VwGH vom 17.09.2019, Ra 2018/22/0264
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision der S H in W, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW- 151/086/13828/2017-6, betreffend Niederlassungsbewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Die staatenlose Revisionswerberin stellte am einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Künstler" nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Mit Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) diesen Antrag gestützt auf § 61 Abs. 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 NAG wegen unzulässiger Inlandsantragstellung ab.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.
Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Revisionswerberin, die bereits von 1986 bis 1997 in Österreich gelebt und in Wien ein Kunststudium absolviert habe, seit August 2016 in Österreich aufhältig und hier als selbständige Künstlerin tätig sei. Im Jahr 2017 habe sie folgende Einnahmen aus ihrer künstlerischen Tätigkeit erzielt: Verkauf von Bildern im Wert von EUR 5.000,-; Einnahmen für Workshops im Ausmaß von EUR 3.840,-; Honorar für eine Ausstellung in der Höhe von EUR 500,-
. Zudem lukriere sie aus der Vermietung einer Wohnung in Istanbul Einnahmen in der Höhe von monatlich EUR 435,-. Für das Jahr 2018 legte das Verwaltungsgericht das Honorar für die bereits vereinbarten Workshops sowie prognostizierte Einnahmen aus Bilderverkäufen jeweils in gleicher Höhe wie im Jahr 2017 zugrunde. Darüber hinausgehende Einkünfte der Revisionswerberin aus ihrer künstlerischen Tätigkeit für das Jahr 2018 seien nicht feststellbar gewesen.
In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Verwaltungsgericht auf den nunmehr (seit der Novelle BGBl. I Nr. 145/2017) maßgeblichen § 43a NAG, nach dessen Abs. 1 Z 2 im Fall der Selbständigkeit (anders als im Fall der Unselbständigkeit nach § 43a Abs. 1 Z 1 NAG) der Unterhalt durch das Einkommen gedeckt sein müsse, das der Fremde aus seiner künstlerischen Tätigkeit beziehe. Somit bringe die Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 NAG nicht automatisch die Erfüllung der besonderen Erteilungsvoraussetzung des § 43a Abs. 1 Z 2 NAG mit sich. Bei einer Prognosebeurteilung sei von Einnahmen der Revisionswerberin aus selbständiger künstlerischer Tätigkeit im Jahr 2018 in der Höhe von insgesamt EUR 8.840,- (EUR 3.840,- + EUR 5.000,-) auszugehen. Die Einkünfte aus der Vermietung der Wohnung in Istanbul seien nicht zu berücksichtigen gewesen. Unter Berücksichtigung der festen und regelmäßigen Aufwendungen nach § 11 Abs. 5 NAG wäre ein Einkommen in der Höhe von EUR 14.189,04 erforderlich. Da der Unterhalt somit nicht durch das Einkommen aus der künstlerischen Tätigkeit der Revisionswerberin gedeckt werde, sei die Beschwerde abzuweisen gewesen.
3 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , E 522/2018, ab und trat die Beschwerde sodann über gesonderten Antrag der Revisionswerberin mit Beschluss vom an den Verwaltungsgerichtshof ab. In der Folge erhob die Revisionswerberin die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob nach § 43a Abs. 1 Z 2 NAG der Lebensunterhalt eines selbständigen Künstlers durch Finanzmittel gedeckt werden könne, die nicht aus einer Erwerbstätigkeit stammen (wie etwa aus Mieteinnahmen).
Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zwar zulässig, aus nachstehenden Erwägungen aber nicht berechtigt. 6 § 43a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, lautet:
",Niederlassungsbewilligung - Künstler'
§ 43a. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine ,Niederlassungsbewilligung - Künstler' ausgestellt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
1. im Fall der Unselbständigkeit eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20d Abs. 1 Z 6 AuslBG vorliegt oder
2. im Fall der Selbständigkeit deren Tätigkeit überwiegend durch Aufgaben der künstlerischen Gestaltung bestimmt ist, sofern ihr Unterhalt durch das Einkommen gedeckt wird, das sie aus ihrer künstlerischen Tätigkeit beziehen.
(2) Eine Haftungserklärung ist zulässig. § 47 Abs. 5 gilt sinngemäß."
7 Nach Ansicht der Revisionswerberin sei das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausschließlich das aus der selbständigen künstlerischen Tätigkeit erwirtschaftete Einkommen herangezogen werden könne.
8 Diesbezüglich verweist die Revisionswerberin zum einen darauf, dass der hier maßgebliche letzte Halbsatz des § 43a Abs. 1 Z 2 NAG seinen Ursprung in § 1 Abs. 3 Z 5 Aufenthaltsgesetz (AufG), BGBl. I Nr. 466/1992, habe, demzufolge Fremde (ua.) dann keine Bewilligung zur Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes in Österreich benötigen, wenn sie ausübende Künstler sind, "sofern ihr Unterhalt durch das Einkommen gedeckt wird, das sie aus ihrer künstlerischen Tätigkeit beziehen und sie in Österreich keine andere Erwerbstätigkeit ausüben". Die Privilegierung des § 1 Abs. 3 AufG sollte daher jenen Fremden zugutekommen, die in Österreich ausschließlich als Künstler tätig seien und keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgingen. Die Nachfolgebestimmung des § 19 Abs. 2 Z 2 Fremdengesetz 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75, habe diese Privilegierung fortgesetzt. Zwar sei der letzte Halbsatz der Vorgängerregelung ("und sie in Österreich keine andere Erwerbstätigkeit ausüben") entfallen, den Erläuterungen (gemeint offenbar: RV 685 BlgNR 20. GP, 67) sei jedoch nicht zu entnehmen, dass dadurch eine inhaltliche Änderung vorgenommen werden sollte. Die "historische Intention der Gesetzgebung" sei somit gewesen, bei der privilegierten Personengruppe der Künstler zwar das Einkommen aus anderen Erwerbstätigkeiten, nicht aber aus sonstigen Einkommensquellen auszuschließen.
