VwGH vom 22.02.2011, 2008/18/0002

VwGH vom 22.02.2011, 2008/18/0002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des DS in W, geboren am , vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/449.691/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich seit August 2002 im Bundesgebiet auf. Seit verfüge er über Aufenthaltstitel, die er von der Ehe seiner Mutter mit einem österreichischen Staatsbürger abgeleitet habe.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs. 1 StGB sowie (wegen des Vergehens des schweren Diebstahles) nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, wobei ein Teil derselben von elf Monaten bedingt nachgesehen worden sei, rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer mit zwei weiteren Personen am vereinbart habe, am selben Abend Angestellte des Unternehmens B zu überfallen. Einer der Mittäter hätte dem Plan zufolge alle drei mit einem PKW zum Tatort bringen und im Auto warten sollen, während der Beschwerdeführer und der andere Mittäter eine Angestellte mit einer Spielzeugpistole bedrohen hätte sollen. Letztlich habe der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem weiteren Täter einer Angestellten dieses Unternehmens Bargeld im Wert von EUR 3.290,-- gestohlen.

Dieses Urteil erfülle zweifelsfrei den in § 60 Abs. 2 Z 1 FPG normierten Tatbestand. Sohin seien die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG gegeben.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe in Österreich eine Lehre absolviert. Aus gesundheitlichen Gründen könne er dem erlernten Beruf jedoch nicht mehr nachgehen. Zuletzt sei der Beschwerdeführer im Oktober 2007 für zwei Wochen beschäftigt gewesen. Er sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen bestünden zur Mutter und einem Bruder, mit denen der Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt lebe, sowie einem weiteren Bruder. Entgegen seinen Ausführungen halte sich der Beschwerdeführer nicht seit sieben Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf, weil ihm erstmals am ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Die dem Beschwerdeführer "insgesamt zuzuschreibende" Integration erweise sich sohin keineswegs als "schwerwiegend". Es sei zu bedenken, dass die der Integration zu Grunde liegende soziale Komponente durch das gravierende strafbare Verhalten des Beschwerdeführers an Gewicht gemindert werde. Weiters sei das Gewicht der familiären Bindungen infolge der Volljährigkeit des Beschwerdeführers relativiert. Seinem Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet stehe das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer Straftaten gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei davon auszugehen, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das öffentliche Interesse an seinem "Verlassen und Fernbleiben des Bundesgebietes".

Abschließend merkte die belangte Behörde noch an, es sei "ein Sachverhalt gemäß § 61" FPG nicht gegeben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die von der belangten Behörde getroffene Prognoseentscheidung und bringt dazu vor, es liege "eine Aufenthaltsverfestigung" vor. Diesbezüglich habe die belangte Behörde keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

Zur Gefährdungsprognose führte die belangte Behörde lediglich aus, die Verurteilung des Beschwerdeführers verwirkliche den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG, weshalb auch § 60 Abs. 1 FPG erfüllt sei. Des Weiteren führte die belangte Behörde - ohne nähere Begründung - aus, ein Sachverhalt im Sinn des § 61 FPG sei nicht gegeben.

Dabei lässt die belangte Behörde allerdings gänzlich außer Acht, dass dem Beschwerdeführer der Aktenlage zufolge bereits im September 2004 ein Niederlassungsnachweis, der gemäß § 11 Abs. 1 lit. C sublit. b NAG-DV ab In-Kraft-Treten des NAG () als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" weitergalt, erteilt wurde.

Nach dem auf Grund § 61 Z 2 FPG hier in den Blick zu nehmenden § 56 Abs. 1 FPG dürfen Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über den Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" oder "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" verfügen, nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde. Bei dieser Prognosebeurteilung kommt es wie bei der - in Relation zu § 56 Abs. 1 FPG ein geringeres Maß verlangenden - Gefährdungsprognose nach § 60 Abs. 1 FPG und der - im Verhältnis zu § 56 Abs. 1 FPG ein höheres Maß fordernden - Gefährdungsprognose nach den ersten beiden Sätzen des § 86 Abs. 1 FPG und wie schließlich bei der noch weiter gesteigerten Gefährdungsprognose nach dem fünften Satz des § 86 Abs. 1 FPG in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen letztlich aber immer auf das zugrunde liegende Verhalten an. Es ist - was die belangten Behörde hier unterlassen hat - nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. zu Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0603).

