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VwGH vom 15.05.2012, 2010/18/0454

VwGH vom 15.05.2012, 2010/18/0454

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des C F E in W, vertreten durch die Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH, in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/332.840/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 FPG ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei eigenen Angaben zufolge im Jahr 2006 mit einer gültigen Aufenthaltsbewilligung für Studierende nach Österreich eingereist und bis im Besitz einer solchen Aufenthaltsbewilligung gewesen. Sein Antrag auf Verlängerung dieses Aufenthaltstitels sei (am ) mangels Studienerfolges abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Berufung (vom ) habe die Bundesministerin für Inneres - nachdem ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen worden war - als verspätet zurückgewiesen. (Mit hg. Beschluss vom , Zl. 2010/22/0133, wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ebenfalls zurückgewiesen.)

Von bis habe der Beschwerdeführer über eine Bestätigung gemäß § 24 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zur sichtvermerkfreien Einreise in das Bundesgebiet verfügt und sei nach Ablauf der deren Gültigkeit unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben, sodass die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG gegeben seien.

Der Beschwerdeführer fungiere als alleiniger Gesellschafter einer GmbH und vertrete diese seit . Aus dieser selbständigen Tätigkeit könne jedoch gemäß Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolles zum Assoziationsabkommen EWG - Türkei kein Niederlassungs- oder Aufenthaltsrecht abgeleitet werden.

Zur Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer befinde sich seit knapp fünf Jahren im Bundesgebiet, sei unbescholten und verfüge in Österreich über familiäre Bindungen zu seiner Schwester und einem Onkel. Es sei davon auszugehen, dass mit der vorliegenden Maßnahme ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden sei. In seiner Heimat verfüge der Beschwerdeführer jedoch zumindest über familiäre Bindungen zu seinen Eltern und habe den Großteil seines Lebens in seiner Heimat verbracht. Da er sich lediglich zum Zweck der Absolvierung eines Studiums "vorübergehend in Österreich niedergelassen" habe, sei davon auszugehen, dass er in der Lage sein werde, in seiner Heimat bestehende soziale Kontakte aufzufrischen bzw. neue zu knüpfen. Der aus dem fünfjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration komme insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als er seinen Aufenthaltszweck, nämlich die Absolvierung seines Studiums, nicht erfüllt habe und sich zudem "seit " unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Auch der beruflichen Integration des Beschwerdeführers sei durch den Umstand, dass er "lediglich" einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgehe, nur ein geringes Gewicht beizumessen.

Durch seinen Verbleib im Bundesgebiet seit der rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels bzw. seit Ablauf der Bewilligung gemäß § 24 NAG habe der Beschwerdeführer die fremdenrechtlichen Vorschriften in gravierender Weise missachtet. Dabei könne auch der Versuch, den Aufenthalt durch einen Inlandsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Schlüsselkraft" vom zu legalisieren, nicht positiv bewertet werden, weil dieser Aufenthaltstitel nur mehr vom Ausland aus erwirkt werden könne. Die Hinwegsetzung über eine maßgebliche fremdenrechtliche Norm bewirke eine Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens hätten in den Hintergrund zu treten. Die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - dringend geboten.

Im Hinblick auf das Fehlen besonderer, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände könne ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer tritt den Feststellungen der belangten Behörde, wonach seine Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, mit dem sein Antrag auf Verlängerung seiner "Aufenthaltsbewilligung - Studierender" mangels Studienerfolges abgewiesen worden sei, nicht entgegen. Da der Beschwerdeführer auch nicht behauptet, zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides aufgrund anderer Bestimmungen zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen zu sein, begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und somit die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

Daran vermag auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach das Verfahren hinsichtlich seines Antrages auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" noch anhängig sei, nichts zu ändern, weil das bloße Stellen eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels den Aufenthalt im Bundesgebiet nach der ständigen hg. Judikatur nicht zu legalisieren vermag und die Anhängigkeit eines Verfahrens über einen solchen Antrag der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegensteht (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0253, mwN).

Der Beschwerdeführer verweist auch auf Artikel 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG-Türkei (im Folgenden: Zusatzprotokoll) und bringt vor, zu der am geltenden Rechtslage - als das Zusatzprotokoll in Österreich in Geltung getreten sei - habe ein Student nach dem damals geltenden Aufenthaltsgesetz 1992 (AufG) eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben dürfen. Das nunmehr geltende NAG beschränke hingegen den Aufenthaltszweck von Studierenden - abgesehen von geringfügigen Beschäftigungen - "auf den Betrieb eines Studiums". Dies stelle eine Verschlechterung der Rechtsposition des Beschwerdeführers dar, die unberücksichtigt bleiben müsse.

