VwGH vom 19.05.2011, 2010/21/0095
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in 8970 Schladming, Ritter-von-Gersdorff-Straße 64, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom , Zl. E1/2254/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom erließ die Bezirkshauptmannschaft Liezen gegen den Beschwerdeführer, einen vom bis zur einvernehmlichen Ehescheidung (mit Beschluss des Bezirksgerichtes Graz-West vom ) mit der österreichischen Staatsbürgerin M. verheirateten Staatsangehörigen des Kosovo, gemäß § 60 Abs. 1 und 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte sie - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, dem Beschwerdeführer seien ab , verlängert bis zum , Aufenthaltserlaubnisse im Rahmen eines Au pair-Verhältnisses bewilligt worden. Am habe er die Österreicherin M. geheiratet, worauf ihm wiederholt über seinen - darauf gestützten - Antrag Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt erteilt worden seien. Tatsächlich habe er jedoch ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt.
Dies ergebe sich vor allem aus der geständigen Aussage der M., die dargelegt habe, auf Grund ihrer ungünstigen finanziellen Situation - verursacht durch ihre Drogensucht und Alkoholprobleme -
eine Aufenthaltsehe geschlossen zu haben. Ihr Onkel R. habe diese, gegen Bezahlung von EUR 6.000,-- durch den Beschwerdeführer, ausgehandelt, wovon sie Teilbeträge tatsächlich erhalten habe. Den Beschwerdeführer habe sie nur drei Mal in ihrem Leben (bei einem ersten Treffen, der Eheschließung und der Scheidung) gesehen. Diese Ausführungen erschienen glaubwürdig, weil sich M. dadurch selbst belastet habe und mit einer Anzeige rechnen müsse.
Der Beschwerdeführer habe dem unter Geltendmachung einer Liebesheirat widersprochen und insbesondere behauptet, M. habe anlässlich von Besuchen in seinem Personalzimmer gewohnt, wofür jedoch kein Beweis (etwa durch eine polizeiliche Meldung oder durch Zeugenaussagen) vorliege.
Die Zeugin T., bei der der Beschwerdeführer im Rahmen des erwähnten Au pair-Verhältnisses tätig gewesen sei, habe (im Gegensatz zum Beschwerdeführer, der wiederholte Treffen mit M. geltend gemacht habe) dargelegt, nichts von einer Bekanntschaft mit einer Frau mitbekommen zu haben. Er habe nichts davon erzählt, nie jemanden in die Wohnung gebracht und sei ihres Wissens "auch nie weggegangen".
Der Beschwerdeführer habe - so argumentierte die Erstbehörde weiter - vorgebracht, er sei jedes Wochenende mit dem Zug nach Graz (wo sich M. aufgehalten habe) gefahren und habe als Beweis dafür "Zugkarten" vorgelegt. Die Zeit ihrer Aufbewahrung sei jedoch ungewöhnlich. Auch seien einige davon nicht entwertet, woraus zu schließen sei, dass diese nur zum Schein angekauft worden seien. Dies habe der Beschwerdeführer damit begründet, dass er nach Lösung der Karte seine Fahrt nach Graz nicht angetreten habe, weil ihn M. dahingehend informiert habe, nun doch keine Zeit zu haben oder bereits unterwegs zu sein bzw. damit, dass er M. zum Teil habe nicht erreichen können. Dies widerspreche schon seiner eigenen Aussage, dass Spannungen erstmals in einem späteren Zeitraum aufgetreten seien. Überdies seien die Termine überwiegend "während der Woche" gelegen, und nicht - wie vom Beschwerdeführer vorgetragen - an Wochenenden. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer auch ins Treffen geführt habe, im Juni 2007 einen Pkw angekauft zu haben und ab dieser Zeit mit dem Auto nach Graz gefahren zu sein. Die tatsächliche behördliche Anmeldung dieses Kraftfahrzeuges stamme jedoch "erst vom bis ", also aus einer Zeit, in der schon längst keine Gemeinschaft mit M. mehr bestanden habe. Im Beschluss über die Ehescheidung vom sei - auch der Aussage des Beschwerdeführers folgend - ausdrücklich festgehalten worden, dass die eheliche Gemeinschaft bereits seit mehr als sechs Monaten aufgehoben sei.
Auch die Befragung des Verwandten (Cousin) und Trauzeugen des Beschwerdeführers, Ramadan D., eines nunmehr österreichischen Staatsbürgers, habe den vom Beschwerdeführer eingenommenen Standpunkt nicht gestützt: Ramadan D. habe nämlich dargelegt, mit dem Beschwerdeführer kaum Kontakt zu haben, obwohl er in derselben Stadt wie dieser wohne. Weiters habe er keine Angaben über M. machen können, weil "er sie nicht kenne und er auch nicht wisse, ob diese beiden jemals ein Familienleben geführt haben".
