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VwGH vom 12.10.2010, 2010/21/0026

VwGH vom 12.10.2010, 2010/21/0026

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. E1/21706/2009, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß den §§ 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 63 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend verwies sie - auf das im vorliegenden Zusammenhang Wesentliche zusammengefasst - darauf, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (§ 278 StGB) nach den §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z. 1, 130 2., 3. und 4. Fall, sowie § 15 StGB schuldig gesprochen und zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von 27 Monaten verurteilt worden sei. Im Anschluss legte die belangte Behörde näher die vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen dar. Im Herbst 2007 habe er eine kriminelle Vereinigung gegründet und sich an dieser als Mitglied beteiligt. Im Zuge dieser habe er zwischen und gegenüber mehr als zehn (einzeln aufgezählten) Geschädigten in zahlreichen Angriffen gewerbsmäßig schwere Diebstähle und Einbruchsdiebstähle begangen bzw. zu begehen versucht. Die Beute (u.a. 12 Tonnen Kupferkabel, 27 Tonnen Edelstahlbleche sowie diverse weitere Verkabelungen und Geräte) habe insgesamt rund EUR 455.000,-- ausgemacht. Dazu komme erschwerend die Verursachung beträchtlichen Sachschadens. Der Beschwerdeführer sei äußerst professionell und in genau geplanter Arbeitsteilung vorgegangen, wobei er (neben den Mittätern) großteils als unmittelbarer Täter fungiert habe. Er habe (mit den Anderen) sogar eine Kabelentschälmaschine erworben, um sich damit das Entschälen erbeuteter Kupferkabel und den anschließenden Weiterverkauf zu erleichtern. Die Ansicht der Erstbehörde, auf Grund der dargestellten Verurteilung und des ihr zu Grunde liegenden massiven Fehlverhaltens seien die Voraussetzungen für die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes nach § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt, sei nicht zu beanstanden.

Zu der nach § 66 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei in Österreich geboren worden und habe bis auf den Zeitraum "von 1995 bis 2003" (als er sich mit seinem Vater in Serbien aufgehalten habe) in Österreich gelebt. Weder ein familiärer Rückhalt im Bundesgebiet (Eltern und zwei Schwestern) noch seine Beziehung zu einer österreichischen Freundin hätten ihn jedoch davon abzuhalten vermocht, im dargestellten erheblichen Ausmaß straffällig zu werden. Zudem habe er bei den Tatbildverwirklichungen ein Charakterbild offenbart, das von einer geringen Hemmschwelle und erheblicher krimineller Energie geprägt sei. Er stelle somit eine große Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Sein Verbleib im Bundesgebiet würde im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (insbesondere Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie Schutz der Rechte und Freiheiten anderer Personen) zuwiderlaufen. Daran vermögen das Geständnis im Strafverfahren und die kooperative Mitwirkung im Ermittlungsverfahren ebenso wenig etwas zu ändern wie die bedingte Entlassung aus der Strafhaft am sowie die Tatsache, dass der Beschwerdeführer davor bereits Freigänger gewesen sei. Die Fremdenpolizeibehörde habe ihre Erwägungen und die Prognosebeurteilung nämlich unabhängig von denen des Strafgerichtes zur Strafbemessung selbständig zu treffen. Auch wenn der Beschwerdeführer erstmals das Haftübel verspürt und Besserung versprochen habe, stelle dies "ein ungewisses künftiges Ereignis dar", dem unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens "Glaubwürdigkeit nicht zuzusprechen" sei.

Der Umstand, dass sich laut Angaben des Beschwerdeführers sämtliche seiner Angehörigen in Österreich aufhielten, relativiere sich angesichts der Volljährigkeit und des Umstandes, dass er mit diesen in keinem gemeinsamen Haushalt lebe. Zu seinen Schwestern pflege er keinen Kontakt. Die Freundschaft zu einer österreichischen Staatsbürgerin sei im Oktober 2006 entstanden. Während dieser Beziehung habe der Beschwerdeführer 18 Monate in Strafhaft verbracht und sei "erst seit dem am nunmehrigen gemeinsamen Wohnsitz gemeldet".

Soweit er sich darauf berufe, in Serbien auf keinerlei "verwandtschaftliches Netzwerk" zurückgreifen zu können, sei ihm entgegenzuhalten, dass er von 1995 bis 2002 in Serbien die Grundschule "bzw. von 1998 bis 2002 neben der Grundschule" auch eine Lehre als Autoelektriker, LKW-Mechaniker und Elektriker absolviert habe. Er sei daher mit den Gegebenheiten in Serbien vertraut und habe - auch ohne verwandtschaftliche Beziehungen - Sozialkontakte gepflogen. Eine Reintegration erscheine somit als zumutbar. Auch habe ihn der private und familiäre Rückhalt in Österreich nicht von der Begehung erheblicher Straftaten abhalten können.

