VwGH vom 17.06.2009, 2008/17/0227
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde 1. der P V, 2. der G V, 3. der K V, alle in W und vertreten durch Dr. Ilse Grond, Rechtsanwältin in 3130 Herzogenburg, Rathausplatz 14, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3-BE-3171401/005-2008, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung in Angelegenheit Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe und Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe (mitbeteiligte Partei: G L i W in 2 L i W,S vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom , gerichtet an die Erstbeschwerdeführerin "und Mitbesitzer" wurde diesen eine Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe im Gesamtbetrag von EUR 3.630,33 vorgeschrieben.
Mit dem (weiteren) Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde, gleichfalls vom , wiederum gerichtet an die Erstbeschwerdeführerin "und Mitbesitzer" wurde diesen eine Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe im Gesamtbetrag von EUR 1.151,57 vorgeschrieben.
Nach dem in den Verwaltungsakten erliegenden Rückschein wurden diese Bescheide am (offenbar) der Erstbeschwerdeführerin zugestellt.
1.2. Am langte ein mit datiertes Schreiben von Dipl. Ing. Z. V., gerichtet an die mitbeteiligte Gemeinde zu Handen des Bürgermeisters bei dieser ein. Im Betreff dieses Schreibens ist unter "Berufung zum Abgabebescheid" die Aktenzahl des Bescheides vom betreffend die Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe angeführt. Inhaltlich befassen sich die Ausführungen in dem erwähnten Schreiben nach der an den "Sehr geehrten Herrn Bürgermeister" gerichteten Anrede mit der Bemessung sowohl der Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe wie auch der Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe. So heißt es unter anderem, dass im Abgabenbescheid der Zubau mit 115,80 m2 bebaute Fläche gerechnet sei. Weiter heißt es wörtlich: "Dies ist meiner Meinung nach nicht richtig, da der Gebäudeteil (Doppelgarage) im Ausmaß von 31,77 m2 davon nicht in Abzug gebracht wurde.
Richtig wäre eine bebaute Fläche von 84,03 m2 für die Berechnung heranzuziehen ..."
Ein Berufungsantrag ist dem Schreiben nicht zu entnehmen, vielmehr schließt dieses mit "für Fragen stehe ich natürlich jederzeit zur Verfügung, in Erwartung einer positiven Erledigung zeichne ich"; es folgt die Fertigung durch Dipl. Ing. Z.V.
1.3. Mit der Berufungsvorentscheidung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde das als Berufung aufgefasste Schreiben vom als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wird darauf ausgeführt, dass die Adressaten des jeweiligen Abgabenbescheides die beschwerdeführenden Parteien seien, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
1.4. Mit Schreiben vom , wiederum auf seinem Briefpapier, erhob Dipl. Ing. Z. V. "Berufung" gegen die erwähnten Abgabenbescheide vom sowie gegen den "Brief" vom . Darin führte er begründend aus, die "Anschlüsse von Wasser und Kanal" seien im Jahr 1992 hergestellt worden. Seit bezahle er Wasserbenützungsgebühr sowie Kanalbenützungsgebühr. Es sei Verjährung spätestens am eingetreten. Auch die "Berufung" vom ist "mit freundlichen Grüßen" von Dipl. Ing. Z.V. gefertigt.
1.5. Mit Bescheid vom , gerichtet an Dipl. Ing. Z. V., wurde dessen Berufung als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die Abgabenbehörde zweiter Instanz aus, die Abgabenbescheide vom seien an die jetzigen Eigentümer (die Beschwerdeführerinnen) ergangen; die Berufung sei jedoch von ihm (Dipl. Ing. Z. V.) eingebracht worden und enthalte keinen Hinweis, dass er "als Bevollmächtigter oder in Vertretung der Eigentümer" auftrete.
1.6. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführerinnen, vertreten durch Architekt Dipl. Ing. Z. V., dieser anwaltlich vertreten, Vorstellung an die belangte Behörde. In dieser wurde unter anderem ausgeführt, dass der Bevollmächtigte (Dipl. Ing. Z. V.) irrtümlich "mit seiner Adresse" Berufung erhoben habe. Die Berufung sei inhaltlich richtig, weil die mitbeteiligte Gemeinde die Ergänzungsabgaben trotz Verjährung vorgeschrieben habe. Der mitbeteiligten Gemeinde sei seit 2002 "hinlänglich bekannt", dass Herr Dipl. Ing. Z. V. eine Spezialvollmacht besitze, um die Eigentümer der gegenständlichen Liegenschaft vertreten zu können. Die unter dem Namen des Dipl. Ing. Z. V. eingebrachten Berufungen litten daher nur an einem Formmangel dahingehend, dass dieser sein Vollmachtsverhältnis nicht ausdrücklich festgehalten habe; dieser Formmangel sei verbesserbar. Eine solche Verbesserungsmöglichkeit habe die Gemeinde den Parteien nicht eingeräumt.
