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VwGH vom 26.08.2010, 2010/21/0025

VwGH vom 26.08.2010, 2010/21/0025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom , Zl. E1/2361/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß den §§ 31, 53 und 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer sei am illegal nach Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Das Verfahren sei, samt feststellendem Ausspruch nach § 8 Asylgesetz 1997, "mit zweitinstanzlich negativ erledigt". Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom sei die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt worden. Der Beschwerdeführer halte sich somit seit Dezember 2008 rechtswidrig in Österreich auf. Ihm sei nämlich weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden. Ein Aufenthaltsrecht auf Grund einer anderen gesetzlichen Bestimmung sei weder behauptet worden noch aus der Aktenlage ersichtlich.

Der Beschwerdeführer halte sich seit "mehr als 7 Jahren" im Bundesgebiet auf. Er gehe seit dem Jahr 2003 durchgehend einer Beschäftigung nach, die seinen Lebensunterhalt sicherstelle und wofür er über eine gültige Beschäftigungsbewilligung verfüge. Er habe viele Bekannte und Freunde in Österreich, nehme am öffentlichen Leben "entsprechend" teil und weise gute Deutschkenntnisse auf. Ebenso habe er eine ortsübliche Unterkunft angemietet, sodass ihm insgesamt eine diesen Umständen entsprechende Integration zuzugestehen sei und durch die Ausweisung in nicht unbedeutender Weise in sein Privatleben eingegriffen werde.

Jedoch werde das Gewicht dieser Integration maßgebend dadurch gemindert, dass sein Aufenthalt nur auf Grund eines Asylantrages, der sich letztlich als unberechtigt erwiesen habe, temporär berechtigt gewesen sei. Dem Beschwerdeführer sei bewusst gewesen, dass er sein Privatleben während eines Zeitraumes geschaffen habe, in dem er einen unsicheren Aufenthaltsstatus gehabt habe. Er habe nicht von vornherein damit rechnen können, nach einem allfälligen negativen Ausgang des Asylverfahrens weiterhin in Österreich bleiben zu dürfen. Sein Vorbringen, dem Staat finanziell nicht zur Last gefallen sowie unbescholten zu sein, habe weder eine Stärkung seiner persönlichen Interessen, noch eine Schwächung des die Ausweisung gebietenden öffentlichen Interesses zur Folge. Darüber hinaus relativiere sich die Integration deshalb, weil er in Österreich lediglich einen Freundeskreis, jedoch keine familiären Bindungen aufweise. Demgegenüber seien sein Vater und seine Mutter "im Herkunftsland beheimatet".

Der unrechtmäßige Verbleib im Bundesgebiet nach Abschluss des Asylverfahrens stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwer wiegend beeinträchtigt, wenn sich einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich begeben und damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen stellen. Dasselbe gelte, wenn Fremde nach Abschluss eines Asylverfahren das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Die Ausweisung sei somit gemäß § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten. Auch seien vor dem dargestellten Hintergrund keine tauglichen Gesichtspunkte erkennbar, um das der Behörde durch § 53 Abs. 1 FPG eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers zu üben.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass sein eingangs dargestelltes Asylverfahren rechtskräftig beendet ist. Auch ist der Beschwerde nicht zu entnehmen, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG - insbesondere die Erteilung eines Aufenthaltstitels - beim Beschwerdeführer vorläge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß § 66 Abs. 2 FPG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009 sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

"1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;


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2.
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3.
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4.
der Grad der Integration;
5.
die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;
6.
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7.
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8.
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren."
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde eine erforderliche Interessenabwägung am Maßstab der Kriterien des §
66 Abs. 2 FPG in der genannten Fassung vorgenommen und dabei auch die in der Beschwerde angeführten, für einen Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechenden Umstände (mehr als achtjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet, eine seit dem Jahr 2003 kontinuierlich ausgeübte Berufstätigkeit und damit verbundene Selbsterhaltungsfähigkeit, gesicherte Wohnmöglichkeit, gute Kenntnisse der deutschen Sprache, Unbescholtenheit sowie Kontakte zu Freunden und Bekannten in Österreich) in diese Beurteilung einbezogen.
Dem Vorbringen zur Integration des Beschwerdeführers während seines langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet hielt die belangte Behörde aber zutreffend entgegen, dass dieser durch eine illegale Einreise begonnene und nur vorläufig rechtmäßige Aufenthalt lediglich auf einen unbegründeten Asylantrag zurückzuführen war und seit Beendigung des Asylverfahrens unrechtmäßig ist. Die während des Aufenthaltes erlangten Gesichtspunkte der Integration wurden in einem Zeitraum erworben, als sich der Beschwerdeführer (spätestens) auf Grund der Abweisung seines Asylantrages mit erstinstanzlichem Bescheid vom 21.
Februar 2002 der Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus bewusst war, er also - für den Fall eines negativen Ausgangs seines Asylverfahrens - nicht mit einem dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet rechnen durfte.
Zwar hat §
66 Abs. 2 Z. 8 FPG schon vor dem Hintergrund der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht zur Konsequenz, dass der während eines unsicheren Aufenthaltsstatus erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen wäre und ein solcherart begründetes privates und familiäres Interesse nie zur Unzulässigkeit einer Ausweisung führen könnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0300, mwN). Schon von daher geht das abschließende Argument des Beschwerdeführers fehl, eine Relativierung der während eines Asylverfahrens erzielten Integration entziehe den in den §§ 43 und 44 NAG "für Langzeitasylwerber" vorgesehenen Regelungen den Anwendungsbereich. Jedoch sind nach dem Gesagten die im vorliegenden Fall zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände in ihrer Gesamtheit betrachtet nicht von solchem Gewicht, dass sie eine Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung begründen könnten.
Bei der Argumentation der Beschwerde, in Indien stünde für den Beschwerdeführer (nach der Aktenlage einem nicht näher qualifizierten Mitarbeiter von Mc
Donalds) "kein adäquater Arbeitsplatz" zur Verfügung, handelt es sich um eine im vorliegenden Verfahren unzulässige Neuerung. Im Übrigen ist der Argumentation mit dem Fehlen im Heimatstaat bestehender sozialer Kontakte in nennenswertem Umfang zu entgegnen, dass kein Grund ersichtlich ist, warum derartige, vom Beschwerdeführer selbst aus eigenem Entschluss abgebrochene Beziehungen nicht wieder hergestellt werden könnten. Darüber hinaus sind mit einem wirtschaftlichen Neubeginn verbundene Schwierigkeiten auf Grund des hohen öffentlichen Interesses an der Erlassung einer Ausweisung in Kauf zu nehmen.
Die belangte Behörde ist im Recht, wenn sie im Verhalten des Beschwerdeführers eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen gesehen hat. Es trifft zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung -
und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein sehr hoher Stellenwert zukommt (vgl. neuerlich etwa das zitierte hg. Erkenntnis vom mwN).
Soweit die Beschwerde schließlich als Mangelhaftigkeit des Verfahrens das Unterbleiben der Möglichkeit rügt, "eine abschließende Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu erstatten", fehlt dem die Relevanz, wird in der Beschwerde doch nicht dargestellt, welche ergänzenden Feststellungen dadurch konkret ermöglicht worden wären. Darüber hinaus hatte der Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit, sich im Verwaltungsverfahren Parteiengehör zu verschaffen.
Zusammenfassend ist es somit insgesamt fallbezogen nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art.
8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privatleben angesehen hat. Schließlich werden in der Beschwerde auch keine ausreichenden Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.
Die Beschwerde war daher gemäß §
42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§
47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am

Fundstelle(n):
RAAAE-80824