9 Die von der Revisionswerberin begründend ins Treffen geführte Regelung des § 1 Abs. 3 Z 5 AufG sah vor, dass die Bewilligungspflicht bei der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes entfiel, wenn der Unterhalt von Künstlern durch Einkommen aus ihrer künstlerischen Tätigkeit gedeckt wurde "und" sie in Österreich keine andere Erwerbstätigkeit ausübten. Die von der Revisionswerberin geltend gemachte "historische Intention" (wonach nur die Unterhaltsdeckung mit Einkünften aus anderen Erwerbstätigkeiten - nicht aber mit finanziellen Mitteln aus anderen Bezugsquellen - ausgeschlossen werden sollte) ließ sich schon dieser Bestimmung nicht ausdrücklich entnehmen. Seit der Regelung des § 19 Abs. 2 Z 2 FrG und auch im nunmehr maßgeblichen § 43a Abs. 1 Z 2 NAG (davor fand sich die Regelung in § 61 Abs. 1 Z 2 NAG) wird nicht mehr darauf abgestellt, dass andere Erwerbstätigkeiten untersagt sind. Diesen Regelungen kann daher auch keine - von der Revisionswerberin ins Treffen geführte - Differenzierung dahingehend entnommen werden, dass Einkünfte, die nicht aus künstlerischer Tätigkeit bezogen werden, dann für die Unterhaltsdeckung im Sinn des § 43a Abs. 1 Z 2 NAG herangezogen werden können, wenn sie nicht aus einer Erwerbstätigkeit, sondern aus anderen Bezugsquellen (wie etwa hier aus Mieteinnahmen) stammen (vgl. zu § 19 Abs. 2 Z 2 FrG auch Bezdeka, Fremdengesetz 1997 (1998) 108, dem zufolge die Formulierung dieser Bestimmung eindeutig festlege, dass der Unterhalt allein aus der künstlerischen Tätigkeit heraus gesichert sein müsse; vgl. weiters Peyrl, in Abermann ua., NAG2 (2019) § 43a Z 11; siehe zu § 61 NAG in der Fassung vor BGBl. I Nr. 145/2017 auch ). Aus dem Umstand, dass in den Erläuterungen zum Fremdengesetz 1997 (RV 685 BlgNR 20. GP, 67) der Entfall des letzten Halbsatzes (und damit der Bezugnahme auf andere Erwerbstätigkeiten) nicht erläutert wurde, lässt sich im Hinblick auf den klaren Wortlaut nichts Gegenteiliges ableiten. 10 Zum anderen verweist die Revisionswerberin darauf, dass nach § 43a Abs. 2 erster Satz NAG die Sicherung des Lebensunterhaltes durch eine Haftungserklärung nachgewiesen werden könne. Schon aus diesem Grund sei das aus der selbständigen künstlerischen Tätigkeit erwirtschaftete Einkommen nicht als ausschließliche Quelle zur Sicherung des Lebensunterhaltes heranzuziehen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes würde dazu führen, dass zur Sicherung des eigenen Lebensunterhaltes zwar (im Wege der Haftungserklärung) auf fremde, nicht aber auf eigene Vermögenswerte zurückgegriffen werden könne. Es sei zu bezweifeln, dass dieses Ergebnis angesichts des Ziels der Regelung, Künstlern die Ausübung von anderen Erwerbstätigkeiten zu untersagen, gewollt sei.
11 Diesbezüglich ist zwar anzumerken, dass das Verhältnis der Zulassung einer Haftungserklärung in § 43a Abs. 2 erster Satz NAG zur Vorgabe des § 43a Abs. 1 Z 2 letzter Halbsatz NAG für selbständige Künstler nicht völlig klar erscheint. Zu beachten ist allerdings, dass eine Haftungserklärung jedenfalls im Anwendungsbereich der Z 1 des § 43a Abs. 1 NAG (bei unselbständigen Künstlern) möglich ist und dass die Haftungserklärung nach § 2 Abs. 1 Z 15 NAG auch dem Nachweis einer ortsüblichen Unterkunft (im Sinn des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG) dienen kann. Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Vorgabe des § 43a Abs. 1 Z 2 NAG um eine besondere Erteilungsvoraussetzung handelt, während die Haftungserklärung, wie sich § 11 Abs. 6 NAG entnehmen lässt, dem Nachweis einzelner allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen (konkret der Z 2 und 4 des § 11 Abs. 2 NAG) dient. Da für die Erfüllung der besonderen Erteilungsvoraussetzung des § 43a Abs. 1 Z 2 NAG nur die Einkünfte des Antragstellers aus seiner künstlerischen Tätigkeit heranzuziehen sind und dies nicht durch eine Haftungserklärung substituiert werden kann, kann es insoweit auch nicht zu der von der Revisionswerberin als fragwürdig erachteten Ungleichbehandlung von eigenen und fremden Vermögenswerten kommen.
12 Da die behauptete Rechtsverletzung somit nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
13 Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht - ein Tribunal im Sinn des Art. 6 EMRK und ein Gericht im Sinn des Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat und somit weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC der Abstandnahme von einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof entgegenstehen (vgl. , mwN).
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018220264.L00 |
Schlagworte: | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
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