Das dargestellte Eingehen einer Scheinehe stelle einen schwerwiegenden Verstoß gegen fremdenpolizeiliche Normen dar, wobei an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens ein sehr hohes öffentliches Interesse bestehe. Diese öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen schwerer als dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Dies gelte umso mehr, als ein erheblicher Eingriff in sein Familienleben nicht festgestellt werden könne. Die Unterbindung der Fortsetzung der durch die Scheinehe ermöglichten Berufstätigkeit begründe lediglich einen Eingriff in das Privatleben. Gründe für eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers lägen nicht vor. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger positiver Gesinnungswandel des Beschwerdeführers zu den österreichischen Rechtsvorschriften erwartet werden könne.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde eine dagegen erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
In ihrer Begründung schloss sie sich inhaltlich den Ausführungen der Erstbehörde an. Der Einwand des Beschwerdeführers, bereits vor dem genannten Eingehen der Ehe mit M. einen rechtsgültigen Aufenthaltstitel erlangt zu haben, sei nicht nachvollziehbar, weil dieser nur befristet gewesen sei und nicht zur Niederlassung berechtigt habe. Auch die Beweiswürdigung der Erstbehörde sei nicht zu beanstanden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt
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1. | die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet, oder |
2. | anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Als bestimmte Tatsache iSd Abs. 1 hat gemäß § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG (idF BGBl. I Nr. 135/2009) insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nicht geführt hat. |
In der Beschwerde wird in Bezug auf die behördliche Annahme, die genannten Voraussetzungen seien erfüllt, die Unrichtigkeit der dazu getroffenen Sachverhaltsfeststellungen infolge unrichtiger Beweiswürdigung geltend gemacht. Dabei gelingt es dem Beschwerdeführer jedoch nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung darzulegen.
Insbesondere ist kein Grund ersichtlich, weshalb M. den Beschwerdeführer (unter strafrechtlich relevanter Belastung ihrer eigenen Person und nach Scheidung der gegenständlichen Ehe mit Beschluss des Bezirksgerichtes Graz-West vom ) wahrheitswidrig einer Aufenthaltsehe bezichtigen sollte. Dazu kommt, dass M. nach dem - insoweit widerspruchsfreien - Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten alkoholabhängig und drogensüchtig war, sodass sie einer stationären Entwöhnungsbehandlung bedurfte. Es ist schwer vorstellbar, dass dies dem Beschwerdeführer - wie er es allerdings in seiner Aussage vom darlegte - nicht aufgefallen wäre, unterstellt man eine aufrechte eheliche Gemeinschaft. Auch die vorgelegten Fahrkarten lassen, unbeschadet der bereits von der Erstbehörde aufgezeigten zeitlichen Divergenzen und des fehlenden Grundes für ihre jahrelange Aufbewahrung, keinen verlässlichen Rückschluss auf tatsächlich erfolgte Treffen des Beschwerdeführers mit M. oder gar auf die Führung eines Familienlebens zu. Schließlich indizieren auch die oben wiedergegebenen ausweichenden Angaben des Zeugen Ramadan D., des vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Trauzeugen, die Richtigkeit der von der vorliegenden Beschwerde bekämpften Feststellungen.
Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang als Mangelhaftigkeit des Verfahrens das Unterbleiben einer neuerlichen Einvernahme dieses Zeugen (Ramadan D.) sowie einer Befragung von Valdet M. und Rexhe D. sowie des "Inhabers des Cafe Max" als Zeugen rügt, unterlässt sie es darzutun, zu welchen Feststellungen derartige ergänzende Erhebungen konkret geführt hätten.
Der damit verbundenen Rüge, die belangte Behörde habe keine mündliche Verhandlung durchgeführt und sei daher nicht imstande gewesen, sich einen persönlichen Eindruck von den einvernommenen Personen (insbesondere von M.) zu verschaffen, ist zu entgegnen, dass in derartigen Verwaltungsverfahren kein Unmittelbarkeitsgrundsatz gilt. Ebenso besteht kein Recht auf eine mündliche Berufungsverhandlung oder ein ein Recht darauf, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0112, mwN).
Bei der nach § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung hat die belangte Behörde ohnehin auf den mehrjährigen Aufenthalt (seit März 2005), die Berufstätigkeit des Beschwerdeführers sowie auf den Wohnsitz von Angehörigen im Bundesgebiet ausreichend Bedacht genommen. Im Hinblick darauf, dass die vom Beschwerdeführer erlangte Integration allerdings lediglich durch das Eingehen einer Scheinehe ermöglicht wurde, kann der belangten Behörde jedoch nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet könnten im vorliegenden Fall trotz der genannten Umstände die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung nicht überwiegen.
Auch die Ermessensübung ist nicht gesetzwidrig erfolgt, zumal keine besonderen Umstände ersichtlich sind, die unter diesem Gesichtspunkt eine Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verlangt hätten.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
MAAAE-80950