Unter Abwägung der angeführten Tatsachen und im Hinblick auf die für einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Aufenthaltsverbot sei somit auch zulässig iSd § 66 Abs. 2 FPG. Auch von der Ermessensbestimmung des § 60 Abs. 1 FPG habe nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht werden können, weil eine Abstandnahme die öffentliche Ordnung zu schwer beeinträchtigt hätte. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes ergebe sich daraus, dass auf Grund des dargestellten Verhaltens nicht vorhergesehen werden könne, wann sich der Beschwerdeführer wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Auf Grund der dargestellten rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer (unbedingten) 27-monatigen Freiheitsstrafe ist der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 erster Fall FPG erfüllt. Soweit der Beschwerdeführer die Verurteilung lediglich zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe behauptet, steht dies mit der Aktenlage und den im Einklang damit getroffenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides - denen nicht argumentativ entgegengetreten wird - im Widerspruch.

Aus den dargestellten, über längere Zeit fortgesetzten gravierenden Verbrechen resultiert eine schwer wiegende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Eigentumskriminalität, sodass die Ansicht der belangten Behörde, die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, keinen Bedenken begegnet.

Zu beachten ist zwar, dass der Beschwerdeführer nach der Aktenlage seit über unbefristete Aufenthaltstitel verfügte und ihm im Geltungsbereich des Fremdengesetzes 1997 (am ) ein Niederlassungsnachweis ausgestellt wurde, der gemäß § 11 Abs. 1 Abschnitt C lit. b) NAG-DV nunmehr als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" gilt. Dem Beschwerdeführer kommt daher die Rechtsstellung eines langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen zu, gegen den eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur bei Vorliegen der im § 56 FPG genannten Voraussetzungen zulässig ist (vgl. dazu ausführlich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0603). Das setzt voraus, dass die Annahme gerechtfertigt ist, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers stelle eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit iSd § 56 Abs. 1 FPG dar. Als schwere Gefahr in diesem Sinn hat es gemäß § 56 Abs. 2 Z. 1 FPG aber insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht (u.a.) wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist. Diese Voraussetzung ist im Hinblick auf die eingangs dargestellte Verurteilung wegen des wiederholten Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch erfüllt. Der Beschwerdeführer hat überdies durchwegs im Erwachsenenalter in rascher Abfolge, wie eingangs näher beschrieben nach Gründung einer darauf abzielenden Vereinigung und mit hoher krimineller Energie, gewerbsmäßig zahlreiche massive Einbruchsdiebstähle begangen. Auch bei Anlegung des - das Bestehen einer qualifizierten Gefährdung erfordernden - Tatbestandes des § 56 Abs. 1 FPG ist somit eine für den Beschwerdeführer günstigere Prognosebeurteilung ausgeschlossen.

Zwar weist der Beschwerdeführer lediglich eine gerichtliche Verurteilung auf und hat zum ersten Mal in seinem Leben das Haftübel verspürt. Dennoch ist - unter Berücksichtigung der hohen kriminellen Energie, der langen Tatfortsetzung und der Höhe der in zahlreichen Angriffen erzielten Beute - der zwischen bedingter Entlassung aus dem Strafvollzug () und Erlassung des angefochtenen Bescheides (am ) verstrichene Zeitraum noch bei weitem zu kurz, um einen allfälligen Gesinnungswandel unter Beweis stellen zu können. Dieser ist nämlich vorrangig daran zu prüfen, wie lange sich der betreffende Fremde in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/18/0618, und vom , Zl. 2007/21/0397, jeweils mwN).

Der Beschwerdeführer wendet sich auch gegen die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung und führt dazu insbesondere die Bindung zu seiner österreichischen Freundin ins Treffen. Im Bundesgebiet sei er - wie schon als Freigänger während des Vollzugs der Strafhaft - als Hilfsarbeiter berufstätig. Im Heimatstaat verfüge er dagegen über keine Kontakte und kein Netzwerk.

Diesen im Rahmen der Interessenabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigenden Umständen hat die belangte Behörde allerdings zu Recht entgegengehalten, dass dem - wenn auch beachtlichen - persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (als seinem Geburtsland, in dem er sich jahrelang aufgehalten hat) das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Straftaten der hier in Rede stehenden Art gegenübersteht. Ebenso hat schon die belangte Behörde auf den losen oder zum Teil fehlenden Kontakt zu den im Bundesgebiet lebenden Verwandten sowie auf den früheren Aufenthalt und Schulbesuch des Beschwerdeführers in Serbien verwiesen. Die mit einer Wiedereingliederung in diesem Staat verbundenen Schwierigkeiten hat der - unstrittig unverheiratete und kinderlose - Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse hinzunehmen. Insgesamt ist es daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde dem Interesse des Beschwerdeführers kein höheres Gewicht beigemessen hat als den von ihr angeführten gegenläufigen öffentlichen Interessen. Es kann ihr somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 66 FPG für zulässig angesehen hat.

Schließlich ist auch kein ausreichender Grund ersichtlich, wonach es geboten gewesen wäre, im Rahmen der Ermessensentscheidung von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen. Infolge der monatelang fortgesetzten massiven Delinquenz wäre eine auf Ermessenserwägungen beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes vielmehr offensichtlich nicht im Sinne des Gesetzes gelegen.

Nach dem Gesagten liegt die behauptete Verletzung im geltend gemachten Recht nicht vor, sodass die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
MAAAE-80830