VwGH 25.11.2015, 2013/06/0240
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauG Vlbg 2001 §26 Abs1 litb; BauG Vlbg 2001 §5 Abs5 litc; BauRallg; VwGG §42 Abs2 Z1; |
RS 1 | Das vorliegende Haus ist 36,40 m lang; die geplanten Vordächer haben eine Länge von 4,90 m bzw. 6,10 m und eine Ausladung von 1,20 m; das Verhältnis zwischen den beiden Vordächern und der für die Schattenbildung relevanten Länge des Baukörpers beträgt unbestritten über 30 %. Angesichts dieser Dimensionen können die beiden Vordächer nicht mehr als "untergeordnete Bauteile" im Sinn den § 5 Abs. 5 lit. c Vlbg BauG 2001 qualifiziert werden. Da den Feststellungen der Behörde zufolge die Abstandsflächen der Vordächer auf dem Grundstück der Nachbarin liegen, ist das Vorhaben schon deshalb nicht genehmigungsfähig. |
Normen | |
RS 2 | Es trifft zu, dass Nachbarn im Verfahren auf Bestimmung der Baugrundlagen keine Parteistellung haben, es ihnen im Baubewilligungsverfahren jedoch freisteht, durch Einwendungen gemäß § 26 Abs. 1 Vlbg BauG 2001 die Einhaltung der dort angeführten Vorschriften (z.B. jene der §§ 5 bis 7 über Abstandsflächen und Mindestabstände) geltend zu machen. |
Normen | |
RS 3 | § 26 Abs. 1 Vlbg BauG 2001 enthält eine taxative Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn (Hinweis E vom , 2010/06/0164); Licht und Luft sind davon nicht umfasst, wohl aber die §§ 5 bis 7 leg. cit. betreffend die Abstandsflächen, die Mindestabstände und die Abstandsnachsicht. Insbesondere durch die Abstandsflächen, die gemäß § 5 Abs. 1 Vlbg BauG 2001 auf dem Baugrundstück selbst liegen müssen, ist grundsätzlich gewährleistet, dass Nachbargrundstücke nicht unzumutbar beschattet oder ausreichend mit Luft versorgt werden. Der Behörde ist daher zuzustimmen, dass Nachbareinwendungen, die sich auf eine ausreichende Versorgung mit Licht und Luft beziehen, nicht zulässig sind. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2013/06/0242
2013/06/0241
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerden 1. des P W, 2. des K M, 3. der S B und 4. der E W, alle in F, alle vertreten durch Dr. Felix Graf, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 27, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom , Zl. BHFK-II-4151-2013/0017, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien:
1. H AG, vertreten durch die Summer Schertler Stieger Kaufmann Droop Rechtsanwälte GmbH in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4; 2. Stadt F), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird auf Grund des Beschwerdevorbringens der Viertbeschwerdeführerin wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Viertbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die Beschwerde der erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien wird als unbegründet abgewiesen.
Die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien haben dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 57,40 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Auf Antrag der Erstmitbeteiligten (Bauwerberin) erließ der Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Stadt mit Bescheid vom Baugrundlagen für das gegenständliche Baugrundstück Nr. 3370/34, GB 92102 F. Darin legte er unter anderem eine höchstzulässige Baunutzungszahl von 60 und eine Höchstgeschoßzahl von drei Geschoßen fest. Eine Überschreitung der Baunutzungszahl sei ausnahmsweise zulässig, wenn eine positive Stellungnahme des Fachbeirates für architektonische und städtebauliche Fragen (im Folgenden kurz: Fachbeirat) eine qualitätsvolle Einbindung in die gegebene Situation und eine überdurchschnittlich hohe Gestaltungsqualität des Projektes feststelle.
Nachdem ein erster Projektentwurf der Bauwerberin vom Fachbeirat nicht positiv beurteilt worden war, führte der Fachbeirat zu einem überarbeiteten Projekt der Bauwerberin in seiner Stellungnahme vom aus, die Baunutzungszahl sei annähernd auf das vereinbarte Maß von 62 reduziert worden; allerdings müsse der Gebäudeabstand zur S-Gasse den gesetzlichen Mindestabstand einhalten; die Lage des Müllbereiches und die Gliederung der Fassaden sowie die Ausbildung der Fenster bedürften einer Verbesserung; zusammenfassend empfehle der Fachbeirat, das vorgelegte Projekt unter Berücksichtigung der Kritikpunkte und in Absprache mit der Stadtplanung zur weiteren Bearbeitung freizugeben.
