VwGH vom 05.11.2015, 2013/06/0244
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones sowie den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde des Dr. R T in K, vertreten durch die Dr. Zsizsik Dr. Prattes Rechtsanwälte OG in 8600 Bruck/Mur, Hauptplatz 23, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. ABT13- 12.10-L437/2013-1, betreffend Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes Nr. 1333/12, KG R, an das südlich das im Eigentum der M. S. stehende Weggrundstück Nr. 1332/1 grenzt. Gegenstand des Verfahrens ist die Beseitigung einer Stützmauer (Steinschlichtung). Laut Verhandlungsprotokoll der durch die mitbeteiligte Gemeinde am abgehaltenen örtlichen Erhebung stehe die Steinschlichtung augenscheinlich auf dem Weg der M. S.
Da sich M. S. nicht mit der Steinschlichtung einverstanden erklärte, wurde von der mitbeteiligten Gemeinde am eine örtliche Erhebung durchgeführt und laut Verhandlungsprotokoll (erneut) festgestellt, dass die Steinschlichtung auf dem im Eigentum der M. S. stehenden Weg errichtet worden sei. M. S. erteile dazu unter näher angeführten Bedingungen ihre Zustimmung.
Mit E-mail vom führte M. S. aus, der Beschwerdeführer sei an dem Weggrundstück nicht servitutsberechtigt und die Steinschlichtung werde von ihr nicht geduldet, weshalb sie unverzüglich zu entfernen sei.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 41 Abs. 3 Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk BauG 1995) der baubehördliche Auftrag erteilt, die auf dem Grundstück Nr. 1332/1 "an der nördlichen Grundstückgrenze zum Grundstück Nr. 1333/12 (...) errichtete vorschriftswidrige bauliche Anlage einer Steinschlichtung/Stützmauer bis auf ihrer gesamten Länge zu beseitigen". Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, für die anzeige- beziehungsweise bewilligungspflichtige Steinschlichtung, die höher als 50 cm sei, seien keinerlei Ansuchen gestellt worden. Es liege keine Zustimmung der Besitzerin des Grundstückes vor, weil sie sie zwar bei der örtlichen Begehung am ursprünglich erteilt, jedoch mit E-Mail vom zurückgezogen habe.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er nachträglich das Ansuchen zur Bewilligung der Errichtung einer Stützmauer/Steinschlichtung an der Grenze der Grundstücke Nr. 1333/12 und Nr. 1332/1 stellte. Weiters führte er im Wesentlichen aus, die Eigentümerin des Grundstücks, auf dem die bauliche Anlage errichtet sei, habe im Zuge der Verhandlung vor Ort am vor zahlreichen Zeugen ihre Zustimmung erteilt und dies durch Unterzeichnung des Protokolls bestätigt. Die Steinschlichtung sei nach starken Regenfällen im Juni 2012 und vorheriger Zustimmung beziehungsweise in Absprache mit der Tochter der Eigentümerin zum Schutz des Servitutsweges errichtet worden (wurde näher ausgeführt). Der Beschwerdeführer habe sämtliche Kosten der Errichtung der Steinschlichtung übernommen, obwohl eine Kostenbeteiligung der Eigentümerin zur Diskussion gestanden sei.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligte Gemeinde vom wurde die Berufung abgewiesen und im Wesentlichen begründend ausgeführt, aufgrund der Höhe der Stützmauer beziehungsweise Steinschlichtung von über 50 cm wäre eine Baufreistellung (Anmerkung: auf Grund einer Bauanzeige) beziehungsweise eine Baubewilligung zu erwirken gewesen. Weder sei bis zur Erlassung des Beseitigungsauftrages beziehungsweise bis dato eine Baufreistellung erwirkt noch eine Baubewilligung beantragt worden, weshalb eine vorschriftswidrige bauliche Anlage im Sinne des § 41 Abs. 3 Stmk BauG 1995 vorliege und der Beseitigungsauftrag zu Recht ergangen sei. Ob die Eigentümerin des Grundstückes ihre Zustimmung erteilt oder wieder zurückgezogen habe, sei für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der baulichen Anlage irrelevant, da eine Zustimmung lediglich Voraussetzung für die Erteilung einer Baubewilligung gewesen wäre. Eine Baubewilligung sei nicht beantragt worden. Eventuelle Ansprüche gegen die Grundeigentümerin seien zivilrechtlicher Natur und der Beschwerdeführer somit auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Vorstellung als unbegründet ab und führte begründend im Wesentlichen aus, für die gegenständliche Steinschlichtung liege die erforderliche baubehördliche Bewilligung zweifellos nicht vor, was der Beschwerdeführer nicht in Abrede stelle. Der Beseitigungsauftrag sei ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige zu erlassen. Umstände, weshalb die erforderliche Genehmigung nicht vorliege, seien im baupolizeilichen Verfahren nicht zu berücksichtigen. Die im Rahmen des Ortsaugenscheines abgegebene Zustimmung der Eigentümerin des Weggrundstückes könne bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ein Bauansuchen zurückgezogen werden. Sie müsse aber im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung liquid vorliegen, das heiße, es dürfe nicht strittig sein, ob der Grundeigentümer seine Zustimmung erteilt habe. Der angefochtene Bescheid enthalte eine nachvollziehbare Begründung. Auch eine umfangreichere Begründung würde zu keinem anderen Ergebnis führen, da der Sachverhalt eindeutig sei und die für die Bauführung erforderliche baubehördliche Genehmigung nicht vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die mitbeteiligte Gemeinde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
§ 20 Stmk BauG, LGBl. Nr. 59/1995 idF LGBl. Nr. 78/2003, lautet auszugsweise:
"§ 20. Anzeigepflichtig sind folgende Vorhaben, soweit sich aus § 21 nichts anderes ergibt:
...