Der Hinweis, die Verurteilung erfüllte den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG, und es liege sohin (schon deswegen) eine Gefährdung im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG vor, wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Darüber hinaus hat die belangten Behörde aber mit ihren weiteren nicht näher begründeten Ausführungen, es liege kein Sachverhalt im Sinne des § 61 FPG vor, auch verkannt, dass sie im vorliegenden Fall nach dem Gesagten für die Beurteilung der Zulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes den Prüfungsmaßstab des § 56 Abs. 1 FPG heranzuziehen gehabt hätte. Ausführungen, warum der dort genannte Gefährdungsmaßstab ("schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit") im vorliegenden Fall erfüllt sein soll, fehlen zur Gänze.

Fallbezogen führt dies aber nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Zum einen ist durch die oben genannte Verurteilung der Tatbestand des § 56 Abs. 2 Z 1 erster Fall FPG verwirklicht, wonach das Vorliegen der in § 56 Abs. 1 FPG genannten Gefahr als indiziert anzusehen ist. Zum anderen ist diese Annahme anhand des festgestellten Verhaltens des Beschwerdeführers gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer hat sich zur Begehung eines Raubes mit zwei weiteren Personen verabredet. Dabei hat er gemeinsam mit seinen Mittätern einen Tatplan entwickelt, um sowohl das Gelingen der Straftat als auch die anschließende Flucht bewerkstelligen zu können. Der Beschwerdeführer hat sohin die Begehung eines Raubes planmäßig vorbereitet und die Ausführung von planmäßig zu einem Raub führenden Handlungen ins Auge gefasst und begonnen. Dass es bei der Tatausführung letztlich bei einem (schweren) Diebstahl - der hier aber ebenfalls zu berücksichtigen ist - geblieben ist (und das strafrechtlich relevante Stadium eines Raubes nicht erreicht wurde), kann bei der Prognosebeurteilung sohin nicht ausschlaggebend zu Gunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht fallen.

Im Ergebnis liegt somit insoweit die behauptete Rechtsverletzung nicht vor, zumal der Beschwerdeführer auch nicht aufzeigt, welche zusätzlichen für ihn günstigen Feststellungen die belangte Behörde hätte treffen müssen und weshalb diese unter Einbeziehung derselben bei der Erstellung der - nach § 56 Abs. 1 FPG zu treffenden - Gefährdungsprognose zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Auch die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde die Dauer des bisherigen Aufenthalts, die familiären Bindungen zur Mutter und zu den Brüdern sowie die bisherige Berufsausbildung im Bundesgebiet ausreichend berücksichtigt. Der dadurch erlangten Integration hat die belangte Behörde aber zu Recht entgegengehalten, dass das Gewicht derselben durch die strafbaren Handlungen des Beschwerdeführers eine Minderung erfahren hat. Angesichts dessen gravierenden strafbaren Verhaltens kann die Ansicht der belangten Behörde, die persönlichen Interessen des (volljährigen) Beschwerdeführers, der über keine Kernfamilie im Bundesgebiet verfügt, hätten hinter den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, wie den hier in Rede stehenden, hintanzustehen, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die - allfällige - Trennung von seinen Angehörigen hat er im öffentlichen Interesse hinzunehmen.

Wenn der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Interessenabwägung noch darauf hinweist, dass er seit 1994 im Bundesgebiet aufhältig sei, entfernt er sich von den behördlichen Feststellungen, ohne darzulegen, warum diese unrichtig sein sollten. Anhand der in den Verwaltungsakten erliegenden "Meldebestätigung" ergibt sich, dass der Beschwerdeführer für die Zeit von bis eine aufrechte Meldung im Bundesgebiet aufwies und sodann als "verzogen nach Kroatien" registriert ist. Angesichts dessen und mit Blick auf den vom Beschwerdeführer am gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung können die behördlichen Feststellungen, er sei erst im Jahr 2002 (wieder) nach Österreich gezogen, nicht als unschlüssig angesehen werden. Im Übrigen hat der Beschwerdeführer auch in der Berufung nicht behauptet, seit 1994 in Österreich aufhältig zu sein. Der frühere etwa 2 1/2 Jahre währende Aufenthalt des Beschwerdeführers von September 1994 bis Jänner 1997 vermag aber fallbezogen keine nennenswerte Verstärkung seiner persönlichen Interessen herbeizuführen, weshalb auch dessen Berücksichtigung zu keinem anderen Ergebnis führen könnte. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wird sohin nicht dargelegt.

Da nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid im Ergebnis die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am