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VwGH vom 27.06.2013, 2013/07/0041

VwGH vom 27.06.2013, 2013/07/0041

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde des Mag. W H in I, vertreten durch die Dr. Holzmann Rechtsanwalts GmbH in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 17/P, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. U-30.367/14, betreffend Behandlungsauftrag gemäß § 73 Abs. 1 AWG 2002, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes Nr. 124/2 KG N., auf dem sich sein Haus befindet.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft I vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 AWG 2012 aufgetragen, verschiedene auf seinem Grundstück abgelagerte Abfälle binnen festgesetzter Frist zu entfernen und der Behörde die Durchführung dieser Maßnahme unter Nachweis der ordnungsgemäßen Entsorgung anzuzeigen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

2. Die Berufungsbehörde, die nunmehr belangte Behörde, ergänzte das Ermittlungsverfahren durch Einholung von Gutachten eines Amtssachverständigen für Naturkunde, eines humanmedizinischen Amtssachverständigen, einer geologischen Amtssachverständigen und eines abfalltechnischen Amtssachverständigen.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG teilweise Folge, wies die Berufung im Übrigen als unbegründet ab und trug dem Beschwerdeführer gestützt auf § 73 Abs. 1 AWG 2002 die Durchführung der folgenden Maßnahmen auf dessen Grundstück binnen festgesetzter Frist auf.

"1. Im Bereich der Garage und der Zugangstreppe (Süd- und Ostseite des Hauses) sind die dort befindlichen Zeitungen (SN 18718 - Altpapier, Papier und Pappe, unbeschichtet) zu entfernen.

2. Im Bereich der Haustür (Nordseite des Hauses) sind die unterhalb der Holzkisten befindlichen diversen Kübel (SN 57118 - Kunststoffemballagen und -behältnisse) zu entfernen.

3. Im Bereich des Hanges (Nordseite des Hauses) sind die am Hang angebrachten Holz-/Obstkisten (SN 17201 - Holzemballagen und Holzabfälle) zu entfernen.

4. Im Bereich der Terrasse (Westseite des Hauses) sind das Holztablett ohne Boden, die in Einzelteile zerlegte Schlafzimmereinrichtung, der Badezimmerkasten mit Waschbecken und der Lattenrost (alle SN 91401 - Sperrmüll) zu entfernen.

5. Der Behörde ist die Vollendung der oben angeführten Maßnahmen schriftlich zusammen mit einem Nachweis über die ordnungsgemäße Entsorgung anzuzeigen."

Nach Wiedergabe des Verfahrensverlaufs und der maßgeblichen Bestimmungen führte die belangte Behörde - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Interesse - im Wesentlichen begründend aus, hinsichtlich der im Spruch genannten Zeitungen sei der subjektive Abfallbegriff (§ 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002) erfüllt, weil sich der Vorbesitzer dieser Zeitungen (von dem der Beschwerdeführer nach eigener Mitteilung diese übernommen habe) dieser nach der Lektüre entledigen habe wollen und eine zulässige Verwertung der Zeitungen im Sinn des § 2 Abs. 5 Z. 5 AWG 2002 nicht vorliege. Dies gelte auch für die sich auf der Terrasse des Hauses befindende in Einzelteile zerlegte Schlafzimmereinrichtung sowie für den dazugehörigen Lattenrost und den Badezimmerkasten mit Waschbecken, welche der Beschwerdeführer von einem Nachbarn zwecks Kostenersparnis übernommen habe.

Hinsichtlich der an der Nordseite des Hauses auf dem Hang angebrachten Obstkisten aus Holz stellte die belangte Behörde - gestützt auf eine Äußerung der geologischen Amtssachverständigen -

fest, dass diese Holzkisten nicht ausreichend qualifiziert für den vom Beschwerdeführer angegebenen Zweck der Hangsicherung seien; aufgrund der längeren Lagerung im Freien (beginnende Fäulnis) seien diese Materialien auch für eine bestimmungsgemäße Verwendung nicht mehr einsetzbar. Da der Beschwerdeführer angegeben habe, dass er die Holzkisten von einem Obsthändler übernommen habe, sei davon auszugehen, dass sich jener Händler der Obstkisten habe entledigen wollen; eine zulässige Verwertung scheide nach der angeführten geologischen Stellungnahme aus. Daher unterfielen auch die Holzkisten im Bereich des Hanges dem subjektiven Abfallbegriff des AWG 2002.

