VwGH 14.04.2016, 2013/06/0205
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Das Baubewilligungsverfahren ist ein Projektgenehmigungsverfahren (Hinweis E vom , 2013/06/0129). Gegenstand der Beurteilung durch die Baubehörde hat daher ausschließlich das eingereichte Projekt zu sein. Es kann dahingestellt bleiben, ob für das gegenständliche Bauvorhaben Pflichtabstellplätze geschaffen werden müssten. Ein Nachbarrecht, dass solche errichtet werden und damit in weiterer Folge Immissionen, die von diesen herrühren, zu beurteilen wären, besteht nämlich nicht. |
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RS 2 | Der Nachbar hat kein Recht darauf, dass sich durch das Bauvorhaben die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen und die daraus resultierenden Lärm- und Geruchsbelästigungen nicht verschlechtern. |
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RS 3 | Maßgebend für die Beurteilung der Immissionen ist - mangels anderer gesetzlicher Regelung (vgl. z.B. nunmehr für das Kerngebiet § 30 Abs. 1 Z 3 Stmk ROG 2010) - die Widmung des Baugrundstückes (Hinweis E vom , 2010/06/0003). |
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RS 4 | Bei der Zulässigkeit von Immissionen aus dem Blickwinkel der Flächenwidmung ist das sogenannte Widmungsmaß des Baugrundstückes insofern maßgeblich, als die Summe (Summenmaß) der vorhandenen Grundbelastung (Ist-Maß) und der aus dem Projekt herrührenden Zusatzbelastung (Prognosemaß) dieses Widmungsmaß nicht überschreiten darf. Wenn die Ist-Situation bereits über dem Widmungsmaß liegt, ist zwar der Gebietscharakter durch die das Widmungsmaß bereits übersteigenden Immissionen gekennzeichnet, jede weitere Überschreitung dieses das Widmungsmaß bereits übersteigenden Ist-Maßes durch eine weitere Baumaßnahme ist aber nicht mehr zulässig (Hinweis E vom , 2010/06/0189). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde des DI H K in Z, vertreten durch Dr. Helmut Fetz, Dr. Birgit Fetz und Mag. Gerhard Wlattnig, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, Hauptplatz 11, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. ABT13-12.10-Z51/2013-5, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. H B in Z; 2. Stadtgemeinde Z), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Eingabe vom beantragte der Erstmitbeteiligte die Baubewilligung für den Um- und Zubau beim bestehenden Objekt H-Straße 53 Grundstück Nr. .509, EZ 475, KG Z., zwecks Errichtung eines Bordells. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des nördlich der Bauliegenschaft gelegenen, von dieser durch die H-Straße getrennten Grundstückes Nr. 199/4, H-Straße 56.
2 Bei der mündlichen Bauverhandlung am wurde zunächst festgehalten, dass das Baugrundstück als Kerngebiet gewidmet ist. Das Bordell solle von Montag bis Sonntag jeweils von 10.00 Uhr bis 21.00 Uhr Zimmerbetrieb und jeweils von 21.00 Uhr bis 5.00 Uhr Zimmerbetrieb sowie Barbetrieb haben. Hinsichtlich der Verpflichtung zur Schaffung von Abstellflächen wurde ausgeführt, dass sich der Bedarf an Abstellplätzen gegenüber dem bisherigen Zustand (Mehrfamilienwohnhaus) nicht erhöhen werde, weshalb eine Vorschreibung zur Schaffung von Abstellflächen entfallen könne. Im Westen solle eine Außentreppe abgetragen und an deren Stelle eine Überdachung gebaut werden. Ebenso solle im östlichen Bereich eine Überdachung samt neuem Objektzugang hergestellt werden. Der Beschwerdeführer erhob Einwendungen, unter anderem betreffend Lärmerregung.
