VwGH vom 16.06.2011, 2008/18/0141
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des Z A, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/540928/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bangladesch, gemäß § 62 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit § 60 Abs. 2 Z. 9 und § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein Rückkehrverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am illegal in das Bundesgebiet eingereist und am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt habe, über den noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Am habe er die um 16 Jahre ältere österreichische Staatsbürgerin P. geheiratet und am einen Erstantrag auf Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - § 49 Abs. 1 FrG" eingereicht. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom , rechtskräftig seit , sei die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und Frau P. für nichtig erklärt worden.
Die belangte Behörde sah sich an rechtskräftige Sprüche der Zivilgerichte - hier: Eheschließung, ohne Absicht eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen - gebunden, weshalb erwiesen sei, dass der Beschwerdeführer Frau P. nur geehelicht habe, um eine Aufenthaltsberechtigung zu erlangen, ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK aber nie stattgefunden habe. Die Nichtigerklärung der Ehe gemäß § 23 Abs. 1 Ehegesetz habe der Beschwerdeführer nie bestritten. In Handhabung der der belangten Behörde zustehenden freien Beweiswürdigung sei sie unter Beachtung aller Umstände, insbesondere die im erstinstanzlichen Bescheid dargestellten Ermittlungsergebnisse zum Ergebnis gekommen, dass der Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen sei und sich trotzdem im Erstantrag (auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung) darauf berufen habe.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, das Verhalten des Beschwerdeführers, der eine Scheinehe zwecks Erlangung aufenthalts- und allenfalls beschäftigungsrechtlicher Vorteile eingegangen sei, laufe unzweifelhaft den öffentlichen Interessen zuwider und stelle eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Ehe- und Fremdenwesens dar, sodass die Erlassung des Rückkehrverbotes nicht nur zulässig, sondern vielmehr dringend geboten sei.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG falle der ca. siebenjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet erheblich ins Gewicht. Eine von diesem Aufenthalt ausgehende Integration in Österreich werde in ihrer Relevanz dadurch gemindert, dass der Beschwerdeführer jahrelang nur eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz (1997) gehabt habe und sich daher der möglichen "Vergänglichkeit seines Aufenthaltes" im Bundesgebiet hätte bewusst sein müssen. Familiäre Bindungen des (nunmehr wieder) ledigen und kinderlosen Beschwerdeführers in Österreich bestünden nicht. Den vorhandenen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt in Österreich stehe gegenüber, dass er durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen der Ehe und die Berufung darauf im Antrag auf Niederlassungsbewilligung maßgebliche öffentliche Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK (Wahrung der öffentlichen Ordnung, geordnete Besorgung des Fremdenwesens) erheblich beeinträchtigt habe. Daher könne die Ansicht der Erstbehörde, das Rückkehrverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), durchaus nachvollzogen und übernommen werden.
Gründe für eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers, die über die vorstehenden Erwägungen hinausgehen könnten, seien weder vorgebracht noch amtswegig gefunden worden.
Die Gültigkeitsdauer des "Aufenthaltsverbotes" sei nicht bekämpft worden und im Hinblick auf das Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des "Aufenthaltsverbotes" maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen eines zehnjährigen Zeitraumes erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt (Z. 1) die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder (Z. 2) anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Nach § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinn des Abs. 1 unter anderem jene des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG, also wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung (u.a.) einer Aufenthaltsberechtigung auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.
2.1. Die Beschwerde wendet sich erkennbar gegen die der Annahme einer Aufenthaltsehe zu Grunde liegende Beweiswürdigung der belangten Behörde und bringt dazu im Wesentlichen vor, es habe sich zum Zeitpunkt der Eheschließung um eine Liebesheirat gehandelt und der Beschwerdeführer habe die eheliche Lebensgemeinschaft auch gelebt. Sowohl die Ehefrau als auch der Beschwerdeführer hätten vor der Erstbehörde das Vorliegen einer wesensechten Ehe zeugenschaftlich bestätigt. Die vom Bezirksgericht ausgesprochene Nichtigkeit der Ehe gründe sich im Wesentlichen auf die unwahren Angaben der Ehefrau, die eine gänzliche Annullierung der Ehe gewünscht habe. Die belangte Behörde habe es pflichtwidrig unterlassen, sich mit den widersprüchlichen Aussagen der Ehefrau inhaltlich auseinanderzusetzen.
2.2. Damit gelingt es der Beschwerde jedoch nicht, eine Unschlüssigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung aufzuzeigen.
Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt ist die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Liebesheirat und sein Hinweis auf Zeugenaussagen und unwahre Angaben der Ehefrau vor dem Bezirksgericht nicht vereinbar, war doch die belangte Behörde an das vom Zivilgericht angenommene rechtsmissbräuchliche Eingehen der Ehe gebunden. Nach ständiger hg. Judikatur steht nämlich auf Grund eines rechtskräftigen Urteils, mit dem eine Ehe gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt wurde, in bindender Weise fest, dass die Ehegatten die Ehe ausschließlich zu den in diesem Urteil genannten Zwecken geschlossen und kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0336, mwN). Der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe es pflichtwidrig unterlassen, sich mit den widersprüchlichen Aussagen der Ehefrau inhaltlich auseinanderzusetzen, ist daher im Hinblick auf die dargestellte Bindungswirkung nicht berechtigt.
2.3. Da die Nichtigerklärung der Ehe gemäß § 23 Abs. 1 Ehegesetz vom Beschwerdeführer nie bestritten worden ist, begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.
2.4. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG verlangt bloß, dass sich der Fremde, obwohl er mit seinem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat, für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf die Ehe berufen hat, sodass es - entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers - nicht darauf ankommt, ob sein Antrag "nichtig" sei, weil er infolge eines ohnedies bestehenden Aufenthaltsrechts nach dem Asylgesetz 1997 nicht zielführend oder a limine zurückzuweisen gewesen sei.
2.5. Auf Basis der getroffenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit seiner Ehefrau nie ein gemeinsames Familienleben geführt hat. Daher begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG verwirklicht sei, keinem Einwand.
Angesichts des hohen Stellenwertes, welcher der Einhaltung der diesbezüglichen die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, ist auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbedenklich (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0869, mwN). Schon angesichts der noch in der Beschwerde enthaltenen Bestreitung der Aufenthaltsehe kann dem seit der Eheschließung verstrichenen Zeitraum von vier Jahren keine gefährdungsmindernde Bedeutung zukommen.
2.6. Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid erwuchs das Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt, mit dem die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und Frau P. für nichtig erklärt wurde, am in Rechtskraft, sodass er nicht nur im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Rückkehrverbotes, nämlich am , sondern vor allem auch am Tag der Erlassung des angefochtenen Bescheides, am , nicht mehr mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war. Vor diesem Hintergrund geht das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Zulässigkeit der Erlassung des Rückkehrverbotes müsse anhand unionsrechtlicher Kriterien gemessen werden, schon deshalb ins Leere.
2.7. Gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung bestehen keine Bedenken, ist doch die auf Grund des rund siebenjährigen Aufenthalts erzielte Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet durch die erstinstanzliche Abweisung seines Asylantrages am und durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe im Jahr 2004 erheblich relativiert.
3.1. Gegen die Dauer des von der belangten Behörde erlassenen Rückkehrverbotes führt die Beschwerde ins Treffen, ein standardisierter Stehsatz reiche nicht für die Begründung der Höchstdauer, es sei vielmehr auf das Fehlverhalten und die Gefährdung abzustellen. Im Konkreten fehle es an der besonderen Gravität des Falles an sich. Es sei zu begründen, warum bei krimineller Delinquenz mit kürzeren oder gleich langen Fristen das Auslangen gefunden werden könne. Da im Zeitpunkt der Eheschließung (2004) die Höchstdauer fünf Jahre betragen habe, komme es zu einer rückwirkenden Anwendung des Gesetzes.
3.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach dem Inkrafttreten des FPG allein dessen Rechtslage für die Beurteilung der Voraussetzung der Erlassung eines Aufenthalts- oder Rückkehrverbotes maßgeblich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0457). Auch vor Inkrafttreten des FPG erfüllte Sachverhalte wie eine Aufenthaltsehe sind nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0591). Im Falle des Eingehens einer Aufenthaltsehe bestehen nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit Blick auf den dafür maßgeblichen § 63 FPG an sich keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Befristung auf die Dauer von zehn Jahren (vgl. zu dieser Problematik das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0460). Warum im gegenständlichen Fall von einem früheren Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung ausgegangen werden müsste, wird in der Beschwerde nicht dargelegt. Angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, der bis zuletzt tatsachenwidrig das Eingehen einer Aufenthaltsehe bestritten hat, kann die Ansicht der belangten Behörde, ein Wegfall des für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Grundes könne nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden, nicht als rechtswidrig angesehen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0176).
3.3. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist auch unter dem Gesichtspunkt der Ermessensübung keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erkennen, zeigt doch auch die Beschwerde keine besonderen Umstände auf, die ein Absehen von der Erlassung des Rückkehrverbotes verlangt hätten.
4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
WAAAE-80977