Darüber hinaus erfüllten die am Hang angebrachten Kisten allerdings auch den objektiven Abfallbegriff (§ 2 Abs. 1 Z. 2 AWG 2002): Sie seien nämlich bereits von der am Haus des Beschwerdeführers vorbeiführenden Straße aus und damit für einen breiteren Personenkreis zu erkennen; wegen dieser verstärkten Wahrnehmbarkeit sei hinsichtlich dieser Kisten auch nach Verhältnismäßigkeitsprüfung eine erhebliche Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes zu bejahen, weshalb eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses nach § 1 Abs. 3 Z. 9 AWG 2002 vorliege.

Die ebenfalls an der Nordseite des Hauses im Bereich der Haustür befindlichen Kübel habe der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben von dem Bauleiter nach Errichtung des Hauses übernommen, weshalb nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen werden könne, dass der Bauleiter diese Kübel so habe "loswerden" wollen. Zwar stünden diese Kübel nach den Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren als Auffangbehälter für Wasser (zur Verhinderung des Wassereintritts in den Vorraum) in ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung; ein zulässiges Verwertungsverfahren liege allerdings nicht vor, weil die Kübel teilweise mit Erde befüllt seien, weshalb ein für den beabsichtigten Zweck unbedenklicher Einsatz zu verneinen sei. Nach einem Leitfaden der Tiroler Siedlungswasserwirtschaft zur "Entsorgung von Oberflächenwässern" sei darüber hinaus grundsätzlich die flächenhafte Versickerung von Oberflächenwässern, wie etwa Dachwässern, über eine aktive Bodenpassage anzustreben, weshalb die geschilderte Praktik des Beschwerdeführers nicht dem Stand der Technik entspreche. Somit sei auch hinsichtlich der im Bereich der Haustüre aufgestellten Kübel der subjektive Abfallbegriff zu bejahen.

Der Beschwerdeführer habe die im Spruch angeführten Abfälle entgegen § 15 Abs. 3 AWG 2002 gesammelt und gelagert, weshalb er durch den mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochenen Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 verpflichtet werden könne.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die mit "Behandlungsauftrag" überschriebene Bestimmung des § 73 Abs. 1 AWG 2002 lautet:

" § 73. (1) Wenn

1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen."

Gemäß § 1 Abs. 3 Z. 9 AWG 2002 ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse erforderlich, wenn andernfalls Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.

Gemäß § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind Abfälle im Sinn dieses Bundesgesetzes bewegliche Sachen, (Z. 1) deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder (Z. 2) deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.

Gemäß § 2 Abs. 3 erster Satz AWG 2002 ist eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes jedenfalls solange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) erforderlich, solange (Z. 1) eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder (Z. 2) sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht.

Gemäß § 2 Abs. 4 Z. 1 AWG 2002 sind "Altstoffe" im Sinne dieses Bundesgesetzes (lit. a) Abfälle, welche getrennt von anderen Abfällen gesammelt werden, oder (lit. b) Stoffe, die durch eine Behandlung aus Abfällen gewonnen werden, um diese Abfälle nachweislich einer zulässigen Verwertung zuzuführen.

Gemäß § 2 Abs. 4 Z. 5 erster Satz AWG 2002 ist "Verwertung" im Sinn dieses Bundesgesetzes jedes Verfahren, aus deren Hauptergebnis Abfälle innerhalb der Anlage oder in der Wirtschaft in umweltgerechter Weise einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, in dem (lit. a) sie andere Materialien ersetzen, die ansonsten zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären, oder (lit. b) - im Falle der Vorbereitung zur Wiederverwendung - die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie diese Funktion erfüllen.

Die mit "Abfallende" überschriebene Bestimmung des § 5 Abs. 1 AWG 2002 lautet (auszugsweise):

" § 5. (1) Soweit eine Verordnung gemäß Abs. 2 nicht anderes bestimmt, gelten Altstoffe so lange als Abfälle, bis sie oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden. (…)"

Die mit "allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer" überschriebene Bestimmung des § 15 AWG 2002 lautet (auszugsweise):

"§ 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und 2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden. (…) (3) Abfälle dürfen außerhalb von 1. hiefür genehmigten Anlagen oder 2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen. (…) (4a) Eine Verwertung ist nur zulässig, wenn der betreffende Abfall unbedenklich für den beabsichtigten sinnvollen Zweck einsetzbar ist und keine Schutzgüter (im Sinne von § 1 Abs. 3) durch diesen Einsatz beeinträchtigt werden können, sowie durch diese Maßnahme nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird."