3 Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung einiger Auflagen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Bordell sei als Vergnügungsstätte im Kerngebiet zulässig, wobei damit auch kein Immissionsschutz bestehe, denn der Immissionsschutz des Kerngebietes beziehe sich nicht auf die im Gesetz angeführten gebietstypischen Nutzungen. Bei der Beurteilung des Vorhabens sei grundsätzlich von rechtskonformem Verhalten der Benutzer auszugehen. Ein allfälliges strafbares Verhalten von Besuchern (ungebührliche Lärmerregung etc.) sei von den jeweils zuständigen Organen zu ahnden.
4 Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung. 5 Zur schalltechnischen Beurteilung wurde in der Folge ein Gutachten des Amtssachverständigen Ing. B. vom eingeholt. Dieser legte im Wesentlichen dar, dass die Planungsrichtwerte für das Kerngebiet gemäß der ÖNORM S5021 für den Beurteilungszeitraum Tag (6.00 Uhr bis 19.00 Uhr) mit 60 dB, für den Beurteilungszeitraum Abend (19.00 Uhr bis 22.00 Uhr) mit 55 dB und für den Beurteilungszeitraum Nacht (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) mit 50 dB definiert seien. Im Erdgeschoss werde südostseitig ein Gastraum von 51,57 m2 errichtet, der Richtung Südwesten eine Türöffnung aufweise. Weiters könne der Gastraum über einen Vorraum durch eine nordöstliche Eingangstür betreten werden. Im Inneren des Gastraumes werde Musik in Form von Hintergrundmusik dargeboten, bei einzelnen Tanzvorführungen könne aber durchaus ein Innenpegel von 85 dB vorherrschen. Grundsätzlich seien alle Fenster des Lokals geschlossen. Eine Ausnahme stelle nur das Lüften durch das Reinigungspersonal bei Tag dar. Die Eingangstüren würden mit Selbstschließern versehen. Die WC-Anlagen bzw. Duschen und der Gastraum würden über eine Abluftleitung über Dach entlüftet. Ein Schallemissionswert dieser Entlüftung liege nicht vor. Pkw-Stellflächen seien nicht geplant. Aus schalltechnischer Sicht seien die Schallquellen Ablüftöffnung über Dach und südwestliche Eingangstür von Relevanz. Die übrigen Emittenten seien qualitativ so gering, dass sie nicht geeignet seien, auch bei ruhigen Verhältnissen (Verkehrspausen) relevant in Erscheinung zu treten. Für die Abluftöffnung wäre die Auflage vorzuschreiben, dass sie in 1 m Entfernung den Wert von 50 dB nicht überschreite und das Geräusch keine messbaren tonalen Komponenten enthalte. Bei Einhaltung dieser Auflage sei davon auszugehen, dass das Dauergeräusch, das die Abluftanlage verursache, bei der nächstgelegenen Nachbarschaft Werte um die 20 dB erreiche. Auf Grund eines Ortsaugenscheines und von Erfahrungswerten könne davon ausgegangen werden, dass im gegenständlichen Gebiet ein Basispegel von ca. 30 dB vorherrsche. Durch das Dazukommen der vorgenannten 20 dB der Abluftanlage würden die 30 dB nicht nachträglich verändert. An der Grundstücksgrenze des Baugrundstückes (ca. 10 m Entfernung zur Abluftöffnung) würden bei Einhaltung der genannten Auflage Dauergeräusche um 40 dB erwartet. Dieser Wert stelle exakt den Planungsrichtwert für zulässige Basispegel der ÖNORM S5021 für ein Kerngebiet in den Nachtstunden dar. Bezüglich der südwestlichen Eingangstür sei anzunehmen, dass diese zum Betreten und Verlassen des Lokals in der ungünstigsten Nachtstunde fünf Minuten offenstehe. In diesem Fall werde an der 11 m entfernten, südwestlichen Grundstücksgrenze des Baugrundstückes ein Schallimmissionswert von 45 dB auftreten. Diesem Wert sei ein Zuschlag