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VwGH vom 28.07.2016, 2013/07/0137

VwGH vom 28.07.2016, 2013/07/0137

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser, Mag. Haunold und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde des Landeshauptmannes von Tirol in Innsbruck, vertreten durch die Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in 6020 Innsbruck, Kaiserjägerstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2013/K6/1393- 1, betreffend Behebung und Zurückverweisung gemäß § 66 Abs. 2 AVG i. A. Genehmigung einer Behandlungsanlage (mitbeteiligte Partei:

I GmbH Co. KG in H; weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Antrag der belangten Behörde auf Zuspruch von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

I.

1 1. Mit Schreiben vom beantragte die mitbeteiligte Partei die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Bodenaushubdeponie auf näher bestimmten Grundstücken der KG W. auf einer Fläche von ca. 75.000 m2 mit einer Schüttmenge von ca. 510.000 m3.

2 2. Mit Bescheid vom versagte der Landeshauptmann von Tirol als Erstbehörde (der nunmehrige Beschwerdeführer) dem eingereichten Projekt (unter Spruchpunkt A) gemäß § 37 Abs. 1, § 38 Abs. 1 und 1a, § 43 Abs. 1 und 2 AWG 2002 die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung sowie (unter Spruchpunkt B) gemäß § 38 Abs. 1 AWG 2002 unter Anwendung des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 - TNSchG 2005 (insbesondere dessen § 29 Abs. 1 lit. b und Abs. 3 lit. b) und der Tiroler Naturschutzverordnung 2006 die naturschutzrechtliche Bewilligung sowie eine erforderliche naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung.

3 Zur Versagung der abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung führte der Beschwerdeführer im Kern aus, der Stadtgemeinde I. kämen im betroffenen Bereich drei Dienstbarkeitsrechte zu, nämlich jene der Nichtverbauung, der Duldung der Ausübung des Wintersportes und der Duldung der Aufstellung von Beleuchtungsanlagen. Da während des Schüttzeitraumes, somit durch die Errichtung der beantragten Deponie, die Ausübung der genannten Dienstbarkeitsrechte verunmöglicht würde, stehe dem beantragten Projekt das Genehmigungshindernis gemäß § 43 Abs. 1 Z 4 AWG 2002 entgegen, weshalb "die ausführliche Prüfung der weiteren Genehmigungsvoraussetzungen sowie die der Verfahrenskonzentration nach § 38 Abs. 1a AWG unterliegenden mitzuvollziehenden Vorschriften unterbleiben" könne.

4 Die naturschutzrechtlichen (Ausnahme )Bewilligungen seien mangels Überwiegen der öffentlichen Interessen bzw. mangels Vorliegen anderer rechtfertigender Gründe nicht zu erteilen gewesen:

5 Als öffentliche Interessen hätte die mitbeteiligte Partei in den Projektunterlagen lediglich angesprochen, dass mit der beantragten Bodenaushubschüttung dem stetigen Bedarf an Deponiekapazitäten des Siedlungsraumes "(I.) Stadt" begegnet werde, was "angesichts vorhandener Deponieflächen und offener Kapazitäten nicht zu überzeugen" vermöge. Auch der von der mitbeteiligten Partei vorgebrachte Vorteil der Reduktion von Verkehrsbelastungen relativiere sich nach Einschätzung des Sachverständigen für Raumordnung bei einer umfassenden Betrachtung (Zufuhr von Primärrohstoffen, Leerfahrten, Belastungen im innerörtlichen Verkehrsnetz); eine "langfristige regionale Lösung für die Deponierung von Bodenaushub" werde mit dem gegenständlichen Vorhaben nicht erreicht. Es könnten daher ausschließlich wirtschaftliche Interessen (der mitbeteiligten Partei) an der Verwirklichung des Vorhabens erkannt werden, weshalb kein Überwiegen anderer öffentlicher Interessen an der Erteilung der beantragten Bewilligung gegenüber den - näher ausgeführten - Interessen des Naturschutzes (vgl. § 29 Abs. 1 lit. b TNSchG 2005) vorliege.

6 3. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der mitbeteiligten Partei gegen diesen Bescheid des Beschwerdeführers Folge und behob den Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG unter Zurückverweisung der Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an den Beschwerdeführer.