Mit der Frage des Verbotes der Einführung neuer nationaler Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des Aufenthaltsrechtes für türkische Staatsangehörige gemäß Artikel 41 Abs. 2 des Zusatzprotokolls ab , dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls in Österreich, betreffend Studenten hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/18/0168, auseinander gesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Regelung für einen Fremden, der über eine Aufenthaltsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Student" nach dem Fremdengesetz 1997 (FrG) verfügt und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit (nach den Bestimmungen des FrG) beantragt hatte, nicht ungünstiger ist als diejenige nach dem AufG. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf dieses Erkenntnis verwiesen. Demnach benötigte ein Fremder nach dem AufG für seinen Aufenthalt zum Zweck des Studiums eine Bewilligung nach § 1 Abs. 1 leg. cit., wobei ein diesbezüglicher Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abzuweisen war, wenn die Quote (nach der diesbezüglichen Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG) erschöpft war. Der Beschwerdeführer hätte nach dem AufG bereits für den Aufenthalt zum Zweck "Student" eine der Quotenpflicht unterliegende Aufenthaltsbewilligung benötigt. Hätte er sich am auf Grund einer nur einen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet erlaubenden, keiner Quotenpflicht unterliegenden Berechtigung in Österreich aufgehalten und die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Ausübung einer - quotenpflichtigen - selbständigen Erwerbstätigkeit beantragt, so hätte der Antrag lediglich nach Maßgabe der noch nicht ausgeschöpften Anzahl von Bewilligungen (Quote) bewilligt werden dürfen. Wenn der Beschwerdeführer, der bis April 2009 unstrittig lediglich über eine mehrmals verlängerte Aufenthaltsbewilligung für Studierende verfügt hatte, nunmehr zur Ausübung einer (selbständigen) Erwerbstätigkeit erstmals die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" gemäß § 41 NAG beantragt hat und damit - erstmals - einen quotenpflichtigen Aufenthaltszweck verfolgt, sodass die Erteilung dieses Aufenthaltstitels davon abhängt, ob in dem betreffenden Bundesland der beabsichtigten Niederlassung die erforderlichen Bewilligungen noch zur Verfügung stehen, so ist diese Regelung für den Beschwerdeführer nicht ungünstiger als diejenige, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des genannten Zusatzprotokolls am gegolten hat. Der Beschwerdeführer kann die Stillhalteklausel des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll daher nicht für sich in Anspruch nehmen.

Gegen die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung bringt der Beschwerdeführer vor, er vertrete die M. GmbH als einziger Gesellschafter und Eigentümer seit . Diesen für die Beurteilung seiner beruflichen Integration in Österreich entscheidenden Umstand habe die belangte Behörde einfach negiert und zu Unrecht auf die Unzulässigkeit der Erwerbstätigkeit hingewiesen.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 66 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers, seine familiären Beziehungen zu seiner Schwester und seinem Onkel sowie - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - auch seine selbständige Erwerbstätigkeit berücksichtigt. Zu Recht hat die belangte Behörde jedoch darauf hingewiesen, dass die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers ableitbare Integration in ihrem Gewicht dadurch entscheidend gemindert wird, dass sein Aufenthalt seit der rechtskräftigen Abweisung seines Antrages auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels am - die gemäß § 24 Abs. 1 NAG ausgestellte Bestätigung vermag kein Aufenthaltsrecht zu konstituieren - unrechtmäßig ist und er durch seinen Verbleib im Bundesgebiet gegen das große öffentliche Interesse an der Einhaltung der fremdenrechtlichen Vorschriften verstoßen hat. Dass die Niederlassungsbehörde - laut Beschwerdevorbringen - hinsichtlich des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft" die Inlandsantragstellung gemäß § 21 Abs. 3 NAG zugelassen habe, vermag daran nichts zu ändern. Zudem wurde bereits im erstinstanzlichen Bescheid, dessen Begründung auch jener des nunmehr angefochtenen Bescheides zugrunde gelegt wurde, zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer (bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) über keinen eine selbstständige Erwerbstätigkeit erlaubenden Aufenthaltstitel verfügt hat. Auch im November 2008, als der Beschwerdeführer seine selbständige Tätigkeit aufgenommen hat, war er dazu mangels eines geeigneten Aufenthaltstitels nicht berechtigt, konnte aufgrund fehlenden Studienerfolges nicht mit einer Verlängerung seines Aufenthaltstitels für Studierende und somit nicht mit einem weiteren Aufenthalt in Österreich rechnen. Die aus seiner selbständigen Erwerbstätigkeit resultierenden persönlichen Interessen an einem weiteren inländischen Aufenthalt werden dadurch entscheidend relativiert. An diesem Ergebnis hätten auch weitere Ermittlungen zum "konkreten Sachverhalt", wie etwa die Art der Tätigkeit oder die Höhe der getätigten Investitionen, nichts zu ändern vermocht. Der geltend gemachte Verfahrensfehler erweist sich daher als nicht relevant. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG sind zu Gunsten eines Fremden nämlich nur die den privaten und familiären Bereich betreffenden Umstände, nicht jedoch öffentliche Interessen, wie beispielsweise die Schaffung von Arbeitsplätzen, zu berücksichtigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0611, mwN). Weitere persönliche Interessen für einen weiteren Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet wurden nicht geltend gemacht. Das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung begegnet daher keinem Einwand.

Unter Berücksichtigung der in der Beschwerde aufgezeigten privaten und öffentlichen Interessen des Beschwerdeführers ist auch kein Anhaltspunkt dafür zu erkennen, dass die belangte Behörde das ihr eingeräumte Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes geübt hätte.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
FAAAE-80721