet habe, und bringt dazu vor, der Beschwerdeführer sei von diesem "Ergebnis des Ermittlungsverfahrens" nie verständigt worden, sodass er sein Recht auf Parteiengehör nicht habe wahrnehmen können. Dem ist allerdings zu entgegnen, dass bereits die Behörde erster Instanz unter Einbeziehung der "Lebenssituation" des Beschwerdeführers (Aufenthalt im Bundesgebiet erst seit kurzem, keine legale Beschäftigung und keine Kranken- und Sozialversicherung, keine familiären Bindungen hier) eine Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK vorgenommen hat. Wäre nun tatsächlich eine Traumatisierung des Beschwerdeführers und (aus diesem Grund oder anderen Gründen) die Notwendigkeit dessen medizinischer Behandlung im Inland vorgelegen, so hätte ein entsprechendes Vorbringen in der Berufung erstattet werden müssen (§ 41 Abs. 1 erster Satz VwGG); dies hat der Beschwerdeführer allerdings ebenso unterlassen wie ein konkretes Vorbringen in dieser Richtung in der Beschwerde.
Im Übrigen ist die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung nicht zu beanstanden, sodass dazu auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Bescheides verwiesen werden kann.
3. Schließlich weist die Beschwerde auf den durch § 62 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessensspielraum hin und führt aus, die Erlassung eines Rückkehrverbotes sei nicht zwingend vorgesehen. Zutreffend hat die belangte Behörde allerdings in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass nach ständiger hg. Rechtsprechung angesichts der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens (§ 55 Abs. 3 Z. 1 FPG) eine auf einer Ermessensabwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbotes offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) erfolgen würde, sodass für die belangte Behörde dafür keine Veranlassung bestand (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0474, mwN).
4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am