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VwGH 22.12.2015, 2013/06/0201

VwGH 22.12.2015, 2013/06/0201

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
AVG §8;
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §8 Abs1;
BauRallg;
RS 1
Dem Nachbarn kommt zwar nach dem Katalog des § 26 Abs. 1 Vlbg BauG 2001 kein eigenes Nachbarrecht auf Einhaltung der Flächenwidmung zu. In gewissem Sinne ist ein solches Recht aber mittelbar über die Voraussetzungen des § 8 Vlbg BauG 2001 geregelt. § 8 Vlbg BauG 2001 enthält keinen allgemeinen Immissionsschutz. Es handelt sich vielmehr um eine Ausnahmeregelung für Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen mit einem aus dem ortsüblichen herausfallenden Verwendungszweck. Ist eine bestimmte Widmungskategorie für das Baugrundstück festgelegt, so sind die Immissionen, die sich im Rahmen des in einer solchen Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, als zumutbar anzusehen (Hinweis E vom , 2006/06/0152, und E vom , 2010/06/0164).
Normen
BauG Vlbg 2001 §8;
BauRallg;
RPG Vlbg 1996 §18 Abs3;
RS 2
Wenn die Kriterien des § 18 Abs. 3 Vlbg RPG 1996 erfüllt sind, ist grundsätzlich keine Verletzung des durch § 8 Vlbg BauG 2001 gewährten Nachbarschutzes anzunehmen.
Normen
BauG Vlbg 2001 §2 Abs1 litk;
BauG Vlbg 2001 §8;
BauRallg;
RPG Vlbg 1996 §18 Abs3;
RS 3
Bei der baubehördlichen Bewilligung muss im Hinblick auf § 8 Vlbg BauG 2001 eine konkrete Nutzung feststehen (Hinweis E vom , 2008/06/0242). Diesem Erfordernis wird mit der Angabe der Raumwidmung "Multifunktionswirtschaftsraum" nicht Genüge getan.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde des H V in L, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom , Zl. BHBR-I-3300.00-2013/0003, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. E G und 2. U G, beide in L, beide vertreten durch Dr. Sepp Manhart, Dr. Meinrad Einsle und Dr. Rupert Manhart, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Römerstraße 19; 3. Marktgemeinde L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom beantragten die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Gerätehalle mit Mistlager und "Funktionsänderungen im Bestand" auf den Grundstücken Nr. 1285/1 und 1285/2, KG L.

Die Bauliegenschaft grenzt im Norden an einen Weg, jenseits dessen sich das Grundstück Nr. 1259/1, EZ 2167, KG L befindet, das im Eigentum des Beschwerdeführers steht.

Nach den eingereichten Plänen ist ein Neubau geplant, bestehend aus einem Geräteeinstellraum für kraftstoffbetriebene Fahrzeuge, einer Geräteeinstellhalle und einem überdachten Mistlager. Ferner sollen ein Durchfahrtsbereich zum Innenhof, ein Stroh- und Heulager, zwei Geräteeinstellräume nur für Kleingeräte (keine kraftstoffbetriebenen Fahrzeuge) und ein Vordach bewilligt werden. Nutzungsänderungen sollen stattfinden von einem Verkaufsladen zu einem rollstuhlgerechten Doppelzimmer, von einem Wintergarten zu einem Hofladen "neu" und von einem weiteren Raum zum "Mehrfunktionswirtschaftsraum 2".

Im Gutachten des Amtssachverständigen für Landwirtschaft Ing. M vom wird dazu ausgeführt, es seien ein Geräteeinstellraum und ein überdachtes Mistlager mit einer Gesamtfäche von 160,45 m2 geplant. Zwei Drittel dieser Gebäudefläche sollten zur Unterstellung landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte dienen, wobei die Hälfte dieses Geräteeinstellraumes baulich und brandschutztechnisch so ausgeführt werde, dass motorbezogene Maschinen eingestellt werden könnten. Ein Drittel der Gebäudegrundrissfläche solle der Zwischenlagerung des aus der Viehhaltung anfallenden Wirtschaftsdüngers dienen (überdachtes Festmistlager). Im Befund des Gutachtens wird weiters unter anderem ausgeführt, der Mehrfunktionswirtschaftsraum "neu" sei als Werkstätte eingerichtet. Nicht betroffen vom Bauvorhaben seien die beiden Ferienwohnungen, die mit Bescheid vom behördlich bewilligt worden seien. Sie seien daher nicht Gegenstand der Prüfungen.

In der Folge beschrieb der Sachverständige den Betrieb, die Tierhaltung, den Lebensmittelverkauf, die Flächenbewirtschaftung u.a. Des weiteren wurde dargelegt, der Betrieb bewirtschafte insgesamt 4,15 ha Grün-/Ackerland. Die im Betrieb gehaltenen Tiere würden, abgesehen von der notwendigen Strohzufütterung bei den Pferden und entsprechendem Ergänzungsfutter für Geflügel, gänzlich mit selbsterzeugtem Futter ernährt. Die bewirtschafteten Nutzflächen würden mit dem aus der Tierhaltung anfallenden Wirtschaftsdünger gedüngt.