3. Die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von
...
c) Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen sowie Stützmauern, jeweils bis zu einer Höhe von 1,5 m;
..."
§ 41 Stmk BauG idF LGBl. Nr. 59/1995 lautet auszugsweise:
"§ 41. (1) ...
...
(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.
..."
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid sei nicht ausreichend begründet, zumal die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht wiedergegeben würden und keine Ausführungen hinsichtlich der für die Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen getätigt würden. Die von der Eigentümerin anlässlich des Ortsaugenscheines am vor zahlreichen Zeugen abgegebene und mit Unterzeichnung des Protokolls bestätigte Zustimmung zur Errichtung der Stützmauer beziehungsweise Steinschlichtung sei keinesfalls als eine bloße Absichtserklärung, sondern als Willenserklärung zu deuten. Das die Zustimmung zurückziehende E-Mail sei von der Tochter der Eigentümerin verfasst und an die mitbeteiligte Gemeinde geschickt worden. Die Eigentümerin habe sie nicht selbst unterschrieben. Da die Widerrufserklärung nicht den minimalen Formerfordernissen entspreche, könne ihr keine Bedeutung zukommen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das E-Mail lediglich den Willen der Tochter der Eigentümerin ausdrücke. Der Beschwerdeführer habe mit Eingabe vom nachträglich um Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Stützmauer beziehungsweise Steinschlichtung an der Grenze der Grundstücke Nr. 1333/12 und Nr. 1332/1 angesucht. Dieser Antrag sei bis dato nicht behandelt beziehungsweise erledigt worden, weshalb keine vorschriftswidrige bauliche Anlage vorliege. Außerdem sei die Steinschlichtung nach starken Regenfällen im Juni 2012 zum Schutz des Servitutsweges errichtet worden und habe der Beschwerdeführer die Gesamtkosten für die Errichtung getragen. Durch deren Errichtung sei eine massive Verbesserung der Bodenverhältnisse des Weges eingetreten, weshalb deren Eigentümerin die eigentliche Nutznießerin der Steinschlichtung sei.
Die Erteilung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG 1995 kommt nur dann in Betracht, wenn die Errichtung eines bestimmten Baues sowohl zum Zeitpunkt der Bauausführung als auch zum Zeitpunkt der Erteilung des Beseitigungsauftrages bewilligungspflichtig beziehungsweise anzeigepflichtig war beziehungsweise zwar bewilligungsfrei war, aber gegen Bestimmungen des Stmk BauG 1995 verstoßen hat; die Frage der Rechtmäßigkeit einer baulichen Anlage ist als Vorfrage vor dem Erlassen eines Beseitigungsauftrages gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG zu klären (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/06/0160).
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die gegenständliche Anlage (Steinschlichtung) eine über 50 cm hohe Stützmauer darstellt. Mangels Feststellung einer Höhe von über 1,5 m (ab der gemäß § 19 Z 4 Stmk. BauG Baubewilligungspflicht gegeben wäre) ist § 20 Z 3 lit. c Stmk BauG 1995 einschlägig, wonach die Errichtung von Stützmauern bis zu einer Höhe von 1,5 m anzeigepflichtig ist.
Ein baubehördlicher Auftrag zur Beseitigung eines unrechtmäßigen Zustandes kann auch schon ergehen, wenn ein Verfahren zur nachträglichen Bewilligung dieses Zustandes (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. Ra 2014/06/0027, sowie die bei Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, S teiermärkisches Baurecht, 5. Auflage, S. 526 f unter Z 65 f angeführte hg. Judikatur) beziehungsweise ein Anzeigeverfahren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/06/0215) noch anhängig sind. Somit geht das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe nachträglich um Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung der Stützmauer angesucht, ins Leere, ebenso das Vorbringen zur Zustimmung der M. S., insofern durch eine solche Zustimmung allein die erforderliche Baubewilligung oder Baufreistellung jedenfalls nicht bewirkt oder ersetzt wird. Dennoch führt das Vorbringen betreffend die Zustimmung der Grundeigentümerin und die mangelhafte Bescheidbegründung die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg:
Ein Auftrag zur Beseitigung von konsenslosen und konsenswidrigen Baulichkeiten ist dem Eigentümer der Baulichkeit zu erteilen, unabhängig davon, wer die Herstellung vorgenommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0280). Die Feststellung der Eigentumsverhältnisse ist daher eine bei Erlassung eines Bauauftrages zu lösende zivilrechtliche Vorfrage im Sinne des § 38 AVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0206, mwN). Grundsätzlich fällt ein auf einem Grundstück errichtetes Bauwerk nach dem Grundsatz superficies solo cedit als Zugehör gemäß § 297 ABGB in das Eigentum des Grundeigentümers (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/06/0157). In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Baulichkeit nicht auf dem Grundeigentum des Verpflichteten steht, hätte es daher jedenfalls einer Begründung bedurft, weshalb der Beschwerdeführer und nicht M. S. Eigentümer der baulichen Anlage ist, sodass der Bauauftrag rechtens an ihn erging. Die Gemeindebehörden haben sich damit nicht auseinandergesetzt, und die belangte Behörde hat dies nicht aufgegriffen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am