Mit Eingabe vom suchte die Bauwerberin um Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage mit 15 Wohneinheiten und einer Tiefgarage für die Einstellung von neun PKW auf dem Baugrundstück an. Gleichzeitig wurde der Abbruch des sich auf diesem Grundstück befindlichen Einfamilienwohnhauses samt Garage beantragt. Die Wohnanlage besteht aus den Häusern A mit sieben und B mit acht Wohneinheiten. Die Häuser bestehen jeweils aus einem Erdgeschoß und zwei Obergeschoßen; das Untergeschoß beider Häuser ist miteinander verbunden. Östlich des Hauses A wird ein Carport für vier PKW errichtet; im Freien gelangen insgesamt sieben PKW-Stellplätze zur Ausführung; in der Tiefgarage werden neun Stellplätze errichtet. Die Erschließung der Tiefgarage erfolgt über den S-Weg; die Fortluft wird über das Dach abgeleitet. Das Haus A ist 32,80 m lang und 9 m breit, die Länge des Hauses B beträgt 36,40 m, bei einer Breite von 9 m. An der gesamten südlichen Fassade der Häuser war ursprünglich im dritten Obergeschoß ein Vordach mit einer Ausladung von 1,20 m, gemessen von der Außenwand, vorgesehen.
Der Erstbeschwerdeführer ist Eigentümer des nordöstlich des Baugrundstückes gelegenen Grundstückes Nr. 3370/48; die zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien haben Miteigentum am nordwestlich gelegenen Grundstück Nr. 3370/33; die Viertbeschwerdeführerin ist Eigentümerin des südwestlich gelegenen Grundstückes Nr. 3370/35. Die beschwerdeführenden Parteien wandten sich im Zuge der Bauverhandlung am gegen das Bauvorhaben.
Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erteilte der Bürgermeister der zweitmitbeteiligten Stadt der Bauwerberin mit Bescheid vom die beantragte Baugenehmigung unter Vorschreibung von Auflagen.
Der Berufung der beschwerdeführenden Parteien wurde mit Bescheid der Berufungskommission der zweitmitbeteiligten Stadt vom keine Folge gegeben; auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung hob die belangte Behörde mit Bescheid vom den Berufungsbescheid auf. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass die Tiefgaragenrampe nicht als unterirdischer Bauteil zu beurteilen sei und innerhalb des Mindestabstandes zum Grundstück des Erstbeschwerdeführers liege; das über die gesamte Länge beider Häuser geplante Vordach stelle keinen untergeordneten Bauteil dar, die Abstandsfläche reiche zweifelsfrei auf das Grundstück der Viertbeschwerdeführerin, was § 5 Abs. 1 Vorarlberger Baugesetz (BauG) widerspreche.
Mit Schriftsatz vom übermittelte die Bauwerberin eine Planänderung für eine Verlegung der Tiefgaragenrampe sowie eine Reduzierung der Vordachkonstruktion. Die ursprünglich an der Nordseite des Hauses A geplante Tiefgarageneinfahrt wurde unter das Haus verlegt; das zunächst über die gesamte Fassadenlänge im Süden geplante Vordach wurde dahingehend reduziert, dass am Haus A ein Vordach mit einer Länge von 6,30 m in südöstlicher Richtung und ein solches mit einer Länge von 3,20 m in südwestlicher Richtung und am Haus B im südöstlichen Bereich ein Vordach mit einer Länge von 4,90 m und im südwestlichen Bereich ein solches mit einer Länge von 6,10 m errichtet werden soll.
Im Rahmen des Parteiengehörs äußerten sich die beschwerdeführenden Parteien mit Schriftsatz vom zu der Planänderung unter anderem dahingehend, dass diese ein "aliud" zur ursprünglichen Baueingabe darstelle.
Mit Bescheid der Berufungskommission der zweitmitbeteiligten Stadt vom wurde den Berufungen der beschwerdeführenden Parteien keine Folge gegeben.
Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung der beschwerdeführenden Parteien vom wurde mit dem angefochtenen Bescheid (vom ) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde - sofern für das verwaltungsgerichtliche Verfahren relevant - im Wesentlichen aus, die beschwerdeführenden Parteien hätten eine Verletzung der Bauabstände im Norden eingewendet, weil dort ein Streifen von 1,50 m Breite für eine Fuß-Radwegverbindung zur Verfügung gestellt werde. Gemäß § 5 Abs. 1 BauG dürfe die Abstandsfläche maximal bis zur Mitte einer angrenzenden öffentlichen Verkehrsfläche reichen. Im gegenständlichen Fall solle der Fußweg jedoch nicht auf einer angrenzenden öffentlichen Verkehrsfläche, sondern auf dem Baugrundstück selbst errichtet werden. Entsprechend den Einreichunterlagen sei zwar die Errichtung eines öffentlichen Fuß- bzw. Radweges geplant, im Grundbuch sei jedoch keine Dienstbarkeit eingetragen und es liege auch keine vertragliche Verpflichtung der Bauwerberin zur Errichtung dieses Fuß- bzw. Radweges vor. Im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan sei die Fläche auch nicht als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet. Die Abstandsflächen der verfahrensgegenständlichen Gebäude lägen zur Gänze auf dem Baugrundstück Nr. 3370/34 und in manchen Abschnitten unmittelbar an der Grenze zum Grundstück des Erstbeschwerdeführers. Vor dem Hintergrund einer fehlenden grundbücherlichen Eintragung sowie mangels einer ausdrücklichen Erklärung als öffentliche Privatstraße sei der in den Einreichunterlagen eingetragene Rad- und Fußweg rechtlich noch nicht als öffentliche Verkehrsfläche zu werten, weshalb § 5 Abs. 1 letzter Satz BauG nicht zur Anwendung komme. Die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien seien daher nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten betreffend die Einhaltung der gesetzlich normierten Mindestabstände verletzt.
Die beschwerdeführenden Parteien hätten auch vorgebracht, dass die verkürzten Vordächer nicht als untergeordnete Bauteile im Sinn des § 5 Abs. 5 lit. c BauG zu qualifizieren seien. Gemäß dieser Bestimmung dürften Dachvorsprünge, Sonnenblenden, Windfänge, offene Balkone, Gärten, Erker, Kamine, Freitreppen, Werbeanlagen und dergleichen, sofern es sich dabei um untergeordnete Bauteile handle, bis zu einer Ausladung von 1,30 m in die Abstandsflächen reichen. Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Bauteil dann als untergeordnet zu qualifizieren, wenn er im Verhältnis zur Fassade, an der er angebracht oder in die er integriert sei, von untergeordneter Größe sei; dies hänge insbesondere von seiner Dimensionierung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk ab (Hinweis auf mehrere hg. Erkenntnisse). Primärer Schutzzweck des § 5 BauG sei es, die Gebäude- bzw. Bauwerkshöhen unter Berücksichtigung des gesetzlich determinierten Schattenwurfes zum Schutz des Nachbarn zu begrenzen. Daher könnten nur Bauteile ausnahmsweise als untergeordnet verstanden werden, die auf dem Nachbargrundstück keine bedeutsame bzw. vernachlässigbare Schattenbildung nach sich zögen. Ein über einen Großteil der Fassade laufendes Vordach könne auf Grund seiner Auswirkungen auf den Schutzzweck des § 5 BauG nicht als untergeordneter Bauteil qualifiziert werden. Die Bauwerberin habe jedoch eine Planänderung dahingehend vorgenommen, dass sich das Vordach nicht mehr über die gesamte Südfassade erstrecke, sondern beim Haus A eine Länge von 6,30 m und 3,20 m und beim Haus B eine solche von 4,90 m und 6,10 m aufweise, jeweils bei einer Ausladung von 1,20 m. Das Haus A habe eine Gesamtlänge von 32,80 m, das Haus B eine solche von 36,40 m. Die geplanten Vordächer erstreckten sich somit über 29,3% der Südfassade des Hauses A bzw. über 30,3% des Hauses B. Angesichts dieses Größenverhältnisses sei die Ansicht der Berufungsbehörde, dass die nunmehr beantragten Dachvorsprünge als untergeordnete Bauteile zu qualifizieren seien, als vertretbare Rechtsauffassung anzusehen. Die Viertbeschwerdeführerin werde daher nicht in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt; die übrigen beschwerdeführenden Parteien, deren Grundstücke nördlich des Baugrundstückes lägen, könnten durch die südlich gelegenen Vordächer jedenfalls nicht in Rechten verletzt werden.
Falls die Vordächer nicht als untergeordnete Bauteile zu beurteilen wären, kämen die Abstandsflächen auf dem Grundstück der Viertbeschwerdeführerin zu liegen.