auf Grund der Informationshaltigkeit des Geräusches von 5 dB hinzuzurechnen. Es sei daher an der Grundgrenze des Baugrundstückes in der ungünstigsten Nachtstunde mit einem Schallimmissionswert von 50 dB zu rechnen. Dieser Wert stelle genau den Planungsrichtwert für zulässige Immissionen eines Kerngebietes in den Nachtstunden dar. Es könne davon ausgegangen werden, dass auf Grund der direkt vorbeiführenden Hauptstraße höhere Schallimmissionswerte vorherrschten als die Planungsrichtwerte. Um die aktuelle Situation nicht weiter zu verschlechtern, werde als Auflage vorgeschlagen, dass in einem Abstand von 2,5 m zur südwestlichen Eingangstür eine weitere Eingangstür anzubringen sei, die in einen sogenannten Windfang eingebaut werde. Diese zweite Eingangstür sei mit einem Türschließer zu versehen. Das bewertete Schalldämmmaß des Windfanges müsse mindestens 25 dB betragen. Bei Einhaltung dieser Auflage könne davon ausgegangen werden, dass der Planungsrichtwert für zulässige Immissionen deutlich unterschritten werde. Die vorherrschende Schallsituation, die vorwiegend durch den Straßenverkehrslärm geprägt sei, werde durch die betriebsspezifischen Schallimmissionen nicht relevant verändert. Bei plan- und projektgemäßem Betrieb und der Einhaltung der genannten Auflagen würden die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse nicht nachteilig verändert. Die ortsübliche Schallsituation sei in den Nachtstunden vorwiegend durch den Verkehrslärm auf der H-Straße und der B-Straße geprägt.
6 Der Beschwerdeführer äußerte sich zu diesem Gutachten in einer Stellungnahme vom ablehnend.
7 Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde der erstinstanzliche Bescheid durch die Vorschreibung der vom Sachverständigen Ing. B genannten Auflagen geändert, im Übrigen aber vollinhaltlich bestätigt.
8 Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. 9 Mit Bescheid vom behob die belangte
Behörde als Vorstellungsbehörde den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde zurück. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, gemäß § 23 Abs. 5 lit. c des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes (ROG) 1974 - diese Bestimmung sei auf Grund des noch nicht nach dem ROG 2010 in Geltung stehenden Flächenwidmungsplanes anzuwenden - seien Kern-, Büro- und Geschäftsgebiete Flächen, die vornehmlich für Verwaltungsgebäude, Büro- und Kaufhäuser, Hotels, Theater, Kirchen, Versammlungsräume, Gast- und Vergnügungsstätten und dergleichen bestimmt seien, wobei auch die erforderlichen Wohngebäude und Garagen in entsprechender Verkehrslage sowie Betriebe, die sich der Eigenart des Büro- und Geschäftsgebietes entsprechend einordnen ließen und keine diesem Gebietscharakter widersprechenden Belästigungen verursachten, errichtet werden könnten. Dementsprechend sei im vorliegenden Fall zu prüfen, ob das beabsichtigte Bauvorhaben dem Gebietscharakter widersprechende Belästigungen verursache. Im Ergebnis habe es nun zwar eine konkrete Ermittlung der auftretenden spezifischen Schallimmissionen gegeben, jedoch sei eine fachlich fundierte und korrekte Ermittlung des Ist-Maßes unterblieben. Daher könne auch nicht nachvollziehbar das sogenannte Summenmaß gebildet werden. Das vorliegende Gutachten sei daher mit einem wesentlichen Mangel behaftet und somit fachlich nicht richtig und nicht nachvollziehbar. Zur Behebung des Mangels sei es unumgänglich, das Ist-Maß fachlich richtig und nachvollziehbar zu ermitteln.