7 Hinsichtlich der beantragten abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung führte die belangte Behörde zur Begründung im Wesentlichen aus, es liege kein Ablehnungsgrund im Sinn des § 43 Abs. 1 Z. 4 AWG 2002 vor, wenn allein durch die Existenz einer Anlage - ohne auf deren konkreten Betrieb und die damit einhergehenden Auswirkungen abzustellen - die Ausübung einer Dienstbarkeit unmöglich gemacht werde. In diesem Sinn könne auf die reichhaltige Judikatur der Höchstgerichte zum gewerblichen Betriebsanlagenrecht verwiesen werden (Hinweis insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/04/0140 = VwSlg. 15.122A). Nach den Annahmen der Erstbehörde gingen im vorliegenden Fall die betroffenen Dienstbarkeiten infolge der Errichtung der gegenständlichen Bodenaushubdeponie unter, sodass nach der erwähnten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Zulässigkeit der Errichtung der Anlage als Frage des Privatrechts allein in die Zuständigkeit der Zivilgerichte falle. Somit könne die Abweisung des Antrages nicht auf § 43 Abs. 1 Z. 4 AWG 2002 gestützt werden.

8 Zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Erstbehörde habe nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am noch zahlreiche gutachterliche Stellungnahmen von Sachverständigen eingeholt, allerdings eine weitere über die Frage der Gefährdung der Dienstbarkeiten hinausgehende Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen nicht vorgenommen.

9 Vor diesem Hintergrund erachte es die belangte Behörde als erforderlich, unter Heranziehung jedenfalls jener Sachverständigen, die nach der mündlichen Verhandlung noch eine (ergänzende) Stellungnahme abgegeben hätten, deren fachliche Ausführungen einer genauen Prüfung zu unterziehen. Hiebei sei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch deshalb geboten, um einerseits die berechtigten Interessen der mitbeteiligten Partei angemessen berücksichtigen zu können und andererseits den Sachverständigen die Möglichkeit einzuräumen, an Ort und Stelle, somit unter genauer Berücksichtigung der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse, eine Begutachtung vorzunehmen. Weiters bestehe so die Möglichkeit, mit den Nachbarn die gutachterlichen Stellungnahmen zu erörtern und auf die Bedenken der Nachbarn unmittelbar einzugehen.

10 Hinsichtlich der Versagung der naturschutzrechtlichen Bewilligung durch den Bescheid der Erstbehörde (des Beschwerdeführers) führte die belangte Behörde begründend im Wesentlichen aus, zwischen der abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung und der (nach § 38 Abs. 1 zweiter Satz AWG 2002) "in einem eigenen Spruchpunkt" zu erteilenden naturschutzrechtlichen Bewilligung sei ein "enger Konnex" gegeben, sodass der "in § 38 Abs. 1 AWG 2002 skizzierte" Verfahrensabschluss des naturschutzrechtlichen Verfahrens nur dann gewählt werden dürfe, wenn dem eine abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung zugrunde liege. Nur in diesem Fall sei der Landeshauptmann (und nicht etwa die Landesregierung) befugt, eine naturschutzrechtliche Bewilligung zu erteilen. Falle die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung, aus welchem Grund auch immer, weg, sei damit auch verbunden, dass eine Entscheidung durch den Landeshauptmann im Naturschutzverfahren nicht erfolgen dürfe.

11 Diese "strenge Akzessorietät" zwischen den beiden Verfahren bedeute im Ergebnis, dass "die naturschutzrechtliche Bewilligung im Falle des Versagens der abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung deren Schicksal" teile. Wenn somit die belangte Behörde in Bezug auf die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung eine Entscheidung nach § 66 Abs. 2 AVG treffe, teile "die naturschutzrechtliche Entscheidung dieses rechtliche Schicksal".

