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VwGH vom 10.08.2010, 2008/17/0230

VwGH vom 10.08.2010, 2008/17/0230

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Khorramdel, über die Beschwerde der Marktgemeinde Eichgraben in Eichgraben, vertreten durch Nistelberger Parz Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-861/001-2007, betreffend Aufschließungsabgabe (mitbeteiligte Parteien: 1. AH, 2. KH, beide in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligten Parteien sind Eigentümer des Grundstückes Nr. xxxx/xx KG E.

Mit Schreiben vom forderte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde die mitbeteiligten Parteien auf, eine Baubewilligung zur Errichtung von zwei (bereits errichteten) Gartenhäusern einzuholen.

Mit Schreiben vom übermittelte der Baumeister Z "im Namen der Familie (mitbeteiligte Parteien)" u. a. das von den mitbeteiligte Parteien unterfertigte Ansuchen um baubehördliche Bewilligung "zur Errichtung eines Hauses, Glashaus, zweier Gartenhütten u. Einfriedung bzw. Abbruch des Altbestandes", den Einreichplan und die Baubeschreibung.

Mit Ladung vom wurde die mündliche Verhandlung zum Ansuchen der mitbeteiligte Parteien "um die nachträgliche baubehördliche Bewilligung zur (zum) Neubau eines Wohnhauses (Abbruch des konsenslosen Altbestandes), Errichtung eines Glashauses, zwei Gartenhütten und einer straßenseitigen Einfriedung" mit festgesetzt.

Mit Schreiben vom gab der Baumeister Z unter Hinweis auf den Katasterplanausschnitt der beschwerdeführenden Marktgemeinde, auf die Bilder vom Altbestand, die Abfrage aus der Koordinatendatenbank, die Abfrage aus der Grundstücksdatenbank und die Kanalgebührenrechnung der beschwerdeführenden Marktgemeinde an die Vorbesitzer "im Namen" der mitbeteiligten Parteien an, aus deren Sicht sei ein "vermuteter Konsens" vorhanden.

Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde den mitbeteiligten Parteien die Bewilligung zum Neubau eines Wohnhauses (Abbruch des konsenslosen Altbestandes) sowie zur Errichtung eines Glashauses, zweier Gartenhütten und der straßenseitigen Einfriedung. Weiters erklärte er das gegenständliche Grundstück gemäß § 11 iVm § 23 Abs. 3 NÖ Bauordnung zum Bauplatz.

In seinem Schreiben vom brachte der Baumeister Z Folgendes vor:

"Zum Bescheid BS 37/07 vom darf ich im Namen von (mitbeteiligte Parteien) nochmals wie folgt anmerken:

Aus der Sicht des Bauwerbers war ein VERMUTETER KONSENS

VORHANDEN.

Siehe diesbezüglich auch das Schreiben vom ."

Der Bürgermeister der beschwerdeführende Marktgemeinde schrieb mit Bescheid vom den mitbeteiligten Parteien Aufschließungsabgabe von EUR 6.270,70 vor. Begründend führte er u. a. aus, dass das gegenständliche Grundstück mit Bescheid vom zum Bauplatz erklärt worden sei.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachten die mitbeteiligten Parteien vor, es sei bereits beim Grundkauf im Dezember 2007 ein vermuteter Konsens vorhanden gewesen. Die beschwerdeführende Marktgemeinde habe im August 2001 eine "Lastschrift, Abgabenbescheid-Rechnung" für Wasserbezug und Kanalbenützung an den Vorbesitzer ausgestellt. Der Gemeinde sei das bebaute Grundstück bekannt gewesen. Damit sei das Grundstück zum Bauplatz erklärt worden. Überdies werde auf die Unterlagen, welche durch die mitbeteiligte Parteien bzw. deren Bauführer mit Schreiben vom bei der beschwerdeführenden Marktgemeinde eingereicht worden seien, verwiesen.

Mit Bescheid vom wies der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Marktgemeinde die Berufung als unbegründet ab. Begründend führte er aus, es gebe keinen Nachweis für den angeführten Baukonsens. Die Bauakten seien "gut archiviert" und es lägen für ältere Gebäude Baubewilligungsbescheide bis in das Jahr 1935 vor. Es sei folglich von konsenslosen Bauten auszugehen. Der Amtsachverständige könne nicht beurteilen, ob das bestehende Gebäude so alt sei, dass die Vermutung des rechtmäßigen Bestandes in Betracht komme, weil der Altbestand bereits durch ein konsenslos errichtetes Wochenendhaus ersetzt worden sei. Der Bescheid vom , mit dem das gegenständliche Grundstück zum Bauplatz erklärt worden sei, sei in Rechtskraft erwachsen. Eine Berufung sei nicht erhoben worden. Auf Grund der Bauplatzerklärung sei eine Aufschließungsabgabe gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 NÖ Bauordnung vorzuschreiben gewesen.

