VwGH vom 22.04.2009, 2008/17/0177

VwGH vom 22.04.2009, 2008/17/0177

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

2008/17/0178

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerden 1. des N L und

2. des Mag. G L, beide in E und vertreten durch Dr. Ulrich Daghofer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Albrechtgasse 3/II, gegen die Bescheide jeweils des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, je vom , Zl. BMLFUW-LE.4.3.2/0063-I/2/2008, betreffend Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In einem Anhang zu ihren jeweils mit datierten Beitragserklärungen betreffend den Agrarmarketingbeitrag 2000 gaben die Beschwerdeführer an, dass sie den bisher geführten landwirtschaftlichen Betrieb per dauernd und zur Gänze eingestellt hätten, "sohin keinerlei betriebliche Tätigkeit i. S. des § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG" bestehe. Dies sei auch der Bauernsozialversicherungsanstalt unter der jeweiligen Sozialversicherungsnummer mitgeteilt worden. Die Weingärten lägen brach; sollten Pachtverträge zustande kommen, würden diese der AMA (Agrarmarkt Austria) angezeigt.

In der Folge erließ der Vorstand für den Geschäftsbereich I der AMA gegen die Beschwerdeführer (der Erstbeschwerdeführer vertreten durch den Zweitbeschwerdeführer) jeweils inhaltlich übereinstimmende Bescheide vom bzw. , wonach die mit Erinnerung vom , Zl. I/2/4-AMB/2002, angedrohte Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO mit EUR 72,-- festgesetzt und der jeweilige Beschwerdeführer gleichzeitig aufgefordert werde, innerhalb von 40 Tagen ab Erhalt dieses Bescheides die bisher nicht eingebrachten Beitragserklärungen gemäß § 21g Abs. 1 AMA-G ordnungsgemäß ausgefüllt einzusenden; falls der Beschwerdeführer auch dieser Aufforderung nicht Folge leisten sollte, werde eine weitere Zwangsstrafe von EUR 144,-- festgesetzt.

Begründend führte die Behörde jeweils aus, mit dem angeführten Schreiben vom sei der Beschwerdeführer von der AMA ersucht worden, die fehlenden Beitragserklärungen für die Jahre 2001 und 2002 binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des genannten Schreibens bei der AMA einzubringen; gleichzeitig sei für den Fall der Nichteinbringung die Vorschreibung einer Zwangsstrafe angedroht worden.

In ihren dagegen erhobenen Berufungen (der Erstbeschwerdeführer wiederum vertreten durch den Zweitbeschwerdeführer) brachten die Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, die Verhängung der Zwangsstrafe sei infolge der Betriebsaufgabe Ende 1999 unzulässig gewesen; dieser Umstand sei der AMA bekannt gewesen, weshalb Beitragserklärungen für die Jahre 2001 und 2002 nicht abzugeben seien.

In der Folge erhoben die Beschwerdeführer Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde über ihre jeweiligen Berufungen; diese Beschwerden wurden beim Verwaltungsgerichtshof zu den Zlen. 2008/17/0108 und 2008/17/0109 protokolliert. Innerhalb der im Zuge dieser Säumnisverfahren gesetzten Frist erließ die belangte Behörde die nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheide, mit denen sie jeweils die Berufung abwies.

Begründend führte die belangte Behörde übereinstimmend aus, Grund für die Festsetzung der Zwangsstrafen erster Instanz sei die Weigerung gewesen, eine ordnungsgemäße Beitragserklärung abzugeben. Das Vorbringen "belege" zwar, dass eine Beitragsschuld im Hinblick auf den Flächenbeitrag tatsächlich nicht bestehe. Trotz umfassender Darstellung der bisherigen Abläufe und der Rechtslage aus der Sicht der Berufungswerber habe nicht nachvollziehbar dargelegt werden können, dass die Beitragserklärung fristgerecht vorgelegt worden sei. Insbesondere sei mehrmals "dargestellt" worden, dass die Formulare für die Beitragserklärungen der Jahre 2001 und 2002 nicht mehr ordnungsgemäß ausgefüllt an die AMA gesendet worden seien, da der Betrieb schon vorher eingestellt worden sei und der jeweilige Berufungswerber nicht mehr Beitragsschuldner gewesen sei; die Einstellung des Betriebes sei jedoch der AMA mitzuteilen gewesen.

