VwGH vom 22.02.2011, 2008/18/0016
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des AB in W, geboren am , vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/254.224/2007, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am unter Zuhilfenahme eines Schleppers unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Da der Beschwerdeführer kurz nach dem Grenzübertritt "aufgegriffen" worden sei, habe die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf in der Folge gegen ihn mit rechtskräftigem Bescheid vom ein bis befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Am habe der Beschwerdeführer einen Asylantrag eingebracht, worauf er zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen sei.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom sei die Adoption des Beschwerdeführers durch die österreichische Staatsbürgerin P genehmigt worden. Sein daraufhin gestellter Antrag auf Erteilung eines Erstaufenthaltstitels sei aber nach dem damals geltenden § 28 Abs. 5 Fremdengesetz 1997 (FrG) abgewiesen worden.
Am habe der Beschwerdeführer die Berufung gegen den in erster Instanz erlassenen "negativen Asylbescheid" zurückgezogen. Die ihm nach asylrechtlichen Bestimmungen zugekommene vorläufige Aufenthaltsberechtigung sei am "widerrufen" worden.
Am habe der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach dem (damaligen) § 49 Abs. 1 FrG gestellt. Dieser Antrag sei allerdings im Hinblick auf das zwischenzeitig in Kraft getretene Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) gemäß dessen § 21 Abs. 1 - letztinstanzlich im Mai 2007 - abgewiesen worden.
Der Beschwerdeführer habe nicht bestritten, sich ohne Aufenthaltstitel in Österreich aufzuhalten. Es sei daher seine Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG zulässig.
Der Beschwerdeführer sei ledig. Sämtliche Familienangehörige mit Ausnahme seiner Adoptivmutter, mit der er aber nicht im gemeinsamen Haushalt wohne, seien in Bangladesch aufhältig. Der unrechtmäßige Aufenthalt dauere mittlerweile seit eineinhalb Jahren, nämlich seit dem , an. Angesichts des bisherigen langjährigen Aufenthalts des Beschwerdeführers und der Bindungen zur Adoptivmutter sei von einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen. Wesentlich interessenmindernd wirke sich aber aus, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers über viele Jahre nur auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen rechtmäßig gewesen sei. Asylrelevante Gründe seien letztlich nicht festgestellt worden. Seit Jänner 2006 sei der Aufenthalt "definitiv unrechtmäßig". Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, namentlich der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens, ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen seien vom Beschwerdeführer angesichts der Umstände, dass er sich bereits sehr lange Zeit unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und längst hätte ausreisen müssen, in gravierender Weise missachtet worden. Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei daher von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Darüber hinaus seien besondere Bindungen an die Adoptivmutter, von der der Beschwerdeführer getrennt lebe, nicht behauptet worden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1361/07-7, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - im Verfahren ergänzte - Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich eingangs - mit Blick auf § 2 Abs. 4 Z 11 und § 9 Abs. 1 Z 1 FPG - gegen die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung einer Ausweisung und bringt vor, seine die österreichische Staatsbürgerschaft besitzende Adoptivmutter hätte das ihr nach gemeinschaftsrechtlichen (nunmehr: unionsrechtlichen) Bestimmungen zustehende Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen. Dem ist entgegenzuhalten, dass dieses nicht näher konkretisierte Vorbringen durch die vorliegenden Verwaltungsakten nicht gedeckt ist. Somit bestehen gegen die Zuständigkeit der belangten Behörde keine Bedenken.
Vor diesem Hintergrund ist aber auch allen mit einer Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger zusammenhängenden Beschwerdeausführungen der Boden entzogen. In diesem Zusammenhang vertretenen gleichheitsrechtlichen Bedenken betreffend des fremdenrechtlichen Status von Angehörigen von Österreichern, die ihr Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen haben, ist der Verfassungsgerichtshof nicht gefolgt (vgl. etwa dessen Erkenntnis vom , Zl. G 244/09 ua.).
Der Beschwerdeführer behauptet weder über einen Aufenthaltstitel noch sonst über eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet zu verfügen. Angesichts dessen begegnet die behördliche Ansicht, der auf den nicht rechtmäßigen Aufenthalt abstellende Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei erfüllt, keinen Bedenken.
Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid aber auch aus dem Blickwinkel des § 66 FPG. Insoweit verweist er auf einen engen und regelmäßigen Kontakt zu seiner Adoptivmutter, seinen Freundes- und Bekanntenkreis, seine Deutschkenntnisse und seine Berufstätigkeit. Diesen - von der belangten Behörde bei der Interessenabwägung ebenso wie die Dauer seines bisherigen etwa acht Jahre dauernden Aufenthalts berücksichtigten - Bindungen im Bundesgebiet steht aber das als hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Unter Berücksichtigung der Volljährigkeit des Beschwerdeführers sowie auf Grund des Umstandes, dass sich sein Aufenthaltsstatus während seines gesamten Aufenthalts im Bundesgebiet als unsicher darstellte, kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde den öffentlichen Interessen den Vorrang gegenüber den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet eingeräumt hat. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war er während des auf Grund einer vorläufigen asylrechtlichen Aufenthaltsberechtigung erlaubten Aufenthaltes aber auch nicht als niedergelassen anzusehen (vgl. dazu ausführlich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/21/0108). Wenn der Beschwerdeführer (mit näherer Begründung) noch geltend macht, die Führung eines gemeinsamen Familienlebens mit seiner Adoptivmutter sei in seinem Heimatland nicht möglich, ist er darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung handelt.
Zusammengefasst kann somit nicht davon ausgegangen werden, die Situation des Beschwerdeführers stellte sich als derart außergewöhnlich dar, dass es im Blick auf die Bestimmung des Art. 8 EMRK geboten gewesen wäre, von der Erlassung der Ausweisung Abstand zu nehmen.
Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
HAAAE-80862