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VwGH vom 22.02.2011, 2010/18/0477

VwGH vom 22.02.2011, 2010/18/0477

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des AM in W, geboren am , vertreten durch Dr. Walter Rosenkranz, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Albertgasse 1A/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/240.725/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am illegal nach Österreich gelangt sei und am einen Asylantrag gestellt habe, der im Instanzenzug vom Asylgerichtshof am rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe während seines Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt. Er sei unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist, habe zu keiner Zeit über einen Aufenthaltstitel verfügt und sei nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens im Bundesgebiet verblieben. Sohin halte sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG vorlägen.

Der Beschwerdeführer verfüge im Bundesgebiet über keine familiären Bindungen, halte sich jedoch bereits seit ca. siebeneinhalb Jahren in Österreich auf. Es sei daher von einem mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die gegen den Beschwerdeführer gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentliche Ordnung - dringend geboten.

Bei der Beurteilung seines Privatlebens sei auf den langjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass einer daraus ableitbaren Integration auf Grund der Tatsache, dass sich sein Asylantrag nachträglich als unberechtigt herausgestellt habe, nur ein vermindertes Gewicht zukomme. Auch dem Umstand, dass der Beschwerdeführer einer selbständigen Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Gewerbeberechtigung nachgehe, komme "vor dem Hintergrund" einer allfälligen Integration seiner Person nur eine untergeordnete Rolle zu. Jedenfalls sei er keiner (erlaubten) unselbständigen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nachgegangen und habe zudem bisher seine Sozialversicherungsbeiträge als selbständig Erwerbstätiger nicht geleistet. Auch wenn der Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten sei, sich zumindest Grundkenntnisse der deutschen Sprache angeeignet habe und vorgebe, über eine "Lebensgefährtin" zu verfügen - "mit der er allerdings nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, sondern in einem Massenquartier mit anderen Pakistani" -, sei davon auszugehen, dass er auf Grund seines langjährigen Aufenthaltes in seinem Heimatland über fließende Kenntnisse seiner Muttersprache verfüge und in der Lage sein werde, bestehende soziale Kontakte wieder aufzufrischen bzw. neue zu knüpfen. Ein Eingriff in sein Privatleben erscheine daher vor dem Hintergrund des Art. 8 EMRK zulässig.

Der Beschwerdeführer, der sich seit der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, habe die Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG in gravierender Weise missachtet. Auch sein Versuch, seinen Aufenthalt durch einen (Inlands )Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu legalisieren, könne nicht positiv gewertet werden, weil Aufenthaltstitel gemäß § 21 Abs. 1 NAG nur mehr vom Ausland aus erwirkt werden könnten. Dies bewirke eine Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Dem genannten öffentlichen Interesse liefe es grob zuwider, wenn ein Fremder bloß auf Grund von Tatsachen, die von ihm geschaffen worden seien (Nichtausreise trotz rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens), den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet erzwingen könnte.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände könne ein weiterer Aufenthalt seiner Person auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass sich der Beschwerdeführer seit der rechtskräftigen Abweisung seines Asylantrages am unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Auch die in der Beschwerde vorgebrachte Lebensgemeinschaft "mit einer in Österreich niedergelassenen EU-Bürgerin" verschafft dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltsrecht.

Der Hinweis auf ein auf Grund eines Antrages auf Erteilung eines "humanitären Bleiberechts" anhängiges Verfahren führt zu keinem anderen Ergebnis. Anträge gemäß §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 NAG begründen gemäß § 44b Abs. 3 NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz und stehen der Erlassung und Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen nicht entgegen.

Die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, begegnet sohin keinen Bedenken.