10 Der Amtssachverständige Ing. B. ergänzte in der Folge seine Ausführungen durch eine Stellungnahme vom , der auch ein Geräuschmessbericht angeschlossen war. Die Ist-Situation sei am in der Zeit von 23.00 Uhr bis 24.00 Uhr am Grundstück Nr. 199/4 ermittelt worden. Es habe sich ein energieäquivalenter Dauerschallpegel von 50,6 dB, ein mittlerer Spitzenpegel von 63,4 dB sowie ein Basispegel von 30,5 dB ergeben. Die Ist-Situation sei vorwiegend durch den Verkehrslärm der direkt vorbeiführenden H-Straße und B-Straße geprägt, weiters habe es in der Messzeit eine zweimalige Zugvorbeifahrt (Güterzug) gegeben. Die Ermittlung der betriebsspezifischen Schallimmissionen sei bereits im Gutachten vom dahingehend dargelegt worden, dass ein betriebsspezifisches Dauergeräusch im Bereich des Nachbargrundstückes Nr. 199/4 von 20 dB zu prognostizieren sei. Dieses Geräusch liege mehr als 10 dB unter dem Basispegel der ortsüblichen Schallsituation (30,5 dB) und sei somit nicht geeignet, diese nachteilig zu verändern. Die nunmehr messtechnisch ermittelte Ist-Situation sei geringfügig höher als die ursprünglich im Gutachten angenommene. Die ursprünglich angenommene, niedrigere Ist-Situation werde durch das Bauvorhaben aus schalltechnischer Sicht nicht nachteilig verändert. Es könne somit auch davon ausgegangen werden, dass die geringfügig höhere, messtechnisch ermittelte Ist-Situation nicht nachteilig verändert werde.
11 Der Beschwerdeführer äußerte sich zu den Sachverständigenaussagen in einer Stellungnahme vom ablehnend.
12 Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde der erstinstanzliche Bescheid neuerlich durch die Ergänzung der oben genannten Auflagen geändert, im Übrigen aber vollinhaltlich bestätigt.
13 Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. 14 Mit Berichtigungsbescheid des Gemeinderates der
mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde die Zeichnungsklausel des Bescheides des Gemeinderates vom durch die Einfügung der Wendung "Für den Gemeinderat" ergänzt.
15 Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Messtag bzw. Messzeitpunkt seien so gewählt worden, um ein möglichst repräsentatives und nachvollziehbares Ergebnis im Beurteilungszeitraum Nacht vor allem hinsichtlich der vorherrschenden Verkehrsträger Schiene und Straße zu erreichen. Eine Messung vor 23.00 Uhr hätte eine höhere Anzahl an Kfz-Fahrbewegungen von Schichtarbeitern, eine Messung nach 1.00 Uhr eine höhere Anzahl von Güterzugsbewegungen zur Folge gehabt. In der Messzeit von 23.00 Uhr bis 0.00 Uhr seien 46 Pkw-Fahrbewegungen registriert worden. Diese Zahl sowie auch die Information, dass in diesem Messzeitraum zweimal die Eisenbahn hörbar gewesen sei, hätten nur als Zusatzinformation gedient. Für die weitere Beurteilung seien diese Werte nicht herangezogen worden, auch ein irrtümlich aufgezeigter Wert von 92 Pkw sei somit nicht Grundlage der Beurteilung gewesen. Bezüglich der Forderung, Schallpegelspitzen zu beurteilen, sei festzustellen, dass Kfz-Fahrbewegungen (auch Parkvorgänge mit Türschlagen), die nicht auf dem Baugrundstück erfolgten, nicht Gegenstand der schalltechnischen Beurteilung seien. Auch sonst seien keine relevanten Schallpegelspitzen zu erwarten. Ein taugliches Sachverständigengutachten könne in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden. Dies habe der Beschwerdeführer nicht gemacht. Das nunmehr eingeholte lärmtechnische Gutachten sei fachlich korrekt und nachvollziehbar.