In weiterer Folge führte die belangte Behörde aus, Nachbarn könnten kein Recht auf die Einhaltung der Baunutzungszahl geltend machen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/06/0028, und auf Germann/Bertsch, Das Vorarlberger BauG, S. 124) und § 26 Abs. 1 BauG enthalte auch kein Nachbarrecht auf ein ausreichendes Maß an Licht und Luft. Da das geplante Bauvorhaben im reinen Wohngebiet errichtet werden solle und die Anzahl an Pflichtstellplätzen nicht überschritten werde, werde keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung der beschwerdeführenden Parteien entstehen; dies sei vom lärmtechnischen und vom lufthygienischen Gutachter bestätigt worden; angesichts dessen sei die Einholung eines humanmedizinischen Gutachtens nicht erforderlich gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 1234/2013- 4, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.
In der vor dem Verwaltungsgerichtshof auftragsgemäß ergänzten Beschwerde beantragten die beschwerdeführenden Parteien die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Das Landesverwaltungsgericht legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift und beantragte die Erstattung des Vorlageaufwandes.
Die Bauwerberin beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
§§ 5 und 26 Vorarlberger BauG - BauG, LGBl. Nr. 52/2001, in der Fassung LGBl. Nr. 72/2012, lauten auszugsweise:
"§ 5
Abstandsflächen
(1) Oberirdische Gebäude sind so anzuordnen, dass vor jeder Außenwand eine Abstandsfläche liegt, nicht jedoch vor den Ecken. Dasselbe gilt für sonstige oberirdische Bauwerke, soferne sie Wände mit einer Höhe von mehr als 3,5 m über dem Gelände haben oder Flugdächer u.dgl. mit einer solchen Höhe sind. Die Abstandsfläche muss so tief sein, wie sechs Zehntel des Abstandes zwischen der Außenwand und dem Schattenpunkt. Sie muss auf dem Baugrundstück selbst liegen, bis zur Mitte einer angrenzenden öffentlichen Verkehrsfläche darf sie sich jedoch erstrecken.
(2) Als Außenwand nach Abs. 1 gilt eine lotrechte Ebene in der äußersten Begrenzungslinie des Gebäudes oder sonstigen Bauwerkes. Bauteile gemäß Abs. 5 lit. b und c sind nur so weit zu berücksichtigen, als sie das dort genannte Ausmaß überschreiten.
(3) Der Schattenpunkt nach Abs. 1 ergibt sich auf einer Waagrechten, die in der Höhe des jeweiligen Fußpunktes der Außenwand gelegt wird, wenn über das Gebäude oder sonstige Bauwerk Licht unter einem Winkel von 45 Grad einfällt. Bei der Ermittlung des Schattenpunktes sind untergeordnete Bauteile in lotrechter Richtung und untergeordnete Bauteile gemäß Abs. 5 lit. b und c bis zu dem dort genannten Ausmaß in waagrechter Richtung nicht zu berücksichtigen.
(4) Der jeweilige Fußpunkt nach Abs. 3 ergibt sich an der Schnittstelle der Außenwand mit der bestehenden Oberfläche des Geländes. Wurde die Geländeoberfläche durch eine Bauführung oder im Hinblick auf eine beabsichtigte Bauführung verändert, so ist von der Geländeoberfläche vor dieser Veränderung auszugehen. Untergeordnete Geländeerhebungen und -vertiefungen sind nicht zu berücksichtigen. Im Falle einer Verfügung nach den §§ 3 Abs. 5 oder 29 Abs. 2 ist von der verfügten Geländeoberfläche auszugehen.
(5) Innerhalb der Abstandsflächen auf dem Baugrundstück dürfen andere Bauwerke sowie Teile von solchen weder bestehen noch errichtet werden. Ausgenommen sind
...
Dachvorsprünge, Sonnenblenden, Windfänge, offene Balkone, Erker, Kamine, Freitreppen, Werbeanlagen u.dgl., sofern es sich bei ihnen um untergeordnete Bauteile handelt, bis zu 1,30 m Ausladung.
(6) ...
