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VwGH 23.06.2009, 2006/06/0135

VwGH 23.06.2009, 2006/06/0135

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der SS in B, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA13B-

12.10 W 94 - 06/15, betreffend Nachbareinwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. FB in B, 2. Marktgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem unbekämpft gebliebenen erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde dem Erstmitbeteiligten die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf einem Grundstück im Gemeindegebiet erteilt und damit auch die Bewilligung zur Errichtung eines Carports mit einer Länge von 6,00 m im Bereich zwischen dem Wohnhaus und der Grenze des unmittelbar anschließenden Grundstückes der Beschwerdeführerin.

Mit dem bei der mitbeteiligten Gemeinde am eingelangten Ansuchen (vom ) stellte der Erstmitbeteiligte das Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung zur Erweiterung des bestehenden Carports, zur Erhöhung der Aufmauerung beim Wohnhaus und zur Errichtung eines Nebengebäudes mit Verbindungsdach zum Wohnhaus.

Nach der diesem Antrag beiliegenden planlichen Darstellung soll das bereits genehmigte Carport entlang der Nachbargrenze zur Beschwerdeführerin um weitere 4 m auf 10 m verlängert werden. Der an der Nordwand des Wohnhauses des Mitbeteiligten in ca. 4 m Höhe entspringende pultdachförmige Anbau verläuft um 25 Grad fallend zur Grundstücksgrenze der Beschwerdeführerin und wird dort durch Stützen getragen; projektgemäß ist diese entlang der Grundstücksgrenze verlaufende Seitenfläche unverkleidet.

Das Nebengebäude (die rechtliche Qualifikation als Nebengebäude ist insbesondere strittig) soll an der Nordwestseite in Verlängerung des Carports in einem Abstand von 1 m von der Grundgrenze zur Beschwerdeführerin, also um 1 m ins Grundstücksinnere des Mitbeteiligten versetzt, errichtet werden. Es besteht aus einer Gerätehütte, die durch eine zum Carport gewandte Türe betreten werden kann, und einem U-förmigen, mit der zum Garten bzw. der Terrasse des Wohnhauses zugewandten Seite offenen, Abstellplatz; die (zum Grundstück der Beschwerdeführerin weisende) nördliche Außenwand ist in Massivbauweise, die restlichen Wände (Seitenwände und die Gerätehüttenumkleidung) sind in Holzriegelbauweise geplant. Beide Gebäudeteile sind durch ein Satteldach überdeckt, das an die Dachneigung des bestehenden Carports angepasst und mit diesem und dem Wohnhaus verbunden ist. Die Traufenhöhe beträgt 2,75 m. Das Nebengebäude ist 2 m vom Wohnhaus entfernt.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde erteilte mit Bescheid vom die angestrebte Baubewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen und ging in der Begründung des Bescheides (u.a.) davon aus, dass die Beschwerdeführerin gegen das Bauvorhaben keine Einwendungen erhoben habe. Die Berufung der Beschwerdeführerin wurde vom Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom wegen angenommener Präklusion (Verlust der Parteistellung mangels Erhebung von Einwendungen) zurückgewiesen, ihrer Vorstellung wurde von der belangten Behörde nicht Folge gegeben.

Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/06/0015, wurde diese Vorstellungsentscheidung (vom ) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben, weil zu klären gewesen wäre, ob die Beschwerdeführerin die Parteistellung im Bauverfahren verloren habe oder nicht.

In Umsetzung dieses Erkenntnisses hob die belangte Behörde mit Bescheid vom die Berufungsentscheidung (vom ) auf.

Mit Berufungsbescheid vom wies der Gemeinderat die Berufung als unbegründet ab. Die Berufungsbehörde ging dabei mit näherer Begründung davon aus, dass die Beschwerdeführerin rechtzeitig Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben habe, erachtete die Einwendungen aber als unbegründet. Das zu errichtende Nebengebäude sei baulich selbstständig und es bestehe zwischen diesem und dem Hauptgebäude kein solcher bautechnischer und funktioneller Zusammenhang, dass beide als eine Einheit betrachtet werden müssten.

Entscheidend für die Beurteilung, ob das Carport bis an die Nachbargrenze herangebaut werden dürfe, sei vorerst die Beantwortung der Frage, ob es sich dabei um ein Gebäude handle. Das sei nicht der Fall, weil kein allseits umschlossener bzw. abgeschlossener Raum vorliege.

Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurde. Nach Darstellung des Verfahrensganges und von Rechtsvorschriften führte die belangte Behörde zur Begründung aus, die Beschwerdeführerin bringe vor, dass es sich beim so genannten Carport weder nach den Plänen noch nach der derzeitigen Ausführung um ein Flugdach auf Holzstützen handle, das an das Wohnhaus angebaut und an den Außenflächen nicht umschlossen sei. Auch aus den Plänen sei eindeutig ersichtlich, dass es im Südbereich (Anmerkung: an der Mauer des Hauptgebäude) keine Stützen aufweise. Außerdem weise es im Westbereich eine Wand auf und im Nordbereich zur Grundgrenze zum Grundstück der Beschwerdeführerin eine ca. 30 cm - 50 cm hohe Mauer. Hiezu sei aber festzuhalten, dass aus dem eingereichten und genehmigten Bauplan eindeutig zu entnehmen sei, dass das Carport sehr wohl auf Holzstützen abgestützt sei. Weder im Westen noch im Nordbereich sei es von einer Wand oder von Wandteilen umgeben (Hinweis auf die planliche Darstellung des Grundrisses). Es sei somit ein überdachter Abstellplatz samt Gerätehütte (Anmerkung: das ist das so genannte Nebengebäude) im Abstand von 1 m zur benachbarten Grundstücksgrenze und 2 m vom Wohnhaus beantragt worden, wobei die Dachkonstruktion (des Nebengebäudes) bis an das Wohnhaus heranreichen solle. Entscheidend sei hier, dass dieses Nebengebäude eine eigene Dachkonstruktion aufweise und somit vom Wohnhaus trennbar sei. Das Bauwerk selbst weise eine bebaute Fläche von etwa 24 m2 auf, sodass auch unter Berücksichtigung des 2 m breiten Vordaches zum Wohnhaus hin von einem Nebengebäude gesprochen werden könne. Der bewilligte Abstand von 1 m zur Grundstücksgrenze sei gemäß § 13 Abs. 8 Stmk. BauG zulässig.

Da es sich beim Carport um kein Gebäude handle, sei die Errichtung an der Grundgrenze möglich, zumal die Abstandsbestimmungen gemäß § 13 Stmk. BauG nicht einzuhalten seien.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" (gemeint: Verletzung von Verfahrensvorschriften).

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die erstmitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet (mit dem erkennbaren Antrag auf Abweisung der Beschwerde). Die Beschwerdeführerin hat ein ergänzendes Vorbringen erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), in der Fassung LGBl. Nr. 7/2002 anzuwenden.

§ 4 Stmk. BauG enthält Definitionen, demnach sind (auszugsweise wiedergegeben):

"27. Garagen: Räume zum Abstellen von Kraftfahrzeugen;

...

Oberirdische Garagen: Garagen und Garagengeschosse, deren Fußboden nicht mehr als 1,30 m unter dem tiefsten Geländepunkt liegt;

Tiefgaragen: Garagen und Garagengeschosse, deren Fußboden mehr als 1,30 m unter dem tiefsten Geländepunkt liegt;

Offene Garagen: oberirdische Garagen oder Garagenabschnitte, die unmittelbar ins Freie führende und so verteilte unverschließbare Öffnungen in einer Größe von insgesamt mindestens einem Drittel der Gesamtfläche der Umfassungswände haben, dass die ständige natürliche Durchlüftung gewährleistet ist. Durch Wetterschutzvorrichtungen u. dgl. darf die Mindestöffnung nicht verringert werden. ...

28. Gebäude: eine bauliche Anlage, die mindestens einen oberirdischen überdeckten Raum bildet, der an den Seitenflächen allseits oder überwiegend geschlossen ist. Als Gebäude gelten jedoch auch offene Garagen;

29. Gebäudefront: Außenwandfläche eines Gebäudes ohne vorspringende Bauteile, wie z.B. Balkone, Erker, Vordächer jeweils in gewöhnlichen Ausmaßen;

...

43. Nebengebäude: eingeschoßige, ebenerdige, unbewohnbare Bauten von untergeordneter Bedeutung mit einer Geschoßhöhe bis 3,0 m und bis zu einer bebauten Fläche von 30 m2;"

Gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG muss jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand). Nach Abs. 8 dieses Paragraphen kann die Baubehörde, soweit hier erheblich, für Nebengebäude geringere Abstände (als sonst nach den Bestimmungen dieses Paragraphen geboten) zulassen.

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass ein Baugenehmigungsverfahren (auch im Falle einer allfälligen nachträglichen Baubewilligung) ein Projektgenehmigungsverfahren ist, somit nicht das maßgeblich ist, was tatsächlich ausgeführt wurde (dahin tendiert das Vorbringen der Beschwerdeführerin), sondern das, was Gegenstand des Projektes ist, wie es hier insbesondere durch die Baupläne determiniert ist (vgl. diesbezüglich die in Hauer/Trippl, Steiermärkisches Baurecht4, bei E 30 und 33e - 33g zu § 29 Stmk. BauG wiedergegebene hg. Judikatur).

