VwGH vom 28.02.2019, Ra 2018/22/0129

VwGH vom 28.02.2019, Ra 2018/22/0129

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision der R K in S, vertreten durch Dr. Peter Resch, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Franziskanergasse 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , LVwG-AV-1367/001-2017, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine pakistanische Staatsangehörige, beantragte bei der österreichischen Botschaft in Islamabad einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 1a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich lebenden Ehemann, der über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" verfügt.

2 Die gegen den abweisenden Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich (Behörde) erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (LVwG) als unbegründet abgewiesen. Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe keinen Nachweis von Deutschkenntnissen gemäß § 21a NAG erbracht. Das vorgelegte Dekret der Universität in Gujrat/Pakistan über einen Master of Economics sei nicht nostrifiziert worden und könne daher nicht gemäß § 9 Abs. 4 Z 3 Integrationsgesetz (IntG) iVm § 64 Abs. 1 Z 4 Universitätsgesetz (UG) als Nachweis der Erfüllung des Modules 1 der Integrationsvereinbarung berücksichtigt werden.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Die Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, worauf die Revisionswerberin replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringt die Revision unter anderem vor, durch das vorgelegte Dekret der Universität in Gujrat/Pakistan werde nachgewiesen, dass die Revisionswerberin über einen Hochschulabschluss, zumindest aber über einen Abschluss einer berufsbildenden höheren Schule verfüge.

6 Die Revision ist zulässig und auch begründet. 7 § 21a und 46 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017, lauteten auszugsweise:

"Nachweis von Deutschkenntnissen

§ 21a. (1) Drittstaatsangehörige haben mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms einer durch Verordnung gemäß Abs. 6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.

(2) ...

(3) Der Nachweis gilt überdies als erbracht, wenn

1. die Voraussetzungen zur Erfüllung des Moduls 1 oder 2

der Integrationsvereinbarung (§§ 9 und 10 IntG) vorliegen oder

2. ...

Bestimmungen über die Familienzusammenführung

§ 46. (1) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist

ein Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus' zu erteilen, wenn

sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und

1. ...

1a. der Zusammenführende als nunmehriger Inhaber eines

Aufenthaltstitels ‚Daueraufenthalt - EU' ursprünglich einen

Aufenthaltstitel nach Z 1 innehatte,

2. ..."

§ 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 idF BGBl. I Nr. 86/2017, lautet auszugsweise:

"Modul 1 der Integrationsvereinbarung

§ 9. (1) Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs. 1 Z 6 NAG) sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

(2) ...

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt,

wenn der Drittstaatsangehörige

1. ...

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen

Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1

Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem

Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. ..."

8 Das LVwG stützt seine Entscheidung darauf, dass das von der Revisionswerberin vorgelegte Dekret der Universität in Gujrat/Pakistan über einen Master of Economics nicht nostrifiziert worden sei und daher nicht gemäß § 9 Abs. 4 Z 3 IntG iVm § 64 Abs. 1 Z 4 UG als Nachweis der Erfüllung des Modules 1 der Integrationsvereinbarung berücksichtigt werden könne.

9 Die Behörde führte in ihrer Revisionsbeantwortung dazu aus, die zuständigen Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörden verfügten nicht über die erforderlichen Kenntnisse für die sachgerechte Beurteilung der Schulsysteme und Lerninhalte anderer Länder, um eine Beurteilung der allgemeinen Universitätsreife im Sinn des § 64 Abs. 1 UG durchführen zu können. Daher sei die Möglichkeit geschaffen worden, vom ENIC NARIC Austria, dem Nationalen Informationszentrum für akademische Anerkennung, das im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung angesiedelt sei, kostenlos eine Bestätigung gemäß § 64 Abs. 1 UG iVm § 9 Abs. 4 Z 3 IntG einzuholen. Dabei handle es sich nicht um eine "Nostrifizierung"; es werde auch nicht die Gleichwertigkeit mit einem österreichischen Studienabschluss geprüft, sondern lediglich eine Bewertung im Hinblick auf die Frage der Zulassungsvoraussetzung des Modules 1 der Integrationsvereinbarung durchgeführt. Der in den Verfahren vor der Behörde und dem LVwG verwendete Begriff "Nostrifizierung" beziehe sich daher auf die "Bestätigung im Sinn des Integrationsrechts".

10 Zunächst ist festzuhalten, dass weder § 21a NAG noch § 9 IntG eine Verpflichtung zur Nostrifizierung gemäß § 51 Abs. 2 Z 28 UG (Nostrifizierung ist die Anerkennung eines ausländischen Studienabschlusses als Abschluss eines inländischen ordentlichen Studiums) enthält. Auch aus § 9 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV), der Durchführungsbestimmungen zu § 21a NAG enthält, ergibt sich keine solche Verpflichtung. Es fehlt somit an einer entsprechenden Rechtsgrundlage, um die Abweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen mangelnder Sprachkenntnisse auf eine fehlende Nostrifizierung eines ausländischen Studienabschlusses zu stützen.

11 Wenn die Behörde vorbringt, "Nostrifizierung" sei als "Bestätigung im Sinn des Integrationsrechts" (ausgestellt von der ENIC NARIC Austria) zu verstehen, fehlt auch für die verpflichtende Vorlage einer solchen Bestätigung eine Rechtsgrundlage im NAG. Eine Verpflichtung wurde von der Behörde auch nicht behauptet ("... wurde die Möglichkeit geschaffen, ..."). Auch wenn eine Bestätigung der ENIC NARIC Austria zweckmäßig und sinnvoll im Rahmen der Beurteilung der Zulassungsvoraussetzung des Modules 1 der Integrationsvereinbarung ist, kann das Fehlen einer solchen Bestätigung nicht alleiniger Grund für eine negative Beurteilung von Deutschkenntnissen sein.

12 Gemäß § 21a Abs. 1 NAG obliegt es der Antragstellerin, mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels einen Nachweis über Kenntnisse der deutschen Sprache zu erbringen. Zu diesem Zweck legte die Revisionswerberin das Dekret der Universität in Gujrat/Pakistan über den Abschluss eines Master of Economics vor. Das angefochtene Erkenntnis enthält keine Feststellungen, aus welchem Grund dieses Dekret nicht einem Schulabschluss im Sinn des § 21a Abs. 3 Z 1 NAG iVm § 9 Abs. 4 Z 3 IntG entspricht.

13 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

14 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Soweit die Revisionswerberin für die Äußerung zur Revisionsbeantwortung der Behörde Kostenersatz begehrt, ist dieser Antrag abzuweisen, weil dies in § 48 Abs. 1 VwGG nicht vorgesehen ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018220129.L00

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