VwGH vom 04.08.2015, 2013/06/0255

VwGH vom 04.08.2015, 2013/06/0255

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde 1. des F P, 2. der M P, beide in D, 3. des J B in L, 4. des R G in H, 5. des P G in S,


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6.
des D C, 7. der J C, beide in W, 8. der Dr. A E in B,
9.
der E G in H, 10. des J B in D, 11. des E B, 12. der T B, beide in H, alle vertreten durch Dr. Rüdiger Hanifle, Rechtsanwalt in 5700 Zell/See, Schillerstraße 22, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 20704- 07/798/3-2013, betreffend eine Angelegenheit des Salzburger Landesstraßengesetzes (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Z), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Verfahrensgegenständlich ist ein Wegstück (EP-Weg, 2. Teil), das zur Gänze auf dem Grundstück Nr. 129 liegt. Auf diesem Grundstück befinden sich drei Gebäude mit insgesamt acht Wohnungen. Alle beschwerdeführenden Parteien haben Miteigentum am Grundstück Nr. 129. Dieses verfügt über einen Zugang zur Gemeindestraße (Grundstück Nr. 460, EP-Weg, 1. Teil). Nordöstlich davon liegt das Grundstück Nr. 128/2 des Ehepaares B (der elft- und zwölftbeschwerdeführenden Parteien; sie haben ebenfalls Miteigentum am Grundstück Nr. 129), auf dem sich ein Wohnhaus befindet; dem Ehepaar B wurde im Grundbuch die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes auf Grundstück Nr. 129 eingeräumt.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde stellte mit Bescheid vom gemäß § 41 Abs. 1 Salzburger Landesstraßengesetz 1972 (LStG 1972) fest, dass dem Straßenabschnitt EP-Weg, 2. Teil (Teilfläche des Grundstückes Nr. 129, KG 57315 S), eine Verkehrsbedeutung zukomme, die einer öffentlichen Interessentenstraße (§ 31 Abs. 1 LStG 1972) entspreche. In seiner Begründung verwies der Bürgermeister im Wesentlichen auf das eingeholte verkehrstechnische Gutachten von Dipl.-Ing. L vom , in dem dieser zusammengefasst zu dem Ergebnis kam, dass der EP-Weg, 2. Teil, alle in § 31 LStG 1972 genannten Kriterien einer öffentlichen Interessentenstraße erfülle; er erschließe vier nebeneinander liegende Wohnobjekte, wobei es sich definitiv um eine "kleine Siedlung" handle. Es existiere zwar keine Verkehrszählung, aufgrund der bestehenden Wohnbebauung und der Tatsache, dass der EP-Weg, 2. Teil, eine Sackgasse sei, könne davon ausgegangen werden, dass das verursachte Verkehrsaufkommen dem einer kleinen Siedlung entspreche; der gegenständliche Weg schließe auch an eine höherrangige Straße, nämlich eine Gemeindestraße (EP-Weg, 1. Teil), an.

Diese Feststellung erfolgte von Amts wegen nach Anregung von H.S., dem Eigentümer der östlich und südöstlich gelegenen Grundstücke Nr. 127/1 und Nr. 132/10. Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , 7 Cg 88/11v-69, wurde eine Klage von H.S. gegen die beschwerdeführenden Parteien auf Feststellung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit Fahrzeugen aller Art über den gegenständlichen Weg sowie Einwilligung der Einverleibung dieser Dienstbarkeit abgewiesen.