16 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
17 Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
19 In der Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, nachdem der Sachverhalt nicht hinreichend erhoben worden sei, habe der Beschwerdeführer selbst Messungen im Zeitraum vom bis durchführen lassen. Diese hätten gezeigt, dass die behördlichen Messungen zwischen 23.00 Uhr und 0.00 Uhr nicht ausreichten, die Ist-Situation hinreichend zu beurteilen. Bei Einrichtungen wie der projektgegenständlichen sei mit vermehrter Frequenz in der Zeit von 0.00 Uhr bis 6.00 Uhr zu rechnen. Die Messungen des Beschwerdeführers zeigten, dass die höchstzulässigen Grenzwerte auf seiner Liegenschaft nicht eingehalten seien. Die vom Amtssachverständigen genannten, am gemessenen Werte würden übertroffen. Im Hinblick darauf, dass die Lärmbelastung sämtlicher Zeiträume eines 24- Stunden-Tages bereits im gesundheitsgefährdenden Bereich liege, sei es keinesfalls unbeachtlich, welche zusätzlichen Geräusche durch den Betrieb des Bauprojektes, auch auf öffentlichen Straßen, verursacht würden. Hier wären die Schallpegelspitzen zu beachten und ein medizinischer Sachverständiger zur Beurteilung heranzuziehen gewesen. Die Parkplatzproblematik bleibe ungeklärt. Da die für den Betrieb erforderlichen Parkmöglichkeiten ausgeklammert geblieben seien, seien auch die Zu- und Abfahrten und die auf Grund von Parkvorgängen zusätzlich hervorgerufenen Immissionen nicht beurteilt worden. Es hätten Abstellflächen geschaffen werden müssen. Eine Begründung dafür, weshalb der Zeitraum von 0.00 Uhr bis 6.00 Uhr bei der Beurteilung der Immissionen ausgeklammert bleiben solle, fehle. Die vom Beschwerdeführer als unrichtig aufgezeigte Annahme der Entfernung seiner Liegenschrift sowie die nicht nachvollziehbare Berechnung zur Schallausbreitung würden in der Bescheidbegründung nicht thematisiert. Der Hinweis, Schallpegelspitzen seien nicht zu beurteilen, da sie nicht am Baugrundstück erfolgten, vermöge nicht zu überzeugen. Die einschlägige ÖNORM S5012 sei dabei nicht ausreichend gewürdigt worden, zumal die Pegelspitzen und Immissionen, ausgehend von Parkplätzen, nicht untersucht worden seien, obwohl diese Beurteilungskriterien ausdrücklich in der ÖNORM enthalten seien. Bereits geringfügige, zusätzliche und hier zu erwartende, zum Teil jedoch unzureichend festgestellte Belastungen überschritten das vorliegende Widmungsmaß in unzulässiger Weise. Die gesamte Lärmsituation sei daher unrichtig beurteilt worden. Im Hinblick auf die Mängel der behördlichen Begutachtung sei es nicht erforderlich, dass dieser auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten werde. Die Behörde wäre verpflichtet gewesen, von Amts wegen Pkw-Abstellplätze vorzuschreiben. Dann hätte sie auch die Lärmimmissionen, die von diesen ausgingen, beurteilen müssen. Wenn schon eine Begutachtung ohne Einbeziehung verpflichtend zu schaffender Parkflächen eine Immissionserhöhung bewirke, welche Belastung sei dann bei Berücksichtigung der Parkplätze zu erwarten? In diesem Zusammenhang stehe dem Nachbarn ein Schutz zu. Durch die Realisierung des Projektes komme es zu Zu- und Abfahrten zur bzw. von der Bauliegenschaft. Dies wäre zu berücksichtigen gewesen. Gegen das Neuerungsverbot werde nicht verstoßen, da die Behörden das Vorbringen des Beschwerdeführers bisher nicht ausreichend gewürdigt hätten.
