VwGH vom 25.03.2010, 2010/21/0007
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des J, vertreten durch Dr. Manfred Leimer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 38, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 154.294/2-III/4/09, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den vom Beschwerdeführer, einem nigerianischen Staatsangehörigen, am eingebrachten Verlängerungsantrag auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" gemäß § 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) zurück.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die erstinstanzliche Behörde habe mit Verbesserungsauftrag vom vom Beschwerdeführer den Nachweis des Vorliegens einer ortsüblichen Unterkunft, des gesicherten Lebensunterhalts, einer in Österreich alle Risken abdeckenden Krankenversicherung, einer arbeitsrechtlichen Bewilligung sowie eines gültigen Reisedokuments verlangt. Dem sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Wenn in der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung vorgebracht werde, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Hinterlegung des Verbesserungsauftrages nicht mehr an jener Anschrift, an der der Verbesserungsauftrag zugestellt werden hätte sollen, wohnhaft gewesen wäre, sei dem entgegenzuhalten, dass aus dem Zentralen Melderegister ersichtlich sei, dass er sich erst am von der hier fraglichen Adresse abgemeldet habe. Somit sei die nach erfolglosem Zustellversuch am getätigte Hinterlegung rechtmäßig erfolgt. Im Übrigen habe ein Fremder gemäß § 19 Abs. 6 NAG der Behörde eine Zustelladresse und im Fall ihrer Änderung während des Verfahrens die neue Zustelladresse unverzüglich bekannt zu geben. Darauf sei der Beschwerdeführer auch im Zuge der Antragstellung hingewiesen worden. Auch deshalb sei die Zustellung an der bisherigen Adresse zu Recht erfolgt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer richtet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, die Zustellung des Verbesserungsauftrages an seine frühere Wohnadresse sei gültig erfolgt. Dies führt die Beschwerde zum Erfolg.
Gemäß § 2 Z 4 Zustellgesetz (ZustG) stellt (u.a.) die Wohnung eine Abgabestelle dar, an der ein Dokument gemäß § 13 Abs. 1 ZustG dem Empfänger zugestellt werden darf. Eine Abgabestelle liegt aber nur dann und so lange vor, als sich der Empfänger - von relativ kurzfristigen Ausnahmen abgesehen (vgl. § 16 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 ZustG) - dort tatsächlich aufhält (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze17, § 2 ZustG, Anm. 4).
Die belangte Behörde begründete ihre Ansicht, der Beschwerdeführer sei an jener Adresse, an der der hier gegenständliche Verbesserungsauftrag zugestellt werden sollte, immer noch wohnhaft gewesen, mit Eintragungen im Zentralen Melderegister. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann aus den dort vorhandenen Eintragungen allerdings - obgleich eine Indizwirkung nicht abgesprochen werden kann - nicht zwingend gefolgert werden, ein Mensch sei bereits deshalb (immer noch) an jener Adresse wohnhaft, an der er gemeldet ist. Vielmehr kann die Unrichtigkeit der im Zentralen Melderegister enthaltenen Daten dargelegt werden, zumal die Eintragung der Meldung im Zentralen Melderegister nicht per se die Unterkunftnahme begründet (sondern diese voraussetzt; vgl. § 3 Abs. 1 Meldegesetz 1991, wonach, wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt, innerhalb von drei Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden ist).
Der Beschwerdeführer brachte im Verwaltungsverfahren vor, im Zeitpunkt der Hinterlegung des ihm zuzustellenden Verbesserungsauftrages nicht mehr an jener Adresse wohnhaft gewesen zu sein, an der die Zustellung hätte erfolgen sollen. Er sei bereits am (unter Aufgabe seiner bisherigen Unterkunft) in eine andere Wohnung verzogen. Zum Nachweis dafür legte er ein "Wohnungsübergabeprotokoll" vor.
Die belangte Behörde, die im Hinblick auf die von der Meldebehörde verzeichneten Daten an der Richtigkeit der Behauptungen des Beschwerdeführers Zweifel hegte, wäre im Hinblick auf das (nicht unschlüssige) Vorbringen des Beschwerdeführers verpflichtet gewesen, nähere Erhebungen dazu zu pflegen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich mit dem von ihm angeführten Tag die hier in Rede stehende Unterkunft aufgegeben hat. Die noch bis im Zentralen Melderegister für diese Adresse eingetragene Meldung konnte hingegen nach dem oben Gesagten für sich genommen die dem Vorbringen des Beschwerdeführers entgegenstehenden Feststellungen nicht in schlüssiger Weise tragen.
Nach § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs. 2 ZustG, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Für die Anordnung oder Vornahme einer Zustellung iSd § 8 Abs. 2 ZustG gibt es im vorliegenden Fall nun aber anhand der vorgelegten Akten überhaupt keine Hinweise.
Wenn die belangte Behörde noch auf § 19 Abs. 6 NAG verweist, wonach ein Fremder der Niederlassungsbehörde eine Zustelladresse und im Fall ihrer Änderung während des Verfahrens die neue Zustelladresse unverzüglich bekannt zu geben hat, so ist auszuführen, dass als Sanktion für das Unterbleiben der Bekanntgabe in § 19 Abs. 6 NAG vorgesehen ist, dass im Falle wiederholten Misslingens einer Zustellung die Behörde befugt ist, das Verfahren einzustellen. Eine gesetzliche Fiktion, wonach die Zustellung als bewirkt anzusehen wäre, wenn der Fremde seiner in § 19 Abs. 6 NAG enthaltenen Verpflichtung nicht nachkommt, ist dem Gesetz demgegenüber - anders als die belangte Behörde vor Augen hat - nicht zu entnehmen.
Auf Grund der in unschlüssiger Weise vorgenommenen Beweiswürdigung hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Dieser war sohin deswegen gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am