Suchen Hilfe
VwGH vom 26.01.2012, 2010/21/0104

VwGH vom 26.01.2012, 2010/21/0104

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der M in Z, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich Straße 19, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom , Zl. 6/353- 126/1/1-2002, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer georgischen Staatsangehörigen, auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung -

beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG ab.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei am mit ihrem (1988 geborenen) Sohn illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe am einen Asylantrag gestellt. Dieser sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom rechtskräftig abgewiesen und es sei festgestellt worden, dass eine Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Georgien zulässig sei. Auch der Asylerstreckungsantrag des Sohnes der Beschwerdeführerin sei rechtskräftig abgewiesen worden. Seitdem befinde er sich (ebenfalls) rechtswidrig im österreichischen Bundesgebiet. Eine Schwester der Beschwerdeführerin genieße in Österreich auf Grund eines Asylantrages subsidiären Schutz, ein Aberkennungsverfahren gemäß § 9 Asylgesetz sei aber bereits beim Asylgerichtshof anhängig. Eine Kernfamilie habe die Beschwerdeführerin in Österreich nicht.

In ihrer am im Rahmen des Parteiengehörs abgegebenen Stellungnahme habe die Beschwerdeführerin zusammengefasst vorgebracht, dass sie sich bereits seit acht Jahren ununterbrochen in Österreich aufhielte und schon allein diese lange Dauer des Aufenthaltes zu einer Verfestigung des Privat- und Familienlebens in Österreich geführt hätte. Weiters habe sie angegeben, dass sie gut integriert wäre, gute Deutschkenntnisse und zum Heimatland keinerlei Bindungen mehr hätte. Ihr Sohn und ihre Schwester lebten in Salzburg.

Als Nachweis ihres gesicherten Lebensunterhaltes habe die Beschwerdeführerin den Lohnzettel eines näher bezeichneten Hotelbetriebs beigebracht, in dem sie laut Versicherungsdatenauszug im Zeitraum vom bis zum erwerbstätig gewesen sei. Derzeit verfüge sie aber über keine festen und regelmäßigen Einkünfte. Während der gesamten Dauer ihres achtjährigen Aufenthaltes sei die Beschwerdeführerin elf Monate lang einer erlaubten Erwerbstätigkeit als Arbeiterin nachgegangen. Dieser Zeitraum sei jedenfalls nicht ausreichend, um von einer nachhaltigen Integration am österreichischen Arbeitsmarkt sprechen zu können. Die Beschwerdeführerin verfüge über keinerlei eigene Einkünfte und sei derzeit nicht selbsterhaltungsfähig, somit bestehe erhebliche Gefahr, dass ihr Aufenthalt zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Ebenso fehle es an einer in Österreich leistungspflichtigen und alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung. Selbst bei Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 44 Abs. 4 NAG könne nicht ohne weiteres von ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen werden, da sie über keine Beschäftigungsbewilligung verfüge. Die Möglichkeit einer Patenschaftserklärung sei auch nicht in Anspruch genommen worden. Die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 Z 3 und Z 4 NAG seien daher nicht gegeben.

Aufgrund des langjährigen Asylverfahrens und durch den Besuch von entsprechenden Kursen verfüge die Beschwerdeführerin zwar über ausreichende Deutschkenntnisse. Ihr Vorbringen betreffend Privat- und Familienleben und ihre elfmonatige Erwerbstätigkeit seien jedoch nicht ausreichend, um die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG zu rechtfertigen, vielmehr wögen die fehlenden Erteilungsvoraussetzungen nach § 11 Abs. 2 Z 3 und 4 NAG und das fehlende Familienleben (mangels gemeinsamen Wohnsitzes mit ihrem Sohn und ihrer Schwester) schwerer. Die zweiundfünzigjährige Beschwerdeführerin sei in der Lage, jederzeit gemeinsam mit ihrem Sohn und ihrer Schwester nach Georgien zurückzukehren.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist zunächst, dass die vorliegende Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges zulässig ist, weil nach § 3 Abs. 2 zweiter Satz NAG (in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 29/2009) gegen Entscheidungen über Anträge auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 44 Abs. 4 NAG eine Berufung nicht zulässig ist.

Die genannte Bestimmung und § 11 NAG lauten in der hier maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2011 (auszugsweise):

"Niederlassungsbewilligung - beschränkt

§ 44.

(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und

2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.

Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der Deutschen Sprache, zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. ...

Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. ..."

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid der Sache nach auf das Fehlen der in § 11 Abs. 2 Z 3 und Z 4 iVm Abs. 5 NAG enthaltenen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen abgestellt und darüber hinaus erkennbar das Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe im Sinn des § 44 Abs. 4 NAG verneint.

In Bezug auf die genannten allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die von der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgelegte schriftliche Bestätigung ihres früheren Arbeitgebers, dass sie, "sollte sie einen Aufenthaltstitel bekommen" und für sie "eine geeignete Stelle vakant" sein, wieder in das Team des Hotels aufgenommen würde, eine hinreichend konkrete Einstellungszusage darstellt (die erst mit der Beschwerde vorgelegte Einstellungszusage vom war auf Grund des im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG geltenden Neuerungsverbots nicht zu berücksichtigen).

Der belangten Behörde ist im Ergebnis nämlich insofern beizupflichten, als kein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" im Sinn des § 44 Abs. 4 NAG gegeben ist. Die Beschwerdeführerin war zufolge den unbestrittenen und mit der Aktenlage übereinstimmenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid während ihres achtjährigen Aufenthalts in Österreich nur während eines Zeitraums von elf Monaten erwerbstätig, mag sie sich auch, wie die Beschwerde geltend macht, intensiv bemüht haben, "immer wieder legale Arbeitsplätze zu finden". Auch wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin überdies ausreichende Deutschkenntnisse und das Bestehen eines Freundes- und Bekanntenkreises veranschlagt (sie hatte im Verwaltungsverfahren u. a. Empfehlungsschreiben einer befreundeten österreichischen Staatsbürgerin und von deren Bruder vorgelegt), so reicht das nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf die Lebensverhältnisse der über keine Kernfamilie in Österreich verfügenden Beschwerdeführerin, die hier auch keine Aus- oder Weiterbildung absolviert hat, insgesamt noch nicht, um einen so hohen Integrationsgrad zu begründen, dass die belangte Behörde einen "besonders berücksichtigungswürdigen Fall" hätte annehmen müssen (vgl. etwa das eine ähnliche Konstellation betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0178).

Die belangte Behörde hat zwar verkannt, dass für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 44 Abs. 4 NAG keine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK vorzunehmen, sondern ausschließlich zu prüfen ist, ob - bei Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 11 NAG - im Hinblick auf den erreichten Grad der Integration das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles zu bejahen ist. Der Beschwerdeführerin ist auch einzuräumen, dass die Auseinandersetzung mit ihrem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen im angefochtenen Bescheid kursorisch geblieben ist. Das Ergebnis, dass kein besonders berücksichtigungswürdiger Fall vorliege, ist aber nach dem oben Gesagten nicht zu beanstanden und hätte auch bei einer eingehenderen Würdigung der geltend gemachten integrationsbegründenden Umstände nicht anders ausfallen können, sodass dem diesbezüglich behaupteten Verfahrensmangel keine Relevanz zukommt.

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
JAAAE-80964