2. Die Beschwerde wendet sich in ihren Gründen ausdrücklich nur gegen die dem Beschwerdeführer aufgetragene Entfernung von Holzkisten und Kübeln an der Nordseite des Hauses.

In diesem Zusammenhang führt die Beschwerde zunächst aus, sowohl die Kübel als auch die Holzkisten könnten von Anrainern, Touristen und Passanten, die auf dem einzig öffentlich zugänglichen Weg an der Vorderseite des Hauses (im Süden) vorbeigingen, nicht wahrgenommen werden. Eine "unter Umständen das Landschaftsbild beeinträchtigende Ablagerung" werde somit vermieden. Damit bestreitet die Beschwerde hinsichtlich der genannten Gegenstände die Erfüllung des objektiven Abfallbegriffs nach § 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 mit Blick auf eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses im Sinn des § 1 Abs. 3 Z. 9 AWG 2002.

3. Dieses Beschwerdevorbringen geht allerdings insofern ins Leere, als die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der angeführten Kübel und Holzkisten (zu letzteren jedenfalls auch) den subjektiven Abfallbegriff im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 1 AWG 2002 bejaht hat.

Nach dieser Bestimmung sind Abfälle im Sinne des AWG 2002 bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat. Nach der hg. Rechtsprechung reicht dafür aus, dass bei irgendeinem Vorbesitzer die Entledigungsabsicht bestanden hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/07/0017, mwN).

Die Beschwerde bestreitet nicht die von der belangten Behörde mit Blick auf die genannte Bestimmung getroffenen Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer die gegenständlichen Farbkübel vom Bauleiter nach Errichtung seines Hauses bzw. die Holzkisten von einem Obsthändler übernommen habe, wobei sich diese dieser Gegenstände hätten entledigen wollen.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass im Hinblick auf die genannten Gegenstände der subjektive Abfallbegriff erfüllt sei, begegnet daher keinen Bedenken des Gerichtshofes.

4. Im Weiteren wendet sich die Beschwerde gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Annahme, hinsichtlich der Kübel und Holzkisten sei auch kein Abfallende im Sinn des AWG 2002 eingetreten. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang zutreffend die Auffassung vertreten, dass von einer für das Ende der Abfalleigenschaft zulässigen Verwendung oder Verwertung nur dann die Rede sein kann, wenn die betreffende Sache unbedenklich für den beabsichtigten Zweck einsetzbar ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/07/0112, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/07/0280).

In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde hinsichtlich der auf dem Hang an der Nordseite des Hauses aufgestellten Kisten -

gestützt auf eine Äußerung einer geologischen Amtssachverständigen - festgestellt, die Holzkisten seien zum Zweck der Hangsicherung, welche der Beschwerdeführer damit beabsichtige, nicht ausreichend qualifiziert.

Dem tritt die Beschwerde mit dem Vorbringen, die Kisten dienten vielmehr der "Erosionssicherung", letztlich gar nicht entgegen, handelt es sich doch dabei um eine bloß semantische Unterscheidung gegenüber der vom geologischen Amtssachverständigen beurteilten Eignung zur "Hangsicherung". (Angemerkt sei, dass der Beschwerdeführer in seinen im Verwaltungsverfahren erstatteten Äußerungen zur Rechtfertigung der auf der Böschung angebrachten Kisten neben "Erosionssicherung" auch "Schutz gegen Geröll" und "Hangsicherung" ins Treffen geführt hat.)

Hinsichtlich der aufgestellten Kübel, welche nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren dem Schutz des Hauses vor Wassereintritt bei Niederschlägen dienen sollen, hat die belangte Behörde festgestellt, dass diese teilweise mit Erde befüllten Kübel einerseits zu diesem Zweck nicht unbedenklich eingesetzt werden könnten und dass andererseits eine derartige Entsorgung von Oberflächenwässern nicht dem Stand der Technik entspreche.

Dem tritt die Beschwerde mit der bloßen Behauptung, die Kübel erfüllten "den angedachten Zweck", nicht konkret entgegen.

Die Auffassung der belangten Behörde, wonach für die angeführten Holzkisten und Kübel der subjektive Abfallbegriff auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides verwirklicht war, begegnet daher keinen Bedenken des Gerichtshofes.

5. Im Hinblick darauf erübrigt sich ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen zum objektiven Abfallbegriff.

6. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
NAAAE-80701