§ 26
Nachbarrechte, Übereinkommen
(1) Der Nachbar hat im Verfahren über den Bauantrag das Recht, durch Einwendungen die Einhaltung der folgenden Vorschriften geltend zu machen:
a) § 4 Abs. 3, soweit mit Auswirkungen auf sein Grundstück zu rechnen ist;
§§ 5 bis 7, soweit sie dem Schutz des Nachbarn dienen;
§ 8, soweit mit Immissionen auf seinem Grundstück zu rechnen ist;
d) die Festlegungen des Bebauungsplanes über die Baugrenze, die Baulinie und die Höhe des Bauwerks, soweit das Bauwerk nicht mehr als 20 Meter vom unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Nachbargrundstück entfernt ist.
(2) ..."
§ 28 Abs. 2 Raumplanungsgesetz - RPG, LGBl. Nr. 39/1996, in der Fassung LGBl. Nr. 44/2014, lautet auszugsweise:
"Bebauungsplan
§ 28
Allgemeines
(1) ...
(2) Der Bebauungsplan darf einem Landesraumplan und dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen und hat insbesondere zu berücksichtigen
...
die Vermeidung von Belästigungen durch Lärm, Geruch und andere störende Einflüsse,
g) ..."
Zunächst ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Mitspracherecht der Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt ist: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend machte. Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der im Sinne des § 42 AVG in der Fassung seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat. Darüber hinaus kann ein Nachbar rechtswirksam nur die Verletzung seiner eigenen Rechte einwenden; die Verletzung von Abstandsvorschriften kann ein Nachbar nur im Hinblick auf die seinem Grundstück zugewandte Seite geltend machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/06/0362, mwN).
Auf Grund dieser Rechtslage können die erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien hinsichtlich der Beurteilung der südseitig vorgesehenen Vordächer nicht in subjektiven Rechten verletzt werden, weil ihre Grundstücke nördlich des Baugrundstückes liegen. Auch die Viertbeschwerdeführerin kann denkmöglich nur von den Vordächern beim Haus B betroffen sein; das Haus A liegt östlich ihres Grundstückes, sodass von diesem eine Beeinträchtigung ihrer Interessen schon von vornherein ausgeschlossen ist.
Die Beschwerde bringt im Hinblick auf die Viertbeschwerdeführerin vor, die beiden beim Haus B geplanten Vordächer mit einer Länge von 4,90 m bzw. 6,10 m und einer Ausladung von 1,20 m seien nicht als untergeordnete Bauteile im Sinn des § 5 Abs. 5 lit. c BauG zu beurteilen. Die beiden Vordächer wiesen gesamt eine Länge von 11 m auf; dies entspreche der Länge eines durchschnittlichen Einfamilienwohnhauses, sodass von keiner unbedeutenden bzw. vernachlässigbaren Schattenbildung zu Lasten der Viertbeschwerdeführerin ausgegangen werden könne. Ausnahmebestimmungen wie § 5 Abs. 5 lit. c BauG seien restriktiv auszulegen, um dem Schutzzweck zu entsprechen.
Damit ist die Beschwerde im Recht.
Die belangte Behörde verwies zunächst zutreffend auf die hg. Judikatur, wonach bei der Frage, ob ein Bauteil als untergeordnet zu qualifizieren ist, auch auf das Verhältnis zum restlichen Bauwerk Bedacht zu nehmen ist. Sie zog daraus jedoch den unzutreffenden Schluss, dass im vorliegenden Fall untergeordnete Bauteile vorlägen.
Das Haus B ist 36,40 m lang; die geplanten Vordächer haben eine Länge von 4,90 m bzw. 6,10 m und eine Ausladung von 1,20 m; das Verhältnis zwischen den beiden Vordächern und der für die Schattenbildung relevanten Länge des Baukörpers beträgt unbestritten über 30 %; dies steht im Einklang mit den vorliegenden Planunterlagen. Angesichts dieser Dimensionen können die beiden Vordächer nicht mehr als "untergeordnete Bauteile" im Sinn den § 5 Abs. 5 lit. c BauG qualifiziert werden. Da den Feststellungen der belangten Behörde zufolge die Abstandsflächen der Vordächer auf dem Grundstück der Viertbeschwerdeführerin liegen, ist das Vorhaben schon deshalb nicht genehmigungsfähig.
Der angefochtene Bescheid war daher auf Grund des Beschwerdevorbringens der Viertbeschwerdeführerin wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Beschwerde bringt weiter vor, die belangte Behörde habe in unzutreffender Weise ausgeführt, in Ermangelung eines Bebauungsplanes könnten die beschwerdeführenden Parteien keine Einwendungen erheben, die sich auf die in § 26 Abs. 1 lit. d BauG normierten Tatbestände stützten.