In der dagegen erhobenen Vorstellung wiederholten die mitbeteiligten Parteien im Wesentlichen ihr Vorbringen in der Berufung. Ergänzend führten sie aus, dass die erste Bebauung etwa aus 1946 stamme. Aus dieser Zeit seien in den Bauakten keine Baupläne bzw. andere Unterlagen vorhanden. Vermuteter Konsens sei anzunehmen, weil die Gebäude vor 1970 erbaut worden seien. Das Grundstück sei damit zu einem Bauplatz erklärt worden. Im Übrigen sei durch das Schreiben des Baumeisters Z vom gegen den Bescheid vom rechtzeitig Berufung erhoben worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Vorstellung Folge gegeben, der Berufungsbescheid vom behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand zurückverwiesen.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, mit dem Bescheid vom sei das Grundstück Nr. xxxx/xx zum Bauplatz erklärt worden. Dieser Bescheid sei nicht in Rechtskraft erwachsen, weil die mitbeteiligten Parteien mit Schreiben des Baumeisters Z vom Berufung erhoben hätten. Eine ausdrückliche Bezeichnung des Schreibens als Berufung sei nicht erforderlich. Die Berufung wende sich eindeutig gegen den Bescheid vom und sei im Namen der Bauwerber eingebracht worden. Der Berufungsantrag, nämlich den Bescheid insofern abzuändern, als mit diesem auch eine Bauplatzerklärung erfolgt sei, sowie eine entsprechende Begründung ergebe sich bereits aus dem im Akt erliegenden Schreiben des Baumeisters Z vom und den diesem angeschlossenen Unterlagen. Diese würden eindeutig einen vermuteten Baukonsens geltend machen. Die Behörden hätten die mitbeteiligten Parteien zur Vorlage einer Vollmacht auffordern müssen.

Eine Aufschließungsabgabe gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 NÖ Bauordnung könne nur auf Grund eines rechtskräftigen Bescheides, mit welchem das betreffende Grundstück zum Bauplatz erklärt werde, vorgeschrieben werden. Da das Schreiben vom als Berufung anzusehen sei, sei der Bescheid vom nicht rechtskräftig. Der Bescheid des Gemeindevorstandes der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom sei daher aufzuheben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 38 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 idF

LGBl. Nr. 8200-14 (NÖ BO) lautet:

"§ 38

Aufschließungsabgabe

(1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der

Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit

rechtskräftigem Bescheid

1. ein Grundstück oder Grundstücksteil zum

Bauplatz (§ 11) erklärt oder

2. eine Baubewilligung für die erstmalige

Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z 2 und 3, für den kein der Höhe nach bestimmter Aufschließungsbeitrag oder keine entsprechende Abgabe vorgeschrieben und entrichtet worden ist, erteilt wird.

…"

§ 11 NÖ BO idF LGBl. Nr. 8200-11 lautet:

"(1) Bauplatz ist ein Grundstück im Bauland , das


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1.
hiezu erklärt wurde oder
2.
durch eine vor dem baubehördlich bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen geschaffen wurde und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
3.
durch eine nach dem baubehördlich bewilligte oder angezeigte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
4.
am bereits als Bauland gewidmet und mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil, ausgenommen solche nach § 15 Abs. 1 Z 1 und § 23 Abs. 3 letzter Satz, bebaut war.
…"
Strittig ist im Beschwerdefall ausschließlich, ob die mitbeteiligten Parteien Berufung gegen den Bescheid vom 18.
April 2007, mit welchem ihr Grundstück zum Bauplatz erklärt wurde, erhoben haben.
In der Beschwerde wird dazu (zusammengefasst) ausgeführt, es ergebe sich aus dem gesamten Bauakt keinerlei Hinweis darauf, dass die mitbeteiligten Parteien Baumeister Z mit ihrer Vertretung beauftragt hätten und es sei daher auch der Bescheid vom 18.
April 2007 den mitbeteiligten Parteien (direkt) zugestellt worden. Auch lasse das Schreiben vom , das von einem im Umgang mit den Behörden versierten Baumeister stamme, keinerlei Ausführungen über eine etwaige Anfechtung eines Bescheides erkennen. Die Beschwerde ist damit im Recht:
Bei Beurteilung der Frage, ob es sich bei einem Anbringen einer Partei um einen Antrag, der ein subjektives Recht der Partei auf Tätigwerden der Behörde begründet, oder ein sonstiges Anbringen (Mitteilung) handelt, ist nicht von der für das betreffende Schriftstück gewählten Bezeichnung, sondern vor allem von dem ihm zu entnehmenden Parteiwillen auszugehen (vgl.
Hengstschläger , Verwaltungsverfahrensrecht4, 99).
Der belangten Behörde ist zwar darin zuzustimmen, dass aus dem Schreiben des Baumeisters
Z vom ersichtlich ist, dass es sich auf den Bescheid vom (betreffend Baubewilligung und Bauplatzerklärung) bezog. Allerdings lässt der Wortlaut dieser Eingabe, wonach der Einschreiter neuerlich "anmerken" möchte, dass "aus der Sicht der Bauwerber" ein vermuteter Konsens vorhanden gewesen sei, noch nicht den Schluss darauf zu, dass dieses Anbringen der Bekämpfung dieses Bescheides dienen sollte. Vielmehr bringt es lediglich eine Mitteilung aus Anlass des genannten Bescheides zum Ausdruck. Daran ändert auch der Hinweis auf das Schreiben vom , in welchem sich der Baumeister Z für sein Fernbleiben bei der mündlichen Verhandlung am entschuldigte und erstmals auf die Ansicht der Bauwerber über einen vermuteten Konsens verwies, nichts. Entgegen den Feststellungen der belangten Behörde kann diesem in den Verwaltungsakten einliegenden Schreiben vom , welches im Übrigen vor Erlassung des Baubewilligungsbescheides vom verfasst wurde, jedenfalls kein Berufungsantrag entnommen werden. Auf Grund der eindeutigen Textierung des Schreibens vom bestand auch kein Anlass, ein Verbesserungsverfahren nach § 13 Abs. 3 AVG oder auch nur ein Ermittlungsverfahren nach § 37 AVG durchzuführen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß §
42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§
47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am