Die Beschwerdeführerin bringt vor, das bewilligte Nebengebäude bilde mit dem Wohnhaus, aber auch mit dem (gesamten) Carport ein "Gesamtensemble", und der "insgesamt zugebaute Gebäudeteil" umfasse zudem eine weitaus größere Grundfläche als 40 m2, weshalb es sich auch allein deshalb um kein Nebengebäude im Sinne des Stmk. BauG handeln könne (Anmerkung: die Argumentation zielt wohl auf das Flächenmaß in § 4 Z 43 leg. cit. ab, wobei nach der hier maßgeblichen Rechtslage noch das Maß von 30 m2 gilt, dieses wurde erst mit der Novelle LGBl. Nr. 78/2003 auf 40 m2 angehoben).

Dieses Vorbringen trifft jedenfalls in dieser Form nicht zu. Richtig ist wohl, dass das Nebengebäude (gänzlich) frei stünde, wenn nicht das Dach bis an die Außenwand des Wohngebäudes und das (auf der Ebene der Außenwand des Wohngebäudes abschließende) Dach des verlängerten Carports herangeführt worden wäre. Dieser Dachvorsprung des Nebengebäudes ruht auf zwei Stützen, sodass die Beurteilung der belangten Behörde, dieses Nebengebäude (samt seinem Dach) sei ein baulich selbstständiges Objekt, unbedenklich ist. Der Umstand, dass das Dach bis an das Hauptgebäude herangebaut ist, bewirkt für sich allein nicht, dass das Objekt nicht als Nebengebäude qualifiziert werden könnte, weil das Stmk. BauG nicht fordert, dass Nebengebäude allseits freistehen müssten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/06/0043). Daher ist für die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen, es erwecke dieses Nebengebäude mit dem Hauptgebäude und dem verlängerten Carport den Eindruck eines "Gesamtensembles", noch nichts Entscheidendes zu gewinnen. Der funktionelle Zusammenhang des Nebengebäudes mit dem Hauptgebäude ist im Beschwerdefall als nicht derart eng anzusehen, dass dieses Nebengebäude mit dem Wohnhaus (samt Carport) rechtlich als eine Einheit anzusehen wäre und somit rechtlich kein Nebengebäude vorläge, dieses vielmehr als Teil des Hauptgebäudes zu qualifizieren wäre. Die maximal zulässige Fläche dieses Nebengebäudes von 30 m2 und die übrigen Kriterien des § 4 Z 43 sind eingehalten. Das bedeutet, dass entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin die (soweit hier erheblich) für Nebengebäude maßgebliche Bestimmung des § 13 Abs. 8 Stmk. BauG zu Recht angewendet werden durfte; dass sie konkret unrichtig angewendet worden wäre, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf und ist auch nicht erkennbar.

Hinsichtlich des Carports wiederholt die Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ihr Vorbringen, dieses sei an der Westseite geschlossen, auch entlang der Grenze weise es eine 30 cm bis 50 cm hohe Mauer auf. Dem ist zu entgegnen, nach den maßgeblichen Projektunterlagen Derartiges nicht projektgegenständlich ist (und auch nicht bewilligt wurde). Richtig ist die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die projektgegenständliche Verlängerung des Carports, wie im Übrigen das gesamte Carport, kein Gebäude ist (und auch kein Nebengebäude), vielmehr ein pultdachartiger Anbau an das Wohnhaus, der bis zur Grundgrenze reicht und dort auf Stützen ruht. Solche Stützen entlang der Gebäudefront sind den Plänen nicht zu entnehmen, sodass davon auszugehen ist, dass das Dach unmittelbar in der Außenmauer des Gebäudes verankert ist. Daraus ist aber für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen: Die nach § 13 Stmk. BauG einzuhaltenden Abstände sind von der "Gebäudefront" aus zu messen. Die projektgegenständliche Verlängerung dieses Carports weist nach ihrem maßgeblichen Erscheinungsbild, wie sich aus den Planunterlagen ergibt, keine "Gebäudefront" im Sinne des § 13 Abs. 2 Stmk. BauG auf (die abstandsrelevante Gebäudefront ist vielmehr unverändert die Front des Wohnhauses), sodass diese Abstandsvorschrift im Beschwerdefall unanwendbar ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BauG Stmk 1995 §13 Abs2;
BauG Stmk 1995 §13 Abs8;
BauG Stmk 1995 §4 Z43;
BauRallg;
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche
Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2009:2006060135.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAE-80978