Die Berufung der beschwerdeführenden Parteien vom gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung vom als unbegründet abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid (vom ) wurde die Vorstellung der beschwerdeführenden Parteien vom ebenfalls als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die beschwerdeführenden Parteien hätten unter Hinweis auf das stenographische Protokoll des Salzburger Landtages zu § 31 LStG 1972 (Landesstraßengesetz-Novelle 2001) gerügt, die belangte Behörde hätte sich nicht ausreichend mit dem Begriff der "kleineren Siedlung" auseinandergesetzt und das Verkehrsaufkommen nicht erhoben. Laut stenographischem Protokoll seien bisher Ansiedlungen mit mindestens drei Objekten als Siedlungen angesehen worden. Die beschwerdeführenden Parteien hätten keine Gründe vorgebracht, weswegen von der Interpretation durch den Gesetzgeber selbst und der jahrelangen Praxis abgegangen werden sollte. Angesichts dieses klaren Befundes sei die geforderte vertiefte Prüfung des Begriffs "kleinere Siedlung" entbehrlich.

Nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 1 LStG 1972 liege eine Interessentenstraße dann vor, wenn 1. eine kleinere Siedlung bestehe oder 2. bei mehreren in Streulage liegenden Objekten oder Anlagen, soweit ein gemeinsames Verkehrsbedürfnis bestehe und ein Verkehrsaufkommen wie bei einer kleineren Siedlung zu erwarten sei. Bei Vorliegen einer "kleineren Siedlung" sei irrelevant, welches Verkehrsaufkommen von diesen Objekten ausgehe. Der Hinweis der beschwerdeführenden Parteien auf eine Feriennutzung sei somit irrelevant; im Übrigen sei eine Zweitwohnsitznutzung der Objekte gemäß der Baubewilligung verboten.

Dem weiteren Einwand der beschwerdeführenden Parteien, auf dem Grundstück Nr. 129 befinde sich nur ein Objekt, somit würden vom Weg insgesamt nur zwei Objekte erschlossen, werde entgegengehalten, dass die beschwerdeführenden Parteien die Häuser EP-Weg 7, 9 und 11 bewohnten. Baurechtlich sei somit zumindest von drei oberirdisch getrennten Objekten auszugehen, zumal die Häuser jeweils über gesonderte Eingänge verfügten. In den Häusern befänden sich unbestritten acht Wohneinheiten. Die Feststellungen der Berufungsbehörde, dass am verfahrensgegenständlichen Weg vier Objekte im räumlichen Zusammenhang einer kleinen Siedlung situiert seien, deren Verkehr zur Gemeindestraße abgeführt werde, und somit eine Interessentenstraße im Sinn des § 31 LStG vorliege, sei zutreffend, entsprechend begründet und ausreichend sachverständig belegt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben, in Stattgebung der Vorstellung den Berufungsbescheid aufzuheben und den beschwerdeführenden Parteien die Kosten des Verfahrens zuzusprechen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf die vorliegende, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerde sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Die §§ 31, 40 und 41 Salzburger Landesstraßengesetz 1972, LGBl. Nr. 119/1972, idF LGBl. Nr. 58/2005, lauten auszugsweise:

"§ 31

(1) Die öffentlichen Interessentenstraßen vermitteln den öffentlichen Verkehr von kleineren Siedlungen und von mehreren in Streulage liegenden Objekten oder Anlagen, soweit ein gemeinsames Verkehrsbedürfnis besteht und ein Verkehrsaufkommen wie bei einer kleinen Siedlung zu erwarten ist, zu höherrangigen Straßen.

(2) ...

Von den dem öffentlichen Verkehr dienenden Privatstraßen

§ 40

(1) ...

(2) Über die Zulässigkeit und den Umfang der Ausschließung des öffentlichen Verkehrs entscheidet auf Antrag oder von Amts wegen die Straßenrechtsbehörde nach einer mündlichen Verhandlung, die durch zweiwöchigen Anschlag an der Amtstafel bekannt zu machen ist. Ein solcher Antrag kann gestellt werden:


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1.
vom Eigentümer der Privatstraße;
2.
vom Straßenerhalter, wenn dieser nicht der Eigentümer der Straße ist;
3.
von jeder die Privatstraße auf Grund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses benutzenden Person und
4.
von der Agrarbehörde, wenn es sich bei der Straße um eine Bringungsanlage nach § 3 des Salzburger Güter- und Seilwegegesetzes 1970 handelt.
...
§ 41