12 "Überdies" lägen allerdings auch hier die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 66 Abs. 2 AVG vor:

13 Nach der mündlichen Verhandlung (am ) sei noch eine Stellungnahme des naturkundlichen Sachverständigen eingelangt (mit dem noch eine letzte Kontaktaufnahme am erfolgt sei). Überdies sei das Projekt im Rahmen des Berufungsverfahrens noch ("im Sinne des Naturschutzes") abgeändert worden. Für die Erstbehörde bestehe somit (infolge der Behebung und Zurückverweisung) die Möglichkeit, auf die Argumente der mitbeteiligten Partei näher einzugehen und eine umfassende, transparente und nachvollziehbare sowie der hg. Judikatur entsprechende (naturschutzrechtliche) Interessenabwägung durchzuführen (Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 2008/07/0033).

14 4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Erstbehörde gemäß § 87b Abs. 2 AWG 2002.

15 Die mitbeteiligte Partei hat im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof in Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass die Erstbehörde die beantragte Bewilligung mittlerweile mit Bescheid vom erteilt habe.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16 1. Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

17 2. Die hier interessierenden Bestimmungen lauten wie folgt:

Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002 (BGBl. I Nr. 102/2002 idF BGBl. I Nr. 35/2012):

" Behandlungsanlagen

Genehmigungs- und Anzeigepflicht für ortsfeste Behandlungsanlagen

§ 37. (1) Die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen bedarf der Genehmigung der Behörde.

(...)

Konzentration und Zuständigkeit

§ 38. (1) (Verfassungsbestimmung) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen sind alle Vorschriften - mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren - anzuwenden, die im Bereich des Gas-, Elektrizitätswirtschafts-, Landesstraßen-, Naturschutz- und Raumordnungsrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Hinsichtlich dieser landesrechtlichen Vorschriften hat die Behörde im selben Bescheid in einem eigenen Spruchpunkt zu entscheiden. Die behördlichen Befugnisse und Aufgaben zur Überprüfung der Ausführung einer Behandlungsanlage und der Übereinstimmung mit dem Genehmigungsbescheid, zur Kontrolle, zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands, zur Gefahrenabwehr, zur nachträglichen Konsensanpassung und zur Vorschreibung und Durchführung von Maßnahmen bei Errichtung, Betrieb, Änderung und Auflassung sind vom Landeshauptmann entsprechend den folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes wahrzunehmen. In Angelegenheiten des Landesrechts ist der Landeshauptmann als Mitglied der Landesregierung oberstes Organ der Landesvollziehung.

(1a) Im Genehmigungsverfahren und Anzeigeverfahren für gemäß § 37 genehmigungspflichtige Behandlungsanlagen sind alle Vorschriften - mit Ausnahme der Bestimmungen über die Parteistellung, die Behördenzuständigkeit und das Verfahren - anzuwenden, die im Bereich des Gewerbe-, Wasser-, Forst-, Mineralrohstoff-, Strahlenschutz-, Luftfahrt-, Schifffahrts-, Luftreinhalte-, Immissionsschutz-, Rohrleitungs-, Eisenbahn-, Bundesstraßen-, Gaswirtschafts- und Denkmalschutzrechts für Bewilligungen, Genehmigungen oder Untersagungen des Projekts anzuwenden sind. Die Genehmigung oder Nicht-Untersagung ersetzt die nach den genannten bundesrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bewilligungen, Genehmigungen oder Nicht-Untersagungen. Die behördlichen Befugnisse und Aufgaben zur Überprüfung der Ausführung einer Behandlungsanlage und der Übereinstimmung mit dem Genehmigungsbescheid, zur Kontrolle, zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands, zur Gefahrenabwehr, zur nachträglichen Konsensanpassung und zur Vorschreibung und Durchführung von Maßnahmen bei Errichtung, Betrieb, Änderung und Auflassung sind vom Landeshauptmann entsprechend den folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes wahrzunehmen.

(...)

Genehmigungsvoraussetzungen

§ 43. (1) Eine Genehmigung gemäß § 37 ist zu erteilen, wenn zu erwarten ist, dass die Behandlungsanlage neben den Voraussetzungen der gemäß § 38 anzuwendenden Vorschriften folgende Voraussetzungen erfüllt:

(...)

4. Das Eigentum und sonstige dingliche Rechte der

Nachbarn werden nicht gefährdet; unter einer Gefährdung des

Eigentums ist nicht die Möglichkeit einer bloßen Minderung des

Verkehrswertes zu verstehen.