Bodenabhängigkeit sei somit derzeit gegeben. An Tätigkeiten seien die Flächenbewirtschaftung (Grünlandbau, Ackerwirtschaft, Obstbau), Fleischproduktion (Geflügel, Schweine), Pferdezucht, Be- und Verarbeitung sowie Vermietung und Einstellung von Reittieren zu nennen. Unter näheren konkreten Bezifferungen hinsichtlich der einzelnen Tätigkeiten kommt der Sachverständige zu dem Schluss, dass sich eine Unterordnung des Vermietens und Einstellens von Reittieren (31 %) zur landwirtschaftlichen Haupttätigkeit (69 %) ableiten lasse.

Zur Notwendigkeit des Bauvorhabens führte der Sachverständige aus, der Flächenbedarf für die Remisierung der im Betrieb eingesetzten Maschinen und Geräte werde anhand des Berichtes Nr. 590, "Raumbedarf für Remisen und Einzelmaschinen) der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik" ermittelt. Es ergebe sich eine erforderliche Gesamteinstellfläche von 221 m2. Mit Bescheid vom seien 37 m2 an Geräteeinstellfläche bewilligt worden, mit Bescheid vom weitere 114 m2, insgesamt somit 151 m2. Nach den Einreichunterlagen vom seien derzeit noch ca. 73 m2 an Maschineneinstellfläche in Verwendung. Im Laufe der Zeit seien ehemals als Maschineneinstellraum bewilligte Gebäudeteile vorrangig für Lagerungs- und Abstellzwecke von Futtermitteln und anderen Utensilien beansprucht worden. Der derzeitige Bedarf an Unterstellfläche belaufe sich somit auf ca. 148 m2. Im geplanten Objekt sollten in zwei separaten Räumlichkeiten insgesamt ca. 105 m2 Remisenfläche neu geschaffen werden. Die verbleibende Restfläche von ca. 43 m2 könne durch Herstellen einer entsprechenden Ordnung in Räumlichkeiten des bestehenden Wirtschaftsgebäudes problemlos geschaffen werden.

Bei der Tierhaltung falle nahezu ausschließlich Festmist an, der bis zur Ausbringung auf den Grünland-/Ackerflächen zwischengelagert werden müsse. Derzeit stünden keine befestigten Dunglagerstätten zur ordnungsgemäßen Lagerung des anfallenden Wirtschaftsdüngers zur Verfügung. Mit dem geplanten Bauvorhaben werde den wasserrechtlichen Bestimmungen entsprochen. Die Überdachung der Festmistlagerfläche stelle einerseits eine Verbesserung der Geruchsemission dar und ergebe sich andererseits aus kostenrechnerischen Überlegungen. Das geplante Bauvorhaben und die betrieblichen Umnutzungen seien mit § 18 Abs. 3 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes (RPG) vereinbar, ausgenommen lediglich, dass der Verkauf von Getreide und Brot wegen des ausschließlichen Zukaufs der Urprodukte bzw. der fehlenden Eigenproduktion kein landwirtschaftliches Betätigungsfeld darstelle und im Verkaufsladen nur eigene Urprodukte bzw. selbst erzeugte be- und verarbeitete Produkte, die im Rahmen des Verarbeitungsnebengewerbes möglich seien, zum Verkauf angeboten werden dürften.

Bei der mündlichen Verhandlung am erhob der Beschwerdeführer Einwendungen insbesondere dahingehend, dass es sich nicht um eine Landwirtschaft, sondern um einen Gewerbebetrieb handle (wurde näher ausgeführt). Die Verlegung des Mistlagers sei für die Nachbarn mit unzumutbaren und vermeidbaren Geruchs- und Lärmbelästigungen verbunden. Das neu geplante Mistlager sei wesentlich näher bei den Nachbarn situiert. Bisher sei der Mist am genehmigten Lagerplatz auf der den Nachbarn abgewandten Seite der Gebäude gelagert gewesen. Die Einrichtung einer Werkstätte im bisherigen Funktionswirtschaftsraum stelle eine unzumutbare zusätzliche Lärmbelästigung dar. Es sei nicht angegeben worden, welche Arbeiten dort überhaupt durchgeführt werden sollten. Durch den Neubau einer Geräteeinstellhalle seien die Nachbarn weit mehr belastet als bei der Nutzung des bisherigen Geräteeinstellplatzes, weil es dann keine räumliche Abtrennung mehr durch die bisherige Stallfläche gebe und für die Nachbarn damit jede Bewegung von Geräten, Maschinen und Fahrzeugen eine zusätzliche Lärmbelastung bedeutete. Auch der Mistplatz am neuen Ort würde unnötigen neuen Verkehr mit sich bringen.