(1) Die Straßenrechtsbehörde hat auf Antrag festzustellen, ob einer Straße oder einem Straßenteil eine Verkehrsbedeutung zukommt, die der einer Gemeindestraße (§ 27) oder einer öffentlichen Interessentenstraße (§ 31 Abs 1) entspricht. Ein solcher Antrag kann gestellt werden:


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1.
vom Eigentümer der Privatstraße;
2.
vom Straßenerhalter, wenn dieser nicht der Eigentümer der Straße ist, und
3.
von der Agrarbehörde, wenn es sich bei der Straße um eine Bringungsanlage nach § 3 des Salzburger Güter- und Seilwegegesetzes 1970 handelt.
Die Straßenrechtsbehörde kann ein solches Verfahren auch von Amts wegen durchführen. Für die Parteistellung in einem solchen Verfahren gilt § 40 Abs 2 zweiter Satz.

(2) ..."

Die Beschwerde bringt zunächst mit Hinweis auf § 31 Abs. 1 LStG 1972 vor, im gegenständlichen Fall werde nur der private Verkehr der Eigentümer der Wohnanlage auf Grundstück Nr. 129 sowie der beiden Eigentümer des angrenzenden Grundstückes, der Ehegatten B, für die ein Geh- und Fahrtrecht bücherlich eingetragen sei, zur nächsten Gemeindestraße vermittelt. Der betroffene Weganteil werde ausschließlich als Zufahrt zur Wohnanlage benutzt, seine Verkehrsbedeutung beziehe sich nur auf die beschwerdeführenden Parteien, welche Eigentümer der Wohnanlage auf dem Grundstück Nr. 129 sowie der angrenzenden Liegenschaft (das Ehepaar B, welches ebenfalls Miteigentümer der Wohnbauanlage auf dem Grundstück Nr. 129) seien. Diese minimale, auf einen ganz engen Personenkreis beschränkte Verkehrsbedeutung habe Dipl.-Ing. L in seinem Gutachten nicht erhoben. Die Behörden seien daher von einem unzutreffend festgestellten Sachverhalt ausgegangen.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.

Nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 1 LStG 1972 haben öffentliche Interessentenstraßen die Aufgabe, den öffentlichen Verkehr zwischen kleineren Siedlungen - Objekte oder Anlagen in Streulage sind verfahrensgegenständlich nicht relevant - und höherrangigen Straßen zu vermitteln. Das Grundstück Nr. 129 verfügt nach den Feststellungen in der Bauplatzerklärung vom , die dem Verwaltungsakt beiliegt, und im erstinstanzlichen Bescheid bereits über einen Zugang zur Gemeindestraße (EP-Weg, 1. Teil, Grundstück Nr. 460); dies wurde von keiner Partei bestritten. Hinsichtlich der drei auf dem Grundstück Nr. 129 errichteten Gebäude der beschwerdeführenden Parteien besteht somit kein Verkehrsbedürfnis für die Feststellung als öffentliche Interessentenstraße, weil sie bereits an eine höherrangige Straße angeschlossen sind. Für das nordöstlich gelegene Grundstück Nr. 128/2 der elft- und zwölftbeschwerdeführenden Parteien (des Ehepaares B) wurde im Grundbuch die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes auf Grundstück Nr. 129 eingeräumt, sodass auch für dieses kein Verkehrsbedürfnis besteht.

Da somit die Kriterien des § 31 Abs. 1 LStG fallbezogen nicht vorliegen, erweist sich die Feststellung der Straßenbehörden gemäß § 41 Abs. 1 LStG 1972, dass dem Straßenabschnitt EP-Weg, 2. Teil (Teilfläche des Grundstückes Nr. 129) eine Verkehrsbedeutung zukomme, die einer öffentlichen Interessentenstraße (§ 31 Abs. 1 LStG 1992 idF) entspreche, als rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014). Wien, am