2.1. Gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung bringt der Beschwerdeführer vor, dass seine familiären Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Er habe in seiner Berufung angegeben, mit einer in Österreich niedergelassenen EU-Bürgerin in aufrechter Lebensgemeinschaft zu leben, und als Beweismittel seine Vernehmung und die Vernehmung seiner Lebensgefährtin beantragt. Die belangte Behörde habe hiezu so gut wie keine Feststellungen getroffen. Vielmehr stelle sie durch das Setzen des Begriffes "Lebensgefährtin" unter Anführungszeichen Mutmaßungen an und unterstelle dem Beschwerdeführer, die Unwahrheit zu sagen. Die Anträge auf Vernehmung seiner Lebensgefährtin, mit der er seit sechs Jahren in Lebensgemeinschaft lebe, seien ignoriert worden. Die beantragten Vernehmungen hätten ergeben, dass tatsächlich eine Lebensgemeinschaft mit einer EU-Bürgerin in Österreich vorliege. Der Eingriff in seine Privatsphäre durch die Ausweisung sei im Lichte des Art. 6 EMRK (gemeint wohl: Art. 8 EMRK) nicht rechtens.

Im angefochtenen Bescheid seien zwar Kriterien - wie die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers - angeführt worden, dessen wirtschaftlich gute Situation und guten Kenntnisse der deutschen Sprache seien jedoch nicht überprüft worden.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 FPG hat die belangte Behörde den ca. siebeneinhalbjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, seine selbständige Erwerbstätigkeit, seine strafgerichtliche Unbescholtenheit und zumindest Grundkenntnisse der deutschen Sprache berücksichtigt und dementsprechend einen durch die Ausweisung bewirkten Eingriff in sein Privatleben angenommen.

Aber auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, eine Lebensgefährtin zu haben, hat die belangte Behörde, ungeachtet ihrer dabei verwendeten - von der Beschwerde bemängelten - Formulierung, in ihre Abwägung einbezogen. Dabei gilt es zu beachten, dass diese Lebensgemeinschaft während des anhängigen Asylverfahrens, somit zu einem Zeitpunkt begründet wurde, als der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers unsicher war (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 8 FPG und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0195, mwN). Die im angefochtenen Bescheid getroffenen - in diesem Zusammenhang wesentlichen - Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer mit seiner Lebensgefährtin nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, sondern in einem Massenquartier, bleiben in der Beschwerde unbekämpft. Welche weiteren relevanten, im angefochtenen Bescheid gegebenenfalls nicht berücksichtigten Aspekte dieser Lebensgemeinschaft der Beschwerdeführer - der im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion im Übrigen kein Recht darauf hatte, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa erneut das hg. Erkenntnis, Zl. 2010/18/0195, mwN) - und seine Lebensgefährtin im Falle ihrer Vernehmung dargelegt hätten, zeigt die Beschwerde nicht konkret auf.

Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer als selbständig Erwerbstätiger bisher keine Sozialversicherungsbeiträge geleistet hat, kommt seiner beruflichen Integration, die dadurch relativiert ist, dass er über keinen die selbständige Erwerbstätigkeit erlaubenden Aufenthaltstitel verfügt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0009), fallbezogen keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Das Gewicht der aus seinem Aufenthalt im Bundesgebiet resultierenden persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich wird ferner dadurch relativiert, dass sein Aufenthalt nur auf Grund eines Asylantrages, der sich als unbegründet erwiesen hat, vorläufig berechtigt war und seit unberechtigt ist (vgl. etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2010/18/0195).

Ebenso wenig bestreitet der Beschwerdeführer die Feststellungen des angefochtenen Bescheides betreffend seinen langjährigen Aufenthalt in seinem Heimatland und die fließenden Kenntnisse seiner Muttersprache.

Andere, gegebenenfalls für das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet, sprechende Umstände zeigt die Beschwerde nicht auf.

Den somit auch unter Berücksichtigung des langjährigen Aufenthaltes in Österreich und der Lebensgemeinschaft insgesamt nicht besonders ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt seit der rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa erneut das hg. Erkenntnis Zl. 2010/18/0195, mwN), erheblich beeinträchtigt.

Bei Abwägung des angeführten großen öffentlichen Interesses und der gegenläufigen relativierten Interessen des Beschwerdeführers begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 66 FPG zulässig sei, auch dann keinem Einwand, wenn man der Beurteilung nicht nur "Grundkenntnisse", sondern im Sinne des Beschwerdevorbringens "gute Kenntnisse" der deutschen Sprache zugrunde legte.

2.3. Auf dem Boden des Gesagten gehen auch die in der Beschwerde im Zusammenhang mit der Interessenabwägung erhobenen Verfahrensrügen ins Leere.

3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
FAAAE-80760