Ebenso sei die Annahme - so die belangte Behörde weiter - irrig, dass aus der Bestimmung des AMA-Gesetzes (bei Nichteinreichung der Abgabenerklärung sei der AMA-Beitrag mit Bescheid zwingend vorzuschreiben) die Nichtanwendbarkeit von § 111 BAO abzuleiten sei; bei einer Weigerung der Abgabe einer Beitragserklärung könne durchaus eine Zwangsstrafe auferlegt werden; weswegen spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Die Beschwerdeführer bekämpfen die Bescheide der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgerichtshof jeweils wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdeverfahren verbunden und über die Beschwerden - nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften - erwogen:

Nach § 133 Abs. 1 BAO bestimmen die Abgabenvorschriften, wer zur Einreichung einer Abgabenerklärung verpflichtet ist. Zur Einreichung ist ferner verpflichtet, wer hiezu von der Abgabenbehörde aufgefordert wird. Die Aufforderung kann auch durch Zusendung von Vordrucken der Abgabenerklärungen erfolgen.

Gemäß § 111 Abs. 1 erster Satz BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen. Nach dem ersten Satz des § 111 Abs. 2 BAO muss der Verpflichtete, bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistungen aufgefordert werden.

Gemäß § 21c Abs. 1 Z. 8 des Bundesgesetzes über die Errichtung der Marktordnungsstelle "Agrarmarkt Austria" (AMA-Gesetz 1992), BGBl. Nr. 376/1992 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I Nr. 154/1999, ist Beitragsgegenstand für den Agrarmarketingbeitrag die Bewirtschaftung von Weingartenflächen. Beitragsschuldner ist nach § 21e Abs. 1 Z. 9 leg. cit. für Wein hinsichtlich des Flächenbeitrags der Bewirtschafter der Weingartenflächen, die je Bewirtschafter ein Gesamtausmaß von 0,3 ha übersteigen, sowie hinsichtlich des Beitrags auf die abgefüllte Menge die Winzergenossenschaft oder der Inhaber des Handelsbetriebes, die (der) Wein, der in einem Behältnis mit einem Inhalt bis zu 50 l abgefüllt ist, erstmals in Verkehr bringt oder in Behältnissen mit einem Inhalt über 50 l außerhalb des Bundesgebietes verbringt. Die Beitragsschuld entsteht gemäß § 21f Abs. 1 Z. 5 lit. c. leg. cit. in den Fällen des § 21c Abs. 1 Z. 8 AMA-G jeweils am 1. Jänner für die im vorangegangenen Kalenderjahr bewirtschafteten Weingartenflächen. Der Beitrag ist nach § 21f Abs. 2 leg. cit. spätestens am letzten Tag des der Entstehung folgenden Kalendermonats an die AMA zu entrichten.

Nach § 21g Abs. 1 leg. cit. hat der Beitragsschuldner bis zu dem unter anderem in § 21f Abs. 2 AMA-G genannten Termin unter Verwendung eines hiefür von der AMA aufgelegten Vordrucks eine Beitragserklärung einzureichen, in der in den Fällen (unter anderem) des § 21f Abs. 1 Z. 5 AMA-G den für das Vorjahr zu entrichtenden Beitrag selbst zu berechnen hat.

Die belangte Behörde geht - im Einklang mit dem Akteninhalt - davon aus, dass nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer eine Beitragsschuld im Hinblick auf den Flächenbeitrag für die Jahre 2001 und 2002 nicht besteht. Gegenteilige Feststellungen hat die belangte Behörde nicht getroffen. Sie hat - ebenso wie die Abgabenbehörde erster Instanz - auch nicht erkennen lassen, dass (und warum) sie bei Ergehen der Aufforderungen zur Einreichung der Abgabenerklärungen (Beitragserklärungen) Zweifel an der Richtigkeit der Erklärungen der Beschwerdeführer im Anhang zu den Beitragserklärungen betreffend den Agrarmarketingbeitrag 2000 gehabt hätte. Unter diesen Voraussetzungen waren aber die an die Beschwerdeführer gerichteten Aufforderungen zur Abgabe von Beitragserklärungen (Abgabenerklärungen) nicht rechtmäßig (vgl. Ritz, BAO3, RZ 11 zu § 133; Stoll, Bundesabgabenordnung - Kommentar 1504 mwN; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/17/0161).

Die belangte Behörde belastete daher ihre Bescheide mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb diese gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am