VwGH vom 25.03.2010, 2010/21/0073
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2010/21/0074
2010/21/0076
2010/21/0075
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde 1. des NS,
2. der HS, 3. des NS, und 4. des NS, alle vertreten durch die Mag. Dr. Karner Mag. Dr. Mayer Rechtsanwaltspartnerschaft in 8010 Graz, Steyrergasse 103/II, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres je vom , Zlen. 155.411/2- III/4/10 (ad 1.), 155.411/3-III/4/10 (ad 2.), 155.411/4- III/4/10 (ad 3.) und 155.411/5-III/4/10 (ad 4.), jeweils betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Bescheidkopien ergibt sich Folgendes:
Die Beschwerdeführer, ein armenisches Ehepaar und seine beiden Söhne, sind am in das Bundesgebiet eingereist. Ihre in der Folge gestellten Asylanträge wurden im Oktober 2009 rechtskräftig abgewiesen, zugleich wurde - ebenfalls rechtskräftig - die Ausweisung der Beschwerdeführer verfügt.
Am stellten die Beschwerdeführer Anträge auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" nach § 44 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG. Diese Anträge wies der Landeshauptmann der Steiermark mit Bescheid vom im Hinblick auf die rechtskräftige Ausweisung der Beschwerdeführer als unzulässig zurück. Mit den nunmehr angefochtenen, im Wesentlichen gleich lautenden Bescheiden je vom wies die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) die dagegen erhobene Berufung - für jeden Beschwerdeführer gesondert - gemäß § 44 Abs. 3 iVm § 44b Abs. 1 Z 1 NAG ab. Die Beschwerdeführer hätten ihre Anträge mit ihrer Unbescholtenheit, bester Integration im Bundesgebiet und nahezu perfekten Deutschkenntnissen begründet. Weiters hätten sie auf Arbeitsplatzzusagen und auf zu ihren Gunsten abgegebene Patenschaftserklärungen verwiesen. Es liege jedoch - so die belangte Behörde - "eine vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom
... seit rechtskräftig erlassene Ausweisung
vor". Im Hinblick auf "den dem Ausweisungsbescheid zu Grunde liegenden Sachverhalt und unter Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG" komme aus der Berufung kein maßgeblich geänderter Sachverhalt hervor, sodass die Antragszurückweisung durch die erstinstanzliche Behörde "rechtskonform" erfolgt sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
§ 44 Abs. 3, § 44a und § 44b Abs. 1 NAG lauten wie folgt:
"§ 44. (3) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen (§ 44a) oder auf begründeten Antrag (§ 44b), der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, eine quotenfreie 'Niederlassungsbewilligung - beschränkt' zu erteilen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und dies gemäß § 11 Abs. 3 zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.
§ 44a. Die Behörde hat einen Aufenthaltstitel gemäß §§ 43 Abs. 2 oder 44 Abs. 3 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Ausweisung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 10 AsylG 2005 oder gemäß § 66 FPG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt. Die Frist gemäß § 73 Abs. 1 AVG beginnt mit der Zustellung der gemäß § 22 Abs. 9 AsylG 2005 oder § 105 Abs. 7 FPG zu übermittelnden Entscheidung an die Behörde.
§ 44b. (1) Liegt kein Fall des § 44a vor, sind Anträge gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn
1. gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde, oder
2. rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend (§ 10 AsylG 2005,§ 66 FPG) unzulässig ist, oder
3. die Sicherheitsdirektion nach einer Befassung gemäß Abs. 2 in der Stellungnahme festgestellt hat, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend unzulässig ist
und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt."
Die eben zitierten Bestimmungen wurden mit der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 geschaffen. Im "Allgemeinen Teil" der ErläutRV zu dieser Novelle (88 BlgNR 24. GP 2) wird u.a. ausgeführt:
"Ausgehend von der Grundannahme, dass das Vorliegen der Gründe gemäß Art. 8 EMRK möglichst nur von einer zuständigen Behörde geprüft werden soll und 'Kettenanträge' bei unterschiedlichen Behörden hintanzuhalten sind, sieht der Entwurf einerseits vor, dass die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde einen Aufenthaltstitel von Amts wegen zu erteilen hat, wenn die dauerhafte Unzulässigkeit einer Ausweisung gemäß Art. 8 EMRK in einem asyl- oder fremdenpolizeilichen Verfahren bereits festgestellt wurde. Andererseits ist ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Berufung auf Art. 8 EMRK als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine Ausweisung bereits als zulässig erachtet wurde, es sei denn, die Umstände haben sich seither maßgeblich geändert."
Die ErläutRV zu § 44b NAG (aaO., 12) präzisieren das wie folgt:
"Gemäß Abs. 1 sind Anträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung bereits rechtskräftig erlassen wurde (Z 1), rechtskräftig festgestellt wurde, dass eine Ausweisung bloß vorübergehend unzulässig ist (Z 2), oder die Sicherheitsdirektion in ihrer Stellungnahme nach Abs. 2 diesen Umstand feststellt (Z 3). In allen Fällen hat die Zurückweisung nur dann zu erfolgen, wenn aus dem Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht hervorkommt. Diese Bestimmung normiert den Grundsatz, dass die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde eine bereits getroffene Ausweisung zu beachten und den Antrag daher mittels Formalentscheidung zurückzuweisen
hat. ... Eine Zurückweisung soll nur dann nicht erfolgen, wenn
sich der Verhältnisse, sei es durch Zeitablauf oder auf Grund persönlicher Umstände, so weit geändert haben, dass eine neuerliche Beurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK notwendig ist. Dabei kommt es weder darauf an, ob die Ausweisung in einem asyl- oder fremdenpolizeilichen Verfahren ausgesprochen wurde, noch ob es sich um eine Ausweisung nach dem AsylG 2005 oder dem FPG oder nach früheren asyl- oder fremdenrechtlichen Bestimmungen (wie z. B. FrG 1997, Asylgesetz 1997) handelt."
Im vorliegenden Fall liegen gegenüber den Beschwerdeführern seit Oktober 2009 rechtskräftige - asylrechtliche - Ausweisungen vor, was bedeutet, dass ihre Verbringung außer Landes vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK als zulässig zu betrachten war. Mit ihren Anträgen nach § 44 Abs. 3 NAG haben die Beschwerdeführer demgegenüber der Sache nach geltend gemacht, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung ihres Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten sei. Nach dem Wortlaut des Gesetzes und den damit in Einklang stehenden Materialien waren diese Anträge im Sinn der hier bekämpften Bescheide ohne Weiteres zurückzuweisen, es sei denn, es wäre im Hinblick auf maßgebliche Sachverhaltsänderungen seit den ergangenen Ausweisungen eine neuerliche Beurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK erforderlich.
Die belangte Behörde hat das im Ergebnis verneint. In der Beschwerde wird dagegen wie schon im Verwaltungsverfahren zunächst ins Treffen geführt, die im Familienverband lebende Familie sei schon seit knapp fünfeinhalb Jahren im Bundesgebiet aufhältig; ihr Aufenthalt sei bis durch das Asylverfahren "legalisiert" gewesen, sie seien alle unbescholten, im Bundesgebiet bestens integriert und würden nahezu perfekt die deutsche Sprache sprechen.
Abgesehen davon, dass sich ausgehend von der unstrittigen Einreise der Beschwerdeführer ins Bundesgebiet im Oktober 2005 ein inländischer Aufenthalt von nicht ganz viereinhalb Jahren (und nicht knapp fünfeinhalb Jahren) ergibt, wird allerdings nicht dargelegt, inwieweit diese Umstände nicht bereits den erst kürzlich im Oktober 2009 ergangenen asylrechtlichen Ausweisungen zu Grunde lagen. Als "Änderungstatsachen" werden vielmehr in der Folge nur die Erteilung von Arbeitsplatzzusagen sowie die Abgabe je einer Patenschaftserklärung von dem präsumtiven Arbeitgeber angesprochen. Das kann freilich ungeachtet der daraus für die Zukunft allenfalls ableitbaren Unabhängigkeit der Beschwerdeführer von Leistungen der öffentlichen Hand in einer Konstellation wie der vorliegenden von vornherein nicht ausreichen, eine maßgebliche Verstärkung ihrer persönlichen Interessen darzutun, sodass es nach den rechtskräftigen Ausweisungen nunmehr zu einer Neubeurteilung ihrer Situation vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK kommen könnte. Die Zurückweisung der gegenständlichen Anträge nach § 44 Abs. 3 NAG gemäß der Vorschrift des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, ohne dass es auf weitere Gesichtspunkte (etwa auf die - bei einem Antrag nach § 44 Abs. 3 NAG aber gar nicht erforderlichen - Patenschaftserklärungen) noch ankäme. Die belangte Behörde hat sich mit derartigen Gesichtspunkten, anders als die Beschwerde meint, daher zu Recht nicht näher auseinander gesetzt. Auch der bisherige, im bekämpften Bescheid allerdings zu Recht als "nicht gesichert" bezeichnete Aufenthaltsstatus der Beschwerdeführer ist ohne Relevanz.
Da auch - was sich gleichfalls bereits aus dem Inhalt der Beschwerde ergibt - die behaupteten Verfahrensmängel nicht vorliegen (insbesondere hat die belangte Behörde weder nur auf den erstinstanzlichen Bescheid verwiesen noch ihre Begründungspflicht verletzt), war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am