5. Die beim Betrieb der Behandlungsanlage nicht

vermeidbaren anfallenden Abfälle werden nach dem Stand der Technik einer Vorbereitung zur Wiederverwendung, einem Recycling oder einer sonstigen Verwertung zugeführt oder - soweit dies wirtschaftlich nicht vertretbar ist - ordnungsgemäß beseitigt.

5a. Die Behandlungspflichten gemäß den §§ 15 und 16 und gemäß einer Verordnung nach § 23 werden eingehalten.

(...)

Amtsbeschwerde

§ 87b. (...)

(2) Der Landeshauptmann ist berechtigt, gegen Bescheide des unabhängigen Verwaltungssenates betreffend Behandlungsanlagen Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben."

Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994 (BGBl. Nr. 194/1994 idF BGBl. I Nr. 32/2012):

" 8. Betriebsanlagen

§ 74. (1) (...)

(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; (...)

(...)

§ 77. (1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. (...)"

18 3.1. Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die der Behebung des Spruchpunktes A) des Bescheides der Erstbehörde zugrunde liegende Auslegung des § 43 Abs. 1 Z. 4 AWG 2002 durch die belangte Behörde und die insofern von der belangten Behörde vorgenommene Übertragung der hg. Rechtsprechung zu den §§ 74, 77 GewO 1994 auf das "Anlagenrecht des AWG 2002".

19 Dazu bringt die Beschwerde vor, der Bestimmung des § 43 Abs. 1 Z. 4 AWG 2002 fehle eine Akzentuierung auf den Betrieb der Anlage, wie dies zur Gewerbeordnung 1994 "argumentierbar" sei, völlig; die Bestimmung beziehe sich vielmehr auf Gefährdungen von dinglichen Rechten durch die Errichtung ebenso wie durch den Betrieb einer Anlage. Dies ergebe sich auch aus einem Umkehrschluss aus § 43 Abs. 1 Z. 5 und Z. 5a AWG 2002.

20 3.2. Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dargetan:

21 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass im AWG 2002 verschiedene Regelungen den ihnen korrespondierenden Bestimmungen der GewO 1994 nachgebildet sind, weshalb in diesen Fällen auf die Rechtsprechung zur GewO 1994 zurückgegriffen werden kann. Entscheidend für die Heranziehung der Rechtsprechung der GewO 1994 zum Verständnis von Regelungen des AWG 2002 ist die Vergleichbarkeit der Regelungen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2012/07/0050, mit zahlreichen Nachweisen). So wurde beispielsweise zum Nachbarbegriff des § 2 Abs. 6 Z. 5 AWG 2002 judiziert, dass jener im Wesentlichen jenem des § 75 Abs. 2 GewO 1994 entspreche, weshalb die gewerberechtliche Rechtsprechung insoweit auch auf das AWG 2002 übertragen werden könne (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2004/07/0055 = VwSlg 16.463A).

22 Entgegen der von der Erstbehörde in ihrer Beschwerde vertretenen Auffassung ist auch die schon dem erstbehördlichen Bescheid maßgeblich zugrunde gelegte Bestimmung des § 43 Abs. 1 Z. 4 AWG 2002 der korrespondierenden Bestimmung des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 durchaus vergleichbar, sodass auf die zu der letzteren Bestimmung ergangene hg. Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Gegenteiliges ist auch nicht etwa daraus zu folgern, dass die Bestimmungen des § 43 Abs. 1 Z. 5 und Z. 5a AWG 2002 - gerade anders als Z. 4 leg. cit. - deutlich erkennbar auf den "Betrieb der Behandlungsanlage" abstellen.

23 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , Zl. 2012/07/0027, ausgesprochen, dass die Judikatur zu den Genehmigungsvoraussetzungen für Betriebsanlagen nach der GewO 1994 auf die Genehmigungsvoraussetzungen für Behandlungsanlagen nach § 43 Abs. 1 AWG 2002 übertragbar ist.

