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VwGH vom 26.08.2010, 2010/21/0107

VwGH vom 26.08.2010, 2010/21/0107

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des T, vertreten durch die Dr. Klaus Hirtler Rechtsanwalt GmbH in 8700 Leoben, Krottendorfer Gasse 5/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom , Zl. E1 7469/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß den §§ 31, 53 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte sie - auf das im vorliegenden Zusammenhang Wesentliche zusammengefasst - aus, der Beschwerdeführer sei am illegal nach Österreich eingereist und habe am um Gewährung von Asyl ersucht. Das Asylverfahren sei "mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates zweitinstanzlich rechtskräftig seit gem. §§ 7 und 8 Asylgesetz abgewiesen" worden. Die Behandlung einer dagegen beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde (der mit Beschluss vom die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war) sei mit Beschluss (vom , Zl. 2006/19/1174) abgelehnt worden. Der Beschwerdeführer halte sich "somit" seit unberechtigt im Bundesgebiet auf, weil ihm weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden sei. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße, sodass die Ausweisung zu ihrer Wahrung dringend geboten sei.

Der Beschwerdeführer, der zunächst jahrelang Unterstützungszahlungen in Anspruch genommen bzw. seinen Unterhalt durch Gelegenheitsarbeiten finanziert habe, habe mit das Gewerbe eines Marktfahrers aufgenommen, wodurch er "ca. EUR 1.000,--" verdiene. Allerdings seien "unter anderem im Versicherungsdatenauszug vom bis noch nicht bezahlte Beträge BSVG, GSVG, FSVG der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Steiermark, ausgewiesen". Der (unverheiratete und kinderlose) Beschwerdeführer habe während seines mehr als sieben Jahre andauernden Aufenthalts in Österreich einen Freundeskreis geschaffen, insbesondere einen väterlichen Freund, Herrn B., gewonnen. Als Folge eines Verkehrsunfalls "verfüge (er) über eine gewisse gesundheitliche Beeinträchtigung". Er habe Deutschkenntnisse erworben, die jedoch -

wohl infolge seines Kontaktes im Wesentlichen mit Landsleuten - als mangelhaft zu beurteilen seien. Eine Einvernahme am habe abgebrochen werden müssen, weil der Beschwerdeführer angegeben habe, nicht alles verstanden zu haben. Auch eine Befragung vom habe nur unter Beiziehung eines Dolmetschers erfolgreich zum Abschluss gebracht werden können. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet bestünden nicht. Hingegen weise der Beschwerdeführer soziale Bindungen zu seiner in Indien verbliebenen Mutter auf, mit der er regelmäßig telefoniere. Eine Reintegration im Heimatland, wo er auch seine Schulausbildung genossen habe, erscheine somit zumutbar.

Wenn dem Beschwerdeführer auch eine den dargestellten Umständen entsprechende Integration zuzugestehen sei und durch die Ausweisung erheblich in sein Privatleben eingegriffen werde, werde das Gewicht der Integration jedoch maßgebend dadurch gemindert, dass sein Aufenthalt nur auf Grund eines Asylantrages, der sich letztlich als unberechtigt erwiesen habe, temporär berechtigt gewesen sei. Dem Beschwerdeführer sei bewusst gewesen, dass er sein Privatleben während eines Zeitraumes geschaffen habe, in dem er einen unsicheren Aufenthaltsstatus gehabt habe. Er habe nicht von vornherein damit rechnen können, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen. Da die angeführten Interessen an einem Verbleib in Österreich insgesamt nicht besonders stark ausgeprägt seien, könnten sie nicht dazu führen, akzeptieren zu müssen, dass der Beschwerdeführer versucht habe, durch illegale Einreise und unrechtmäßigen Verbleib nach negativer Beendigung des Asylverfahrens vollendete Tatsachen zu schaffen.

Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme - so argumentierte die belangte Behörde weiter - aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße. Die Ausweisung des Beschwerdeführers sei demnach gemäß § 66 Abs. 1 FPG zu deren Wahrung dringend geboten. Auch im Hinblick auf das der Behörde eingeräumte Ermessen könne von der Ausweisung nicht abgesehen werden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der vorliegende Sachverhalt (auf Grund der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Februar 2010) nach dem FPG idF der Novelle BGBl. I Nr. 135/2009 zu beurteilen ist. Dies ist auch aus dem angefochtenen Bescheid mit ausreichender Klarheit abzuleiten. Einzelnen Fehlzitaten im angefochtenen Bescheid kommt dabei keine durchschlagende Bedeutung für den Ausgang des Verfahrens zu.

