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VwGH vom 25.11.2010, 2010/18/0403

VwGH vom 25.11.2010, 2010/18/0403

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2010/18/0407

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerden 1. des CG, geboren 1984, und 2. des AK, geboren 1981, beide in Wien, beide vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof und Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien 1. vom , Zl. E1/254.899/2010 (hg. Zl. 2010/18/0403), und 2. vom , Zl. E1/240.788/2010 (hg. Zl. 2010/18/0407), betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit den angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) wurden die Beschwerdeführer, armenische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte diesen Entscheidungen im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Erstbeschwerdeführer am gemeinsam mit seiner Mutter illegal in das Bundesgebiet gelangt und - wie diese - einen Asylantrag gestellt habe. Sein Bruder, der Zweitbeschwerdeführer, sei am illegal nach Österreich eingereist und habe am einen Asylantrag gestellt. Die Asylanträge der Beschwerdeführer seien am rechtskräftig abgewiesen worden. Den dagegen erhobenen Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof sei die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden; die Behandlung der Beschwerden sei jedoch im März 2010 abgelehnt worden. Jedenfalls seither hielten sich die Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Nach Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens sei der Zweitbeschwerdeführer mit wegen unerlaubten Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtskräftig bestraft worden.

Die Beschwerdeführer hätten familiäre Bindungen zueinander sowie zur gemeinsamen, im selben Haushalt gemeldeten Mutter, deren Asylverfahren ebenfalls im März 2010 "endgültig negativ beendet" worden sei. Mit der Einleitung eines Ausweisungsverfahrens gegen die Mutter sei "in Kürze zu rechnen".

Der Erstbeschwerdeführer habe keinen Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt und gehe auch keiner Beschäftigung nach. Er habe im Jahr 2010 einen Deutschkurs auf A 2-Niveau absolviert.

Nach einer Stellungnahme des Zweitbeschwerdeführers vom sei dieser bereits im Oktober 2005 von der Universität Wien zum Studium der Geschichte zugelassen worden und habe seither mehrere Deutschprüfungen absolviert. Seine Bindungen zum Herkunftsstaat seien "abgerissen". Die privaten Interessen des Zweitbeschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwögen das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung im Sinn des Art. 8 EMRK.

Der Stellungnahme - so die belangte Behörde weiter - seien (u.a.) ein Zeugnis über die Ergänzungsprüfung aus Deutsch vom Juni 2006, ein abgelaufener Studentenausweis sowie ein Bescheid der Universität Wien vom Oktober 2005 beigefügt gewesen, wonach der Zweitbeschwerdeführer im Wintersemester 2005 zum Studium der Geschichte unter der Voraussetzung des Nachweises der Kenntnisse der deutschen Sprache sowie der Absolvierung von Ergänzungsprüfungen aus Geschichte, Latein und Geographie zugelassen worden sei.

Im Asylverfahren habe der Zweitbeschwerdeführer angeführt, dass sein Vater in Jeriwan lebe, er eine umfassende Schulbildung erhalten und auch die Universität in Jeriwan in den Jahren 2001 bis 2003 (zum Jus- und Wirtschaftsstudium) besucht habe. Eine Integration des Zweitbeschwerdeführers in den heimischen Arbeitsmarkt - so die belangte Behörde - liege ebenso wenig vor wie eine Selbsterhaltungsfähigkeit; er werde allein "über die Grundversorgung erhalten".

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen zur Erlassung von Ausweisungen - vorbehaltlich der Bestimmung des § 66 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG gegeben seien.

In Hinblick auf § 66 FPG sei im Fall des Eingriffs in das Privat- oder Familienleben des Fremden die Ausweisung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Angesichts der angeführten Umstände sei von einem mit den aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verbundenen Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben der Beschwerdeführer auszugehen.

Der Umstand, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nur zum Teil aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung bzw. der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof) rechtmäßig gewesen sei, mindere das Gewicht von deren privaten Interessen, die aus einer in dieser Zeit allenfalls vollzogenen Integration resultierten. Der Aufenthalt der Beschwerdeführer und deren Mutter sei während der Anhängigkeit des Asylverfahrens geduldet und allein vom Ausgang dieses Verfahrens abhängig und insofern unsicher gewesen. Keine der angeführten Personen habe bei Begründung des Familienlebens im Inland damit rechnen können, auf Dauer in Österreich verbleiben zu dürfen.

Es sei kein Grund ersichtlich, warum die genannten Personen nicht gemeinsam aus dem Bundesgebiet ausreisen könnten. Die privaten Interessen der Beschwerdeführer an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet erschienen aus diesen Gründen deutlich relativiert.

Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses öffentliche Interesse verstoße jedoch gravierend, wer - wie die Beschwerdeführer - unter Zuhilfenahme von Schleppern illegal in das Bundesgebiet gelange, hier Asylanträge stelle, die sich als nicht berechtigt erwiesen, und auch anschließend das Bundesgebiet nicht mehr verlasse. Die Interessenabwägung nach § 66 FPG ergebe daher kein Überwiegen der persönlichen Interessen der Beschwerdeführer am Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Beendigung ihres Aufenthaltes hier; es könne daher kein Zweifel daran bestehen, dass die Erlassung der Ausweisung dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG sei.

Es seien auch keine besonderen Umstände ersichtlich, welche die belangte Behörde zu einer Abstandnahme von den Ausweisungen im Rahmen des ihr gemäß § 53 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens hätten veranlassen müssen.

2. Gegen diese Bescheide richten sich die Beschwerden mit dem Begehren, sie gemäß § 42 Abs. 2 VwGG aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen - Beschwerden erwogen:

1. Die Beschwerden bestreiten nicht, dass sich die Beschwerdeführer seit der Ablehnung der Behandlung ihrer das Asylverfahren betreffenden Beschwerden durch den Verwaltungsgerichtshof im März 2010 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerden wenden sich ausschließlich gegen die behördliche Beurteilung nach § 66 FPG und bringen dazu im Wesentlichen vor, dass die Beschwerdeführer "seit mehr als 8 Jahren durchgehend im Bundesgebiet" lebten; das Asylverfahren habe aus nicht durch die Beschwerdeführer zu vertretenden Umständen acht Jahre lang gedauert. Die Beschwerdeführer sprächen sehr gut deutsch; der Zweitbeschwerdeführer habe aufgrund seines Bildungsgrades sehr gute Chancen, im Fall der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eine Beschäftigung zu finden.

Darüber hinaus habe es die belangte Behörde unterlassen, den tatsächlichen Verfahrensstand betreffend die Mutter der Beschwerdeführer zu erheben, die mit diesen im gemeinsamen Haushalt lebe. Die "vage Vermutung" in den angefochtenen Bescheiden, wonach auch hinsichtlich der Mutter in Kürze mit der Einleitung eines Ausweisungsverfahrens zu rechnen sei, könne einem ordentlichen Ermittlungsverfahren nicht Rechnung tragen.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat im Rahmen der von ihr vorgenommenen Interessenabwägung nach § 66 FPG den Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet seit (richtigerweise) knapp acht Jahren bzw. sieben Jahren und deren familiäre Bindungen zueinander sowie zur ebenfalls in Österreich lebenden gemeinsamen Mutter berücksichtigt und zutreffend einen mit den Ausweisungen verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer angenommen.

Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes der beiden Beschwerdeführer resultierenden Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt nur aufgrund von Asylanträgen, die sich in der Folge als unberechtigt herausgestellt haben, erlaubt war und seit der Ablehnung der Behandlung der gegen die Abweisung der Asylanträge gerichteten Beschwerden durch den Verwaltungsgerichtshof unrechtmäßig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0612, mwN).

Die familiäre Bindung der beiden volljährigen Beschwerdeführer zu ihrer gemeinsamen Mutter ist darüber hinaus dadurch relativiert, dass auch deren Asylverfahren rechtskräftig negativ beendet wurde. Auf nähere Feststellungen zu dem die Mutter betreffenden Ausweisungsverfahren kommt es in diesem Zusammenhang - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - nicht an, sodass der behauptete Verfahrensmangel nicht vorliegt.

Darüber hinaus hat die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beurteilung nach § 66 FPG zutreffend berücksichtigt, dass sich die Beschwerdeführer ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0336, mwN, sowie § 66 Abs. 2 Z. 8 FPG).

Den aus diesen Gründen relativierten persönlichen Interessen der Beschwerdeführer an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass sich diese trotz rechtskräftiger Abweisung ihrer Asylanträge weiterhin - seit den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes im März 2010 unrechtmäßig - im Bundesgebiet aufhalten, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. wiederum das angeführte hg. Erkenntnis zur Zl. 2010/18/0336, mwN).

Bei Abwägung des angeführten großen öffentlichen Interesses und der diesem gegenüber stehenden relativierten Interessen der Beschwerdeführer begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass deren Ausweisung gemäß § 66 FPG zulässig sei, auch dann keinem Einwand, wenn man - mit dem Beschwerdevorbringen - von sehr guten Deutschkenntnissen der Beschwerdeführer, "sehr guten Chancen" des Zweitbeschwerdeführers, im Fall der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eine Beschäftigung zu finden, und davon ausgeht, dass der Zweitbeschwerdeführer keinen Kontakt zu Personen in seinem Herkunftsstaat mehr habe.

3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über die mit den Beschwerden verbundenen Anträge, diesen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am

Fundstelle(n):
KAAAE-80634