24 Die belangte Behörde hat daher ihrer Beurteilung nach § 43 Abs. 1 Z. 4 AWG 2002 - und der daraus abgeleiteten Behebung nach § 66 Abs. 2 AVG - zutreffenderweise die hg. Rechtsprechung zu § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 zugrunde gelegt, wonach die Frage der Vereinbarkeit der Errichtung des Projektes mit auf der Betriebsliegenschaft haftenden - etwa dinglichen - privatrechtlichen Rechten keinen Gegenstand des administrativen Genehmigungsverfahrens bildet und es zu einer im Sinn der genannten Verwaltungsbestimmungen relevanten Gefährdung einer Dienstbarkeit nur durch den Betrieb der Betriebsanlage bzw. Behandlungsanlage kommen kann, somit nur dann, wenn die zu genehmigende Anlage und die fragliche Dienstbarkeit grundsätzlich nebeneinander bestehen können (vgl. die Nachweise bei Grabler/Stolzlechner/Wendl , GewO3 Rz 25 zu § 74). Ob die Errichtung der Betriebsanlage bzw. Behandlungsanlage unter den Gesichtspunkten der bestehenden privatrechtlichen Rechtsverhältnisse zulässig ist, ist somit eine ausschließlich in die Zuständigkeit der Zivilgerichte fallende Frage des privaten Rechts (vgl. zu § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/04/0079, sowie vom , Zl. 98/04/0140 = VwSlg. 15.122A).

25 Der belangten Behörde ist somit auch darin beizupflichten, dass die von der Erstbehörde in ihrem Bescheid vom der Versagung der abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung allein zugrunde gelegte Beurteilung nach § 43 Abs. 1 Z. 4 AWG 2002 verfehlt war.

26 Wie die Erstbehörde in diesem Bescheid ausdrücklich ausgeführt hat, unterblieb im erstbehördlichen Verfahren mit Blick auf diese - unrichtige - Beurteilung nach § 43 Abs. 1 Z. 4 AWG 2002 eine "ausführliche Prüfung der weiteren Genehmigungsvoraussetzungen" sowie der Voraussetzungen der nach § 38 Abs. 1a AWG mitzuvollziehenden Vorschriften. Vor diesem Hintergrund begegnet die Behebung des Spruchpunktes A) des erstbehördlichen Bescheides durch die belangte Behörde nach § 66 Abs. 2 AVG - welche für sich genommen auch die Beschwerde nicht bekämpft - keinen Bedenken des Gerichtshofes.

27 4.1. Im Weiteren wendet sich die Beschwerde gegen die Behebung des Spruchpunktes B) des erstbehördlichen Bescheides durch die belangte Behörde und bekämpft dabei insbesondere deren Auffassung, dass der Ausspruch über die beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung infolge der Konzentrationsbestimmung des § 38 Abs. 1 AWG 2002 "streng akzessorisch" gegenüber der abfallwirtschaftsrechtlichen Genehmigung in dem Sinn sei, dass die naturschutzrechtliche Entscheidung schon aus diesem Grund das Schicksal der abfallwirtschaftsrechtlichen Entscheidung teile und daher ebenso wie diese nach § 66 Abs. 2 AVG zu beheben sei.

28 4.2. Die im Verfassungsrang stehende Bestimmung des § 38 Abs. 1 AWG 2002 begründet - wie sich insbesondere aus der Anordnung ihres zweiten Satzes ergibt, wonach die Behörde hinsichtlich der landesrechtlichen Vorschriften "im selben Bescheid in einem eigenen Spruchpunkt zu entscheiden" hat - eine Verfahrens- und Entscheidungskonzentration für die in dieser Bestimmung genannten landesrechtlichen Materien (vgl. Bumberger/Hochholdinger/ Niederhuber/Wolfslehner , AWG 20022 K 1 zu § 38). Zur Ermöglichung dieser vollen Verfahrens- und Entscheidungskonzentration sieht § 38 Abs. 1 letzter Satz AWG 2002 vor, dass auch in Materien, die in die Gesetzgebung und Vollziehung der Länder gehören (vgl. Art. 15 Abs. 1 B-VG), - wie etwa vorliegend im Naturschutzrecht - der "Landeshauptmann als Mitglied der Landesregierung oberstes Organ der Landesvollziehung" ist.