In der Folge erstattete der Beschwerdeführer eine ergänzende Stellungnahme vom .

Dazu äußerten sich die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien in einem Schreiben vom .

Der Amtssachverständige Ing. M erstattete in der Folge eine ergänzende Stellungnahme vom . Die einzelnen Tätigkeiten des Betriebes wurden nochmals, unter Zugrundelegung etwas geänderten Zahlenmaterials, dargestellt. Der Sachverständige kommt zu dem Schluss, dass sich eine Unterordnung des Vermietens und Einstellens von Reittieren (21 %) zur landwirtschaftlichen Haupttätigkeit (79 %) ergebe. Die ehemals angebotenen Aktivitäten "Schlafen im Heu" und "Seminarangebote" würden nicht mehr durchgeführt. Hinsichtlich der Ferienwohnungen verwies der Sachverständige erneut auf den Bescheid vom .

Mit Schreiben vom äußerte sich der Beschwerdeführer dazu ablehnend.

Zu diesem Schreiben wurde eine Stellungnahme der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien vom abgegeben.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde die beantragte Baubewilligung mit mehreren Auflagen erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid der Berufungskommission der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde der Berufung keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Vorstellung abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, das Baugrundstück sei als Freifläche-Landwirtschaft gewidmet. Das ortsübliche Ausmaß an Immissionen im Sinne des § 8 Vorarlberger Baugesetz (BauG) sei sohin an dieser Flächenwidmung zu messen. Wie sich aus dem Sachverhalt eindeutig ergebe, sei es von vornherein nicht als unüblich anzusehen, dass es in der Nähe einer Landwirtschaft nach Mist rieche oder dass Maschinenlärm erzeugt werde. Durch die Gerätehalle mit Mistlager, die ausschließlich dem Zweck der Landwirtschaft dienen solle, seien keine das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Beeinträchtigungen des Nachbarn zu erwarten. Nach dem landwirtschaftlichen Gutachten vom führe das Bauprojekt sogar zu einer Verbesserung der Geruchs- und Lärmbelästigungen für die Nachbarn. Die vom Beschwerdeführer behauptete unzumutbare Geruchs- und Lärmbelästigung bleibe unbescheinigt. Bei der baubehördlichen Überprüfung am seien nur geringfügige Änderungen von Gebäuden und mehrere Funktionsänderungen festgestellt worden. Das Parteiengehör des Beschwerdeführers sei stets gewahrt worden (wurde näher ausgeführt). Es sei nicht ersichtlich, welche weiteren Kalkulationsunterlagen der Beschwerdeführer einzusehen wünsche. Der Beschwerdeführer habe nicht nachvollziehbar dargetan, weshalb der diesbezüglich behauptete Verfahrensmangel wesentlich sei. Allein die Behauptung, ein anderer Sachverständiger wäre zu einem anderen Ergebnis gekommen, sei nicht ausreichend, dem Sachverständigengutachten entgegenzutreten. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, am Sachverständigengutachten zu zweifeln, zumal der Sachverständige akkurat die Grundlagen seiner Schlussfolgerungen angeführt habe. Es gebe daher keine Anhaltspunkte, an der Richtigkeit, Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit des Gutachtens sowie der Ergänzung durch den Sachverständigen zu zweifeln. Trotz vorhandener Möglichkeiten sei der Beschwerdeführer dem Gutachten des Sachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene durch ein Gegengutachten entgegengetreten. Nach dem Gutachten seien die baulichen Maßnahmen aus landwirtschaftlicher Sicht notwendig und werde den Bestimmungen des § 18 Abs. 3 RPG entsprochen. Gutachtlich sei auch festgestellt, dass es sich um einen landwirtschaftlichen Betrieb handle. Der Sachverständige habe auch den tatsächlich bestehenden Flächenbedarf der Bauwerber festgestellt. In der Gutachtensergänzung vom habe der Sachverständige erläutert, welche Mengen an Fleisch- und Wurstprodukten aus den von den Bauwerbern gehaltenen Tieren gewonnen würden. Dies sei mit den Angaben der Bauwerber im Einklang. Im ergänzenden Gutachten werde ausdrücklich auch auf über das Jahr hindurch laufende, teils starke Schwankungen in der Flächenbewirtschaftung, in den Leistungsabgeltungen und besonders in der Tierhaltung hingewiesen. Außerdem habe der Sachverständige ausgeführt, dass die Korrektur der erzielten Einnahmen auf Grund der bisher unberücksichtigten Erlöse durch die Direktvermarktung an den Naturkostladen, den Weihnachtsmarkt und den Wochenmarkt erfolge.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 720/2013-14, ablehnte. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen aus, das Beschwerdevorbringen lasse vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (Regelung der Parteirechte in § 26 Abs. 2 BauG und Flächenwidmungsplan betreffend die Baugrundstücke) als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Gegen die Widmung der Baugrundstücke bestünden keine Bedenken.

