VwGH vom 30.04.2009, 2006/05/0215
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der beschwerdeführenden Parteien
1. M K, 2. J S 3. P M, 4. A L, 5. N S 6. K B, 7. M K, 8. A M, alle in Wien, 9. E K in Mühldorf, 10. H J in Bisamberg, 11. G G,
12. A F, 13. Dr. G C, 14. S S 15. E S 16. M H, 17. S I, alle in Wien, 18. S E in Graz, 19. H P in Trofaiach, 20. K G in Graz,
21. S H in Perchtoldsdorf, alle vertreten durch Mag. Erwin
H. Falkner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 20, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-39/06, betreffend Kostenvorschreibung gemäß § 126 Abs. 6 der Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den beschwerdeführenden Parteien insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Einem Aktenvermerk vom zufolge stellte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, ein Baugebrechen an dem auf der Liegenschaft Rosenhügelstraße 30, Wien 12, befindlichen Gebäude fest, welches eine Gefahr für die körperliche Sicherheit darstellte. Der Verputz des Gesimses des zwei Stockwerke hohen Gebäudes war derart schadhaft, dass dieser bereits teilweise auf den Gehsteig der Rosenhügelstraße herabgestürzt und zu befürchten war, dass weitere Gesimsteile auf den Gehsteig herabstürzten, was eine Gefahr für die körperliche Sicherheit dargestellt hätte. Wegen Gefahr in Verzug wurde das sofortige Absichern des Gehsteigs mittels eines Passagegerüsts auf einer Länge von 20 m auf dem Gehsteig vor dem Gebäude durch das sachverständige Organ der genannten Magistratsabteilung als notwendig erachtet.
Dieser Aktenvermerk wurde der Magistratsabteilung 25 zur Durchführung einer notstandspolizeilichen Maßnahme übermittelt. Am selben Tag erfolgte seitens dieser Magistratsabteilung der Auftrag an die Firma Mach GmbH zur Absicherung des Gehsteigs vor dem Gebäude mittels eines (hölzernen) Passagengerüstes. Das beauftragte Unternehmen stellte in der Folge Kosten in der Höhe von EUR 6.264,47 in Rechnung, seitens der Magistratsabteilung 25 wurde (nach einer Korrektur betreffend den Ersatz der Kosten für Facharbeiter) ein Betrag von EUR 5.611,78 erstattet. Aus dieser Rechnung samt beigelegten Regiescheinen ergibt sich, dass (nach Antransport von Materialien, Befestigungsmitteln und Werkzeugen) das Passagengerüst errichtet und nach Beendigung der Arbeitsleistung Geräte, Werkzeuge sowie Restmaterialien abtransportiert wurden.
Die beschwerdeführenden Parteien wurden als Miteigentümer der in Rede stehenden Liegenschaft am von der Sofortmaßnahme schriftlich verständigt.
Der genannte Betrag von EUR 5.611,78 wurde den beschwerdeführenden Parteien mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 25, vom zur Bezahlung mit der weiteren Anordnung vorgeschrieben, dass bei Nichtbezahlung nach Ablauf von zwei Wochen ab Rechtskraft des Bescheides 3,47 % Zinsen verrechnet würden.
1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde im Spruch zur Berufung der Beschwerdeführer den Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe, dass die Anordnung betreffend die Verrechnung von Zinsen entfällt.
Begründend wurde u.a. ausgeführt, dass von den beschwerdeführenden Parteien gegen die Maßnahme keine Beschwerde gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG eingebracht worden sei, weshalb die Frage der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit, Art und des Umfangs der vorliegenden notstandspolizeilichen Maßnahme nicht Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens sei und darauf gestützte Einwände nicht geeignet seien, die Kostenersatzpflicht der Liegenschaftsmiteigentümer abzuwenden. Zum Einwand, die vorgeschriebenen Kosten seien überhöht und die Behörde hätte kostengünstigere Alternativen zu ergreifen gehabt, werde ausgeführt, dass zwar für solche Maßnahmen, welche nicht der unmittelbaren Gefahrenabwehr im Zuge einer notstandspolizeilichen Maßnahme dienten, keine Kosten verhängt werden dürften, es der Verpflichtete aber hinnehmen müsse, wenn die Kosten der für die Durchführung des baupolizeilichen Auftrags erforderlichen und auch tatsächlich verrichteten Arbeiten höher seien, als sie bei Durchführung der Arbeiten ohne behördliches Dazwischentreten gewesen wären. Vorliegend sei es darauf angekommen, das Passagegerüst ehestmöglich zu errichten, weshalb ein erhöhter Personalaufwand sowie der Einsatz der anwesenden Kräfte auch während der Nachtstunden notwendig und gerechtfertigt gewesen sei. Zum Vorbringen, die gegenständlichen Arbeiten hätten lediglich bis 22 Uhr gedauert und es seien einige Materialpositionen zu Unrecht verrechnet worden, sei auf die besagte Rechnung, die vorliegenden Regiescheine sowie die diesbezügliche Stellungnahme der Magistratsabteilung 25 vom zu verweisen, wonach die einzelnen Positionen durch die Erstbehörde geprüft und (soweit nicht korrigiert) für richtig befunden worden seien. Dies könnte durch unsubstantiierte Behauptungen nicht entkräftet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
3.1. Gemäß § 129 Abs. 6 BO kann die Behörde bei Gefahr im Verzug auch ohne Anhörung der Partei die erforderlichen Verfügungen und Sicherungsmaßnahmen auf Gefahr und Kosten des Eigentümers (jedes Miteigentümers) eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage anordnen und sofort vollstrecken lassen.
Ob die Voraussetzungen des § 129 Abs. 6 BO vorgelegen sind und die von der Behörde dem ausführenden Unternehmen in Auftrag gegebenen Arbeiten demnach notwendig und zweckmäßig waren, kann nach der hg. Rechtsprechung im Verfahren über die Bezahlung der Kosten dieser Maßnahmen nicht mehr überprüft werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0293, mwH). Gemäß § 67a Abs. 1 Z 2 AVG entscheidet nämlich der UVS über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes. Unterlässt die von einem Akt der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt betroffene Partei die Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Akt beim UVS, dann ist davon auszugehen, dass ein solcher Verwaltungsakt gegenüber einem zur Maßnahmebeschwerde Befugten nicht in dessen subjektiv-öffentliche Rechte rechtswidrig eingegriffen hat. Werden daher die nach § 129 Abs. 6 BO durchgeführten notstandspolizeilichen Maßnahmen nicht vor dem UVS bekämpft, dann kann die Frage der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit im Kostenersatzverfahren nicht mehr aufgerollt werden, weil insoweit eine Bindung der Behörde an die mangels Bekämpfung geltende Rechtmäßigkeit der notstandspolizeilichen Maßnahmen besteht, die auch deren Erforderlichkeit im Sinne des Gesetzes umfasst.
3.2. Vorliegend ist unbestritten, dass die Notwendigkeit, der Umfang und die Zweckmäßigkeit der notstandspolizeilichen Maßnahme, die Grundlage für das vorliegende Kostenersatzverfahren war, vor dem UVS nicht bekämpft wurde.
Von daher kann das eingehende Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien betreffend das Erfordernis der notstandspolizeilichen Maßnahme (etwa angesichts ohnehin in Gang befindlicher Vorkehrungen) bzw deren Anordnung von einem (behauptetermaßen) nicht hinreichend sachverständigen Organ der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Ferner erweist sich der Hinweis auf das nicht zu § 129 der Bauordnung für Wien, sondern zum Niederösterreichischen Tierschutzgesetz 1985 iVm § 76 AVG ergangene - und insofern im Beschwerdefall nicht einschlägige - hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/02/0497, als nicht zielführend.
3.3. Die beschwerdeführenden Parteien haben aber schon in ihrer Berufung ausgeführt, dass nach den Informationen ihres Hausverwalters die Arbeiter nur bis ca. 22 Uhr - und nicht wie in der Rechnung des beauftragten Unternehmens angeführt bis 23 Uhr - tätig gewesen seien und als Beweis dafür die Einvernahme des Hausverwalters beantragt. Die beschwerdeführenden Parteien bezeichneten weiters die Verrechnung der "Technikerstunden" (unter Hinweis auf die "Honorarsätze der HO") als überhöht und beantragten dazu insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Gleiches gilt für Verrechnung der "Arbeiterstunden".
Die Behörde ist zwar damit im Recht, dass es die beschwerdeführenden Parteien hinnehmen müssen, wenn die Kosten für die Durchführung der vorliegenden Sicherungsmaßnahmen erforderlichen und tatsächlich verrichteten Arbeiten höher sind, als sie bei Durchführung der Arbeiten ohne behördliches Dazwischentreten gewesen wären. Dies kann aber nicht bedeuten, dass ein gegen den Umfang des Kostenersatzes gerichtetes konkretes Vorbringen, das insbesondere mit dem Antrag auf Einvernahme des Hausverwalters sowie auf Einholung eines Sachverständigengutachtens verbunden wurde, als unsubstantiiert bezeichnet damit als irrelevant angesehen wird. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, dass sich die Behörde mit diesem Vorbringen - erforderlichenfalls auch unter Aufnahme der beantragten Beweise - näher auseinandersetzt, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass dies zu einem anderen, für die Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis geführt hätte.
Gleiches gilt für die Kosten des in das Eigentum der Beschwerdeführer getretenen Holzgerüsts. Schon in ihrer Berufung brachten die Beschwerdeführer vor, dass die Errichtung dieses Holzgerüstes keine kostengünstige Lösung für den vorliegenden Sicherungszweck darstellte, vielmehr wäre ein Fertiggerüst ausreichend gewesen, und erstatteten diesbezüglich eine Kosteneinschätzung. Die belangte Behörde hielt diese Frage (zutreffend) für aufklärungsbedürftig und ersuchte die Magistratsabteilung 25 um Stellungnahme, die mit Schreiben vom dazu folgendes mitteilte: "Da im Zuge von notstandspolizeilichen Maßnahmen die erforderlichen Schutzgerüste in das Eigentum der verpflichteten Hauseigentümer übergehen ist die Ausführung eines Holzgerüstes, hinsichtlich der Materialkosten, im Gegensatz zu einem Fertiggerüst kostengünstiger." Die Beschwerdeführer legten daraufhin der belangten Behörde mit ihrer Stellungnahme vom das sich auf einen Betrag von EUR 1.092,-- belaufende Angebot (Netto ohne Mehrwertsteuer) eines einschlägigen Unternehmens zur Errichtung eines Mietgerüsts vor, das - wie die Beschwerdeführer meinen - für den vorliegenden Sicherungszweck ausreichend und weitaus günstiger gewesen wäre. Die belangte Behörde jedoch stützte ihre Entscheidung auf die besagte Stellungnahme, der sich aber die ihrer Einschätzung betreffend die Kostengünstigkeit zu Grunde liegenden Überlegungen nicht entnehmen lassen und die sich damit als nicht nachvollziehbar erweist. Zudem kann angesichts des Vorbringens der Beschwerdeführer nicht gesagt werden, dass dieses unsubstantiiert sei.
3.4. Insofern hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
3.5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am