Damit verkennt die Beschwerde jedoch die dazu ergangenen Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Die belangte Behörde begründete vielmehr zutreffend, dass die Gemeindevertretung bei Erlassung eines Bebauungsplanes gemäß § 28 Abs. 2 lit. f RPG unter anderem die Sicherung eines ausreichenden Maßes an Licht, Luft und Bewegungsmöglichkeit für Menschen zu berücksichtigen habe, Nachbarn diese Kriterien im Hinblick auf § 26 BauG jedoch nicht im Baubewilligungsverfahren geltend machen könnten. Es trifft nämlich zu, dass Nachbarn im Verfahren auf Bestimmung der Baugrundlagen keine Parteistellung haben, es ihnen im Baubewilligungsverfahren jedoch freisteht, durch Einwendungen gemäß § 26 Abs. 1 BauG die Einhaltung der dort angeführten Vorschriften (z.B. jene der §§ 5 bis 7 über Abstandsflächen und Mindestabstände) geltend zu machen (vgl. dazu die Ausführungen bei Germann/Bertsch, Das Vorarlberger Baugesetz, 2. Auflage, S. 33). Nach ständiger hg. Rechtsprechung enthält § 26 Abs. 1 BauG eine taxative Aufzählung der subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarn (vgl. etwa dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0164); Licht und Luft sind davon nicht umfasst, wohl aber die §§ 5 bis 7 leg. cit. betreffend die Abstandsflächen, die Mindestabstände und die Abstandsnachsicht. Insbesondere durch die Abstandsflächen, die gemäß § 5 Abs. 1 BauG auf dem Baugrundstück selbst liegen müssen, ist grundsätzlich gewährleistet, dass Nachbargrundstücke nicht unzumutbar beschattet oder ausreichend mit Luft versorgt werden. Der belangten Behörde ist daher zuzustimmen, dass Nachbareinwendungen, die sich auf eine ausreichende Versorgung mit Licht und Luft beziehen, nicht zulässig sind.
In Zusammenhang mit der Planänderung vom bringt die Beschwerde vor, die Zufahrt zu den nunmehr neu an der Nordseite des Hauses A vorgesehenen Stellplätzen entspreche nicht der OIB-Richtlinie 4 (3,8 m bis 4,4 m statt 6 m), weshalb bei mehrmaligem Reversieren mit ortsunüblichen Schall-, Staub- und Abgasimmissionen auf dem Grundstück des Viertbeschwerdeführers (gemeint wohl: Erstbeschwerdeführers) zu rechnen sei. Diese Änderung wäre gutachterlich abzuklären und insbesondere auch aus humanmedizinischer Sicht zu beurteilen gewesen.
Dem ist zu entgegnen, dass ortsunübliche Schall-, Staub- und Abgasimmissionen wegen eines mehrmaligen Reversierens auf den Stellplätzen an der Nordseite des Hauses A erstmals in der Beschwerde vorgebracht werden; in der Stellungnahme vom zu der Planänderung und in der Vorstellung wurde dies nicht gerügt. Ausführungen zu Rechtsfragen, nämlich das Vorliegen ortsunüblicher Immissionen, deren Beurteilung zusätzliche Sachverhaltsfeststellungen erfordern, müssen wegen des Neuerungsverbotes vor dem Verwaltungsgerichtshof bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragen werden. Im Übrigen führte der Sachverständige in seiner lufthygienischen Stellungnahme vom (noch zu dem ursprünglichen Einreichprojekt, bei dem die Tiefgaragenrampe an der Nordseite geplant war) aus, dass wegen einer geringen Vorbelastung und einer Durchmischung der Abgase auf den oberirdischen Stellplätzen mit dem Wind das ortsübliche Ausmaß an Immissionen der Luftschadstoffe nicht überschritten werde.
Aus dem Vorgesagten ergibt sich, dass die Beschwerde hinsichtlich der erst- bis drittbeschwerdeführenden Parteien keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte aufzeigte. Das sie betreffende Beschwerdevorbringen war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 53) VwGG iVm § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §8; BauG Vlbg 2001 §26 Abs1 litb; BauG Vlbg 2001 §26 Abs1; BauG Vlbg 2001 §5 Abs1; BauG Vlbg 2001 §5 Abs5 litc; BauG Vlbg 2001 §5; BauRallg; VwGG §42 Abs2 Z1; |
Schlagworte | Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1 Baurecht Nachbar |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2015:2013060240.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAE-80598