VwGH vom 23.07.2009, 2006/05/0196

VwGH vom 23.07.2009, 2006/05/0196

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des M M in Wien, vertreten durch Dr. Michael Ambrosch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 83/5, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-366/05, betreffend eine Bauangelegenheit (als Bauwerber und Grundmiteigentümer mitbeteiligte Parteien: 1. C F, 2. K W, 3. Dipl. Ing. W K, 4. M K,

5. Mag. B H, 6. Dr. K M, 7. N M, 8. Dr. K S 9. R T 10. Dr. M K, und 11. Dr. O S, alle in Wien und vertreten durch Dr. Josef Lachmann, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Garnisongasse 7/12A), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 sowie den mitbeteiligten Parteien Nr. 6 bis 11, Dr. K M, N M, Dr. K S, R T, Dr. M K, und Dr. O S, Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Bescheid der Magistratsabteilung 37/7 vom enthält folgenden Spruch:

"Nach Maßgabe des mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Planes, der einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildet, wird gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO), in Verbindung mit § 68 Abs. 1 BO, die Bewilligung erteilt, auf der im Betreff genannten Liegenschaft die nachstehend beschriebene Bauführung vorzunehmen:

Im Bereich des hofseitigen Flachdaches oberhalb der Dachgeschoße beider Gassentrakte soll anstelle der bewilligten Stahlbetondecke eine Massivdecke in einer Holzkonstruktion hergestellt werden.

Die Bauführung wird in öffentlich-rechtlicher Beziehung für zulässig erklärt."

An die Erteilung der Baubewilligung wurde eine Reihe von Vorschreibungen geknüpft.

Die dagegen (u.a.) vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Aus der Begründung dieses Bescheides ergibt sich im Wesentlichen Folgendes: Gemäß § 63 Abs. 1 lit. c der Bauordnung für Wien (BO) sei für Baubewilligungsverfahren der Nachweis der Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer) vorzulegen, wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist.

Im vorliegenden Fall hätten die Bauwerber nicht über sämtliche Miteigentumsanteile an der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft verfügt. Der Beschwerdeführer sei ebenfalls Miteigentümer dieser Liegenschaft und habe dem Bauprojekt nicht zugestimmt. Hinsichtlich der Frage, ob seine Zustimmung vorliege, komme dem Beschwerdeführer Parteistellung im Bewilligungsverfahren zu. Beim Wohnungseigentum ersetze der Nachweis eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Mehrheitsbeschlusses und der Bestätigung des Gerichts, dass die Minderheit das Gericht nicht angerufen habe, die fehlende Zustimmung von Miteigentümern. Das gleiche gelte, wenn das Gericht den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses rechtskräftig abgewiesen habe. Im vorliegenden Fall hätten die Miteigentümer der gegenständlichen Liegenschaft mit der Mehrheit von 50,43 % der Liegenschaftsanteile mittels Umlaufbeschlusses den Beschluss getroffen, die dem vorliegenden Bewilligungsverfahren zugrunde liegende Einreichung bei der Baubehörde einzureichen. Das Abstimmungsergebnis sei am an der Hausanschlagstafel angeschlagen worden. Diese Feststellungen seien vom Bezirksgericht Josefstadt in seinem Beschluss vom getroffen worden. In diesem Beschluss sei das Begehren jener Personen, die auch die vorliegende Berufung eingebracht hätten, auf Feststellung der Unwirksamkeit des genannten Beschlusses abgewiesen worden. Ebenso habe das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs mit Beschluss vom nicht Folge gegeben. Nach Auskunft des Bezirksgerichts Josefstadt sei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien innerhalb der vorgesehenen Frist kein Revisionsrekurs eingebracht worden. Da sohin rechtskräftig vom zuständigen Gericht der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses der Mehrheit der Liegenschaftseigentümer nach Eigentumsanteilen zur Einreichung des vorliegenden Bauansuchens abgewiesen worden sei, ersetze dieser Gerichtsbeschluss die fehlende Zustimmung (auch) des Beschwerdeführers für das Vorhaben.

Nicht nachvollziehbar seien die Berufungsausführungen, wonach die Baubehörde zur Hintanhaltung von Schäden gelindere Mittel auftragen hätte können, weil vorliegend kein Bauauftrag, sondern eine Baubewilligung erteilt worden sei. Soweit im Verfahren vor der Behörde erster Instanz Verfahrensfehler unterlaufen sein sollten, weil der Beschwerdeführer dem Verfahren nicht beigezogen bzw. ihm Parteiengehör nicht gewährt worden wäre, so sei darauf hinzuweisen, dass diese etwaigen Mängel durch das ordnungsgemäß durchgeführte Berufungsverfahren als geheilt zu erachten seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Auch die mitbeteiligten Parteien Nr. 6 bis 11 erstatteten eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0214, Slg. Nr. 14.863 A (das im angefochtenen Bescheid angesprochen wird) festgehalten, dass dem Miteigentümer im baubehördlichen Bewilligungsverfahren ausschließlich deshalb Parteistellung eingeräumt wird, um ihm die Möglichkeit zu geben, sein Recht nach § 63 Abs. 1 lit. c BO wahrzunehmen, nicht aber, um ihm darüber hinausgehende Rechte zu gewähren. Der Sinn der Regelung des § 63 Abs. 1 lit. c leg. cit. liegt darin, dass die Baubehörde nur solche Bewilligungen erteilt, die von der Zustimmung des Grundeigentümers bzw. der übrigen Miteigentümer getragen sind, um auf diese Weise auch die zivilrechtliche Verwirklichung des Bauvorhabens sicher zu stellen.

Weiters ergibt sich aus dem besagten Erkenntnis, dass nach der dort angesprochenen Novellierung des WEG der die Zustimmung der Minderheit ersetzende Beschluss des Außerstreitrichters nach der neuen Rechtslage durch den konstitutiven Beschluss der Mehrheit der Miteigentümer bei Untätigkeit der Minderheit abgelöst und der Mehrheit keine Möglichkeit mehr eingeräumt wird, ihren Beschluss durch Gerichtsentscheid sanktionieren zu lassen, weshalb der unangefochtene Mehrheitsbeschluss, wenn alle übrigen Voraussetzungen gegeben sind, auch baurechtlich das Zustimmungserfordernis suppliert, weshalb nunmehr der Bauwerber nachweisen muss, dass ein Beschluss der Mehrheit iSd WEG zustande kam.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer dem in Rede stehenden Bauansuchen nicht zustimmte.

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die oben wiedergegebenen Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dass die dem vorliegenden Bewilligungsverfahren zugrunde liegende Einreichung von der Mehrheit der Miteigentümer (nach Liegenschaftsanteilen) getragen wurde und der Antrag (u.a.) des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses rechtskräftig abgewiesen wurde.

Bei dieser Sachlage kann auf dem Boden der beschriebenen Rechtslage die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Nachweis der Zustimmung der Miteigentümer iSd § 63 Abs. 1 lit. c BO gegeben war, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Angesichts der auf die Frage der Wahrnehmung des Rechts nach § 63 Abs. 1 lit. c BO beschränkten Parteistellung des Miteigentümers ist auch nicht zu sehen, dass die belangte Behörde mit Blick auf die genannte Bestimmung den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt bzw. den angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet hätte. Gleiches gilt für die Rüge, die belangte Behörde habe das Recht auf Parteiengehör verletzt, zumal es die Beschwerde unterlässt darzutun, welches Vorbringen der Beschwerdeführer erstattet hätte, das die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte führen können.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war jedoch aus folgenden Gründen nicht erforderlich:

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom , Zl. 7401/04 (Hofbauer Nr. 2/Österreich) und vom , Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlicher Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit den Verfahren betreffend "ziemlich technische" Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0278).

Wien, am