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass sein eingangs erwähntes Asylverfahren rechtskräftig beendet ist. Auch ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

"1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;


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2.
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3.
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4.
der Grad der Integration;
5.
die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6.
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8.
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren."
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde eine erforderliche Interessenabwägung am Maßstab der Kriterien des §
66 Abs. 2 FPG in der genannten Fassung vorgenommen und dabei auch die meisten der in der Beschwerde angeführten, für einen Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechenden Umstände (insbesondere den langjährigen Aufenthalt, den Erwerb eines Freundeskreises, die - von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellte - Unbescholtenheit, die Ausübung einer Berufstätigkeit sowie den Erwerb gewisser Kenntnisse der deutschen Sprache) in diese Beurteilung einbezogen.
Dem Vorbringen zur Erlangung gewisser Aspekte einer Integration des Beschwerdeführers während seines mehr als sieben Jahre andauernden Aufenthaltes im Bundesgebiet hielt die belangte Behörde aber zutreffend entgegen, dass dieser durch eine illegale Einreise begonnene und nur vorläufig rechtmäßige Aufenthalt lediglich auf einen unbegründeten Asylantrag zurückzuführen war und seit Beendigung des Asylverfahrens unrechtmäßig ist. Die während des Aufenthalts erlangten Gesichtspunkte der Integration wurden in einem Zeitraum erworben, als sich der Beschwerdeführer der Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war. Zwar hat §
66 Abs. 2 Z. 8 FPG schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0300, mwN). Jedoch sind nach dem Gesagten die im vorliegenden Fall zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände nicht von solchem Gewicht, dass sie eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung begründen könnten.
Auch tritt die Beschwerde der Ansicht der belangten Behörde nicht entgegen, dass dem unverheirateten und kinderlosen Beschwerdeführer eine Ausreise nach Indien als seinem Heimatstaat zuzumuten sei. Mit einem wirtschaftlichen Neubeginn in diesem Staat verbundene Schwierigkeiten sind auf Grund des hohen öffentlichen Interesses an der Erlassung einer Ausweisung in Kauf zu nehmen.
Die belangte Behörde ist nämlich im Recht, wenn sie im Verhalten des Beschwerdeführers eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Es trifft zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung -
und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein sehr hoher Stellenwert zukommt.
Dass die belangte Behörde in ihrer Begründung die erwähnte, vom Verwaltungsgerichtshof im Verfahren Zl.
2006/19/1174 zuerkannte aufschiebende Wirkung nicht berücksichtigt hat, ändert an dieser Beurteilung im Ergebnis nichts, weil - worauf sie selbst zutreffend hingewiesen hat - bereits der unstrittige, schon mehrere Monate andauernde unrechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet die Erlassung einer Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG rechtfertigt.
Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt der Beschwerdeführer verschiedene Ermittlungsmängel der belangten Behörde. Es hätten "die Steuerbescheide beigeschafft", "der angebliche Rückstand aus der Sozialversicherung erforscht", "die Bestätigung des Steuerberaters berücksichtigt bzw. näher hinterfragt" werden und Herr
B. (mit dem der Beschwerdeführer nach den Feststellungen der belangten Behörde befreundet ist) befragt werden müssen. Dieser Rüge fehlt jedoch die Relevanz, wird in der Beschwerde doch nicht dargestellt, welche ergänzenden, für die Interessenabwägung entscheidungswesentlichen Feststellungen durch die genannten Beweisaufnahmen konkret ermöglicht worden wären. Darüber hinaus hatte der Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit, sich im Verwaltungsverfahren Parteiengehör zu verschaffen.
Soweit die Beschwerde schließlich gute Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers behauptet und in diesem Zusammenhang auf dessen Unterredung mit seinem Rechtsvertreter vom 1.
März 2010 (also nach Zustellung des angefochtenen Bescheides) sowie auf den Besuch eines Deutsch-Integrationskurses der Grundstufe 2 verweist, liegen unzulässige Neuerungen vor.
Zusammenfassend ist es somit (wobei der zuletzt -
am - aufgenommenen Berufstätigkeit sowie dem Grad der Deutschkenntnisse überdies kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden kann) insgesamt fallbezogen nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privatleben angesehen hat. Schließlich werden in der Beschwerde auch keine ausreichenden Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.
Die Beschwerde war daher gemäß §
42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß §
39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§
47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 26.
August 2010

Fundstelle(n):
XAAAE-80981