20 Gemäß § 26 Abs. 1 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (BauG) kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn sich diese auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen). Das sind gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 BauG Bestimmungen über die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan und einem Bebauungsplan, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist.
21 Tragender und somit auch den Verwaltungsgerichtshof im weiteren Verfahren bindender Aufhebungsgrund des unbekämpft gebliebenen Vorstellungsbescheides vom war, dass eine korrekte Ermittlung des Ist-Maßes an Schallimmissionen unterblieben ist. Logische Voraussetzung dafür ist, dass dem Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall ein Nachbarrecht auf der Grundlage der von der Vorstellungsbehörde als maßgebend erachteten Rechtslage in Bezug auf Immissionen zukommt.
22 Das Baubewilligungsverfahren ist ein Projektgenehmigungsverfahren (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/06/0129). Gegenstand der Beurteilung durch die Baubehörde hat daher ausschließlich das eingereichte Projekt zu sein. Es kann dahingestellt bleiben, ob für das gegenständliche Bauvorhaben Pflichtabstellplätze geschaffen werden müssten. Ein Nachbarrecht, dass solche errichtet werden und damit in weiterer Folge Immissionen, die von diesen herrühren, zu beurteilen wären, besteht nämlich nicht. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere. Zu ergänzen ist, dass der Nachbar auch kein Recht darauf hat, dass sich durch das Bauvorhaben die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen und die daraus resultierenden Lärm- und Geruchsbelästigungen nicht verschlechtern (vgl. die bei Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht,
5. Auflage, S. 350 unter Z 214 zitierte hg. Judikatur). 23 Maßgebend für die Beurteilung der Immissionen ist im Übrigen - mangels anderer gesetzlicher Regelung (vgl. z.B. nunmehr für das Kerngebiet § 30 Abs. 1 Z 3 ROG 2010) - die Widmung des Baugrundstückes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0003).
24 Bei der Zulässigkeit von Immissionen aus dem Blickwinkel der Flächenwidmung ist das sogenannte Widmungsmaß des Baugrundstückes insofern maßgeblich, als die Summe (Summenmaß) der vorhandenen Grundbelastung (Ist-Maß) und der aus dem Projekt herrührenden Zusatzbelastung (Prognosemaß) dieses Widmungsmaß nicht überschreiten darf. Wenn die Ist-Situation bereits über dem Widmungsmaß liegt, ist zwar der Gebietscharakter durch die das Widmungsmaß bereits übersteigenden Immissionen gekennzeichnet, jede weitere Überschreitung dieses das Widmungsmaß bereits übersteigenden Ist-Maßes durch eine weitere Baumaßnahme ist aber nicht mehr zulässig (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/06/0189).
25 Ausgehend davon ist angesichts der geplanten Betriebszeit des Bauvorhabens bis 5.00 Uhr die behördliche Begründung (die im Übrigen nicht auf Ausführungen eines Sachverständigen beruht) dafür, weshalb Immissionsberechnungen für die Zeit nach 0.00 Uhr nicht erforderlich sein sollten, nicht nachvollziehbar. Im Hinblick auf das Summenmaß ist es auch ohne nähere Begründung nicht nachvollziehbar, weshalb vermehrter Pkw-Verkehr in der Zeit vor 23.00 Uhr bzw. vermehrter Zugverkehr in der Zeit nach 0.00 Uhr keine Relevanz haben sollte. Im gegebenen Zusammenhang ist der Beschwerdeführer wegen dieser auf falscher Rechtsansicht der belangten Behörde basierender Begründungsmängel, die sich eben auch durch die Äußerungen des Amtssachverständigen nicht ausräumen lassen, im Recht, dass er dem Gutachten des Amtssachverständigen nicht durch ein Gegengutachten entgegentreten musste.
26 Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
27 Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
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Schlagworte | Planung Widmung BauRallg3 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9 Baurecht Nachbar |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:2013060205.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAE-80555