1.7. Mit ihrem Bescheid vom wies die belangte Behörde die Vorstellung der beschwerdeführenden Parteien als unzulässig zurück.
Begründend führte sie nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Parteienvorbringens sowie der nach ihrer Ansicht nach maßgebenden Rechtsvorschriften aus, der von den Vorstellungswerbern (Beschwerdeführerinnen) angefochtene Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom sei "nur und ausschließlich" gegenüber Herrn Dipl. Ing. Z. V. erlassen worden. Gegenüber den Vorstellungswerbern sei kein Bescheid des Gemeindevorstandes ergangen. "Vor diesem Hintergrund" erwiese sich die eingebrachte Vorstellung als unzulässig.
1.8. Die Beschwerdeführerinnen bekämpfen diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Gemeinde - eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die Abgabenbehörden hatten die Niederösterreichische Abgabenordnung 1977 (NÖ AO 1977), LGBl. Nr. 132 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 14/2004 anzuwenden (vgl. § 1 Abs. 1 leg. cit.).
§ 60 NÖ AO 1977 lautet wie folgt (auszugsweise):
"(1) Die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben.
(2) Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis des Bevollmächtigten richten sich nach der Vollmacht; hierüber sowie über den Bestand der Vertretungsbefugnis auftauchende Zweifel sind nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat die Behebung etwaige Mängel unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 62 Abs. 2 von Amts wegen zu veranlassen.
(3) ...
(4) Die Abgabenbehörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige oder Angestellte handelt und Zweifel über das Bestehen oder den Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten.
(5) ..."
2.2. Die Beschwerdeführerinnen bringen vor dem Verwaltungsgerichtshof - zusammengefasst - wie in ihrer Vorstellung vor, die Berufung gegen die erstinstanzlichen Abgabenbescheide sei ihnen zuzurechnen; die Abgabenbehörde erster Instanz (der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde) hätte vom Bestehen eines Vollmachtsverhältnisses seit dem Jahr 2002 Kenntnis gehabt.
Zunächst ist zur Beschwerdelegitimation festzuhalten, dass mit dem angefochtenen Bescheid eine Vorstellung der Beschwerdeführerinnen zurückgewiesen wurde. Von daher gesehen sind sie demnach legitimiert, den Bescheid der Vorstellungsbehörde - anders als die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift meint - auf seine Rechtmäßigkeit durch eine an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde überprüfen zu lassen. Die vorliegende Beschwerde ist somit zulässig, sie ist aber auch begründet:
Strittig war vor der belangten Behörde die Frage der Zurechnung des als Berufung gewerteten Schreibens vom . Wie der Verwaltungsgerichtshof zur insoweit vergleichbaren Frage der Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 81/11/0119, sowie die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/10/0129 und vom , Zl. 2004/02/0093), ist in derartigen Fällen der Spruch des Bescheides der Berufungsinstanz nicht isoliert zu betrachten, sondern muss im Zusammenhang mit seiner Begründung ausgelegt werden. Daraus ergibt sich auch im vorliegenden Beschwerdefall eindeutig der Bescheidwille der Berufungsbehörde, die vorliegende Prozesshandlung (Berufung) nicht den Beschwerdeführerinnen, sondern Dipl. Ing. Z. V. zuzurechnen und aus diesem Grunde zurückzuweisen. Das bedeutet aber nach der zitierten Rechtsprechung weiters, dass ein derartiger Spruch auch die Entscheidung darüber enthält, dass die Berufung nicht den Beschwerdeführerinnen zuzurechnen ist. Durch diesen Teil des auf die genannte Weise auszulegenden Spruches konnten jedoch die Beschwerdeführerinnen - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein, auch wenn der vor der belangten Behörde mit Vorstellung bekämpfte Berufungsbescheid (nur) an Dipl. Ing. Z. V. gerichtet war.
Dadurch dass die belangte Behörde eine inhaltliche Befassung (aus diesem Grunde) ablehnte und die Vorstellung zurückwies, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu dessen Aufhebung führen musste.
2.3. Für das fortgesetzte Verfahren wird noch der Umstand von Bedeutung sein, dass die erstinstanzlichen Bescheide an die Erstbeschwerdeführerin "und Mitbesitzer" ergingen; auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Zusammenhang (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/17/0033 = VwSlg. 7093 F) wird hingewiesen.
2.4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf den in der angeführten Verordnung vorgesehenen Pauschalbetrag, in dem die Umsatzsteuer bereits enthalten ist, abzuweisen; ein Streitgenossenzuschlag kommt im Lichte der angeführten Kostenregelungen des VwGG nicht in Betracht.
Wien, am