29 Aufgrund dieser durch die genannte Verfassungsbestimmung ermöglichten Verfahrens- und Entscheidungskonzentration kann allerdings - solange die nach § 37 Abs. 1 AWG 2002 erforderliche Genehmigung (im vorliegenden Fall wegen einer Behebung und Zurückverweisung nach § 66 Abs. 2 AVG) noch nicht vorliegt, also das abfallwirtschaftsrechtliche "Hauptverfahren" des § 38 Abs. 1 AWG 2002 noch nicht abgeschlossen ist - auch die in einer landesrechtlichen Materie gemäß § 38 Abs. 1 AWG 2002 zu treffende Entscheidung noch nicht spruchreif sein. Die belangte Behörde hat somit zu Recht eine "Akzessorietät" der vorliegend zu treffenden naturschutzrechtlichen Entscheidung in diesem Sinn angenommen und deshalb diese schon aus diesem Grund ebenfalls gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben.

30 4.3. Darüber hinaus stützt der angefochtene Bescheid die vorgenommene Behebung des Spruchpunktes B) des erstbehördlichen Bescheides unter Zurückverweisung der Angelegenheiten zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Erstbehörde auch auf eine inhaltliche Beurteilung anhand der Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG und führt dazu im Wesentlichen begründend aus, dass nach der von der Erstbehörde am durchgeführten Verhandlung noch eine Stellungnahme des naturkundlichen Sachverständigen und eine weitere Kontaktaufnahme mit diesem erfolgt seien und mittlerweile das beantragte Projekt abgeändert worden sei.

31 Zur Bekämpfung dieser Beurteilung bringt die Beschwerde lediglich vor, es sei "zwar richtig", dass nach der mündlichen Verhandlung noch ergänzende Verfahrensergebnisse zutage getreten seien, dies führe aber nicht dazu, "dass im konkreten Fall eine weitere mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen wäre". Das rechtliche Gehör sämtlicher Verfahrensparteien sei "jederzeit vollumfänglich gewahrt" worden; die Sachverständigen hätten sich uneingeschränkt ein Bild von der Lage vor Ort machen können. Aufgrund der umfangreichen Ermittlungsergebnisse wäre die belangte Behörde jedenfalls in der Lage und auch verpflichtet gewesen, eine Entscheidung in der Sache zu treffen.

32 4.4. Nach § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

33 Als "unvermeidlich" im Sinn dieser Bestimmung wurde in der Rechtsprechung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch in solchen Fällen angesehen, in denen aufgrund einer gemäß § 13 Abs. 8 AVG zulässigen Änderung des verfahrenseinleitenden Antrags (des Projekts) zur Ergänzung bzw. zur Feststellung des nun maßgeblichen geänderten Sachverhalts die gleichzeitige Anwesenheit der Parteien des Verfahrens in einer kontradiktorischen Verhandlung als notwendig erscheint; insbesondere gilt dies dann, wenn eventuell neue Gutachten einzuholen sein könnten und auch die gleichzeitige Anwesenheit der Sachverständigen bei der Verhandlung mit den Parteien erforderlich sein könnte (vgl. die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb , AVG § 66 Rz 17).

34 Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Behebung (auch) der naturschutzrechtlichen Entscheidung nach § 66 Abs. 2 AVG erkennbar auf diese Erwägungen gestützt. Dem tritt die Beschwerde nicht konkret entgegen. Auch vor dem Hintergrund, dass sich aufgrund des (unter Punkt 3.2.) Gesagten schon hinsichtlich des abfallwirtschaftsrechtlichen Hauptverfahrens eine Behebung und Zurückverweisung nach § 66 Abs. 2 AVG und somit eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch die Erstbehörde als unumgänglich erwies, ist die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Entscheidung nach § 66 Abs. 2 AVG auch hinsichtlich des naturschutzrechtlichen Verfahrens fallbezogen nicht zu beanstanden.

35 5. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

36 Der Antrag der belangten Behörde auf Zuspruch von Aufwandersatz war abzuweisen, weil ein Kostenersatz im Fall der Identität des Rechtsträgers, dem der Kostenersatz aufzuerlegen wäre, mit jenem Rechtsträger, dem er zuzusprechen wäre, nicht in Betracht kommt (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. Ra 2015/05/0069, sowie vom , Zl. 2013/04/0029, jeweils mwN).

Wien, am