Mit Beschluss vom , B 720/2013-17, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof ab.

In der vor dem Verwaltungsgerichtshof auftragsgemäß ergänzten Beschwerde werden inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

Das - nunmehr dafür zuständige - Landesverwaltungsgericht Vorarlberg legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien haben eine Gegenschrift erstattet mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, auch wenn Art. 6 EMRK ein unabhängiges Vollgericht verlangt habe, hätte die belangte Behörde wenigstens eine mündliche Verhandlung durchführen und bei dieser kontradiktorisch die Streitfragen abklären müssen. Dieser Verstoß gegen Grundrechtsvorgaben habe eine objektive Entscheidung verhindert. Bei einer Verhandlung wäre festgestellt worden, dass keinerlei Bedarf für die beantragten Bauwerke bestehe. Die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien hätten keinen Bedarf für weiteren Wirtschaftsraum. Es handle sich beim Baugebiet um Flächen der überörtlichen Grünzone Rheintal. Bauführungen seien daher nur bei ganz konkret nachgewiesenem Raumbedarf zu bewilligen. Bei einer Räumung der Anlage und Entsorgung der unbrauchbaren und verrosteten Gerätschaften wäre mehr als ausreichend Platz vorhanden. Der Bedarf ergebe sich aus den zu bewirtschaftenden Flächen, aus den Betriebsmitteln und den benötigten Maschinen. Eine diesbezügliche Rechnung wäre anhand von Erfahrungen darzustellen, der Bedarf könne nämlich nicht davon abhängen, ob ein Landwirt mit seinen Räumlichkeiten besonders sorglos umgehe und in den bestehenden Lagerhallen große Mengen Mülls und alte unbrauchbare Maschinen horte. Die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien inserierten im Internet unter dem Titel "Hotel Bauernhof". Sie widmeten sich allem anderen als der Urproduktion von Nahrungsmitteln, die für eine Landwirtschaft charakteristisch wäre. Tatsächlich erzielten sie einen großen Teil ihres Ertrages aus dem nicht genehmigten Hotelbetrieb und aus sonstigen nicht-landwirtschaftlichen Aktivitäten. Der Beschwerdeführer habe drei bekannte und renommierte Sachverständige aus anderen Bundesländern konsultiert, um ein Gegengutachten einzuholen. Alle drei hätten übereinstimmend erklärt, es sei objektiv unmöglich, auf der Grundlage der bisher genannten, ständig wechselnden Zahlenwerke der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien eine Berechnung anzustellen. Für eine ernsthafte Rechnung müsste dargestellt werden, wie die genannten Produktionsmengen überhaupt erreicht werden könnten, um dann den mit ihrem Vertrieb erzielten Erlös festzustellen und den nicht landwirtschaftlichen Erlösen gegenüberzustellen. Daher habe der Beschwerdeführer beantragt, Einsicht in die Kalkulationsunterlagen zu bekommen, zumindest insoweit, als das Gutachten darauf aufbaue. Diese Unterlagen seien weder Bestandteil des Aktes gewesen noch sei dem Beschwerdeführer Einsicht in sie gewährt worden. Ferner habe der Beschwerdeführer beantragt, den bauwerbenden Parteien aufzutragen, die Buchhaltung und die Aufzeichnungen über die selbst hergestellten und zugekauften Produkte vorzulegen und Sachverständigen die Möglichkeit zu gewähren, den Betrieb in Augenschein zu nehmen, nachdem die bauwerbenden Parteien dem Amtssachverständigen mehrfach stark unterschiedliche Zahlen genannt hätten und die Zahlenwerke jeweils unreflektiert übernommen worden seien. Ein Reitbetrieb stelle keine landwirtschaftliche Tätigkeit dar. Es handle sich um einen Sportbetrieb und nicht um Landwirtschaft. Pferdehaltungs- und Reitstallbetriebe seien nicht als Landwirtschaft im Sinne der Raumplanungsbestimmungen anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes handle es sich beim Betrieb der bauwerbenden Parteien nicht um einen landwirtschaftlichen Betrieb, denn bei Wegfall der Pferdehaltung sei ein Überwiegen nichtlandwirtschaftlicher Faktoren im Betrieb evident. Demnach entfalte der Betrieb Emissionen, die mit der Flächenwidmung unvereinbar seien. Tatsächlich würden ein Hotel, ein Reitbetrieb und ein Gastronomiebetrieb mit entsprechend häufigen Zu- und Abfahrten von Übernachtungsgästen und sonstigen Kunden geführt. Dadurch komme es zu einer unzumutbