VwGH vom 25.11.2010, 2010/18/0420
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der N C in S, geboren 1977, vertreten durch die Hofbauer Wagner Rechtsanwälte KG in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. E1/21335- 4/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom wurde die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Die belangte Behörde legte dieser Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass die Beschwerdeführerin am illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und am einen Asylantrag gestellt habe. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom sei dieser Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in die Türkei gemäß § 8 Asylgesetz 1997 für zulässig erklärt worden. Die dagegen erhobene Berufung habe der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom , rechtskräftig mit , abgewiesen.
Seit Eintritt der Rechtskraft des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes verfüge die Beschwerdeführerin über keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz mehr und auch über keine fremdenrechtliche Aufenthaltsbewilligung.
Die Beschwerdeführerin sei ledig, in Österreich lebten drei Geschwister, wobei zwei davon österreichische Staatsbürger seien. Der Asylantrag eines Bruders sei ebenfalls bereits rechtskräftig abgewiesen worden. In der Türkei lebten die Eltern und zwei weitere Geschwister der Beschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführerin verfüge über ausreichende Deutschkenntnisse; ihr könne eine "gewisse soziale Integration" nicht abgesprochen werden. Sie sei in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Von August 2004 bis November 2009 habe sie Leistungen aus der Grundversorgung bezogen; derzeit werde sie von ihrer Schwester finanziell unterstützt und könne keine berufliche Integration vorweisen.
Am habe die Beschwerdeführerin einen Antrag gemäß § 44 Abs. 4 NAG gestellt, wobei die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme nach § 44b Abs. 2 NAG aufenthaltsbeendende Maßnahmen für zulässig erklärt habe.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass angesichts des festgestellten rechtswidrigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet deren Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG - unter Berücksichtigung der nachfolgenden Ausführungen - zulässig sei. Auch ein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 4 NAG begründe kein Aufenthalts- oder Bleiberecht und ändere daher nichts an der Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG.
Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 66 FPG hielt die belangte Behörde dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin zu deren Integration in Österreich entgegen, dass deren Aufenthalt nur vorläufig wegen eines "unbegründeten Asylantrages" berechtigt gewesen und seit Beendigung des Asylverfahrens im November 2009 bereits elf Monate lang unrechtmäßig sei. Das weitere Verbleiben der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ohne die dafür erforderliche Aufenthaltsbewilligung stelle eine maßgebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen dar, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines vom Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukomme.
Das private Interesse der Beschwerdeführerin werde in seinem Gewicht dadurch gemindert, dass dieser während ihres Asylverfahrens bewusst sein habe müssen, dass sie nur ein vorläufiges Aufenthaltsrecht für die Dauer dieses Verfahrens habe und es sich dabei nicht um einen dauernden Aufenthaltstitel handle. Die belangte Behörde gehe auch davon aus, dass die Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihren Geschwistern nicht über das bei erwachsenen Seitenverwandten dieses Grades übliche Maß hinausgehe. In Hinblick auf die Verwandten in der Türkei könne angenommen werden, dass nicht alle Nahebeziehungen zum Heimatland der Beschwerdeführerin erloschen seien und diese auch bei einer Rückkehr dorthin die Möglichkeit habe, durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durchaus selbsterhaltungsfähig zu sein.
Auf Grund der im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigten Parameter komme die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin dringend zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten sei. Die Ausweisung greife zwar in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin ein, dieser Eingriff müsse aber im Interesse eines geordneten Fremdenwesens und eines geordneten Zuzuges von Fremden in Kauf genommen werden.
Es seien darüber hinaus keine Umstände ersichtlich, die für eine Ermessensübung zugunsten der Beschwerdeführerin sprechen würden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylgesetzlichen Bestimmungen verfügt hat und sich seit der rechtskräftigen Abweisung ihres Asylantrages im November 2009 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gegen die - unbekämpfte - behördliche Annahme, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, bestehen daher keine Bedenken.
1.2. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht war die belangte Behörde auch nicht verhalten, den Ausgang des Verfahrens über den von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag gemäß § 44 Abs. 4 NAG abzuwarten; zutreffend hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass derartige Anträge gemäß § 44 Abs. 5 erster Satz NAG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen und somit an der Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin und der Zulässigkeit einer Ausweisung gemäß § 53 Abs. 1 FPG nichts zu ändern vermögen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0324, mwN).
2.1. Die Beschwerde wendet sich im Übrigen gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu vor, die Beschwerdeführerin halte sich seit über acht Jahren in Österreich auf, lebe hier gemeinsam mit drei Geschwistern, von denen sie zur Gänze finanziell versorgt werde, sei sehr gut integriert und habe bereits mehrere Deutschkurse absolviert.
2.2. Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 FPG den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet seit Jänner 2002, deren familiäre Bindungen hier (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 2 FPG) sowie die Deutschkenntnisse und eine "gewisse soziale Integration" (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 4 FPG) berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in deren Privat- und Familienleben angenommen. Die aus diesen Umständen resultierenden persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin sind allerdings an Gewicht dadurch gemindert, dass ihr Aufenthalt nur aufgrund eines Asylantrages, der sich als unberechtigt herausgestellt hat, erlaubt war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0271).
Den somit relativierten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass sie sich trotz rechtskräftiger Abweisung ihres Asylantrages - unrechtmäßig - weiterhin im Bundesgebiet aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, darstellt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0316, mwN).
Bei Abwägung des angeführten großen öffentlichen Interesses und der diesem gegenüber stehenden persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 FPG zulässig sei, auch dann keinen Bedenken, wenn man mit der Beschwerde davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin wegen der finanziellen Unterstützung durch ihre Geschwister nicht auf Sozialleistungen angewiesen sei.
3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am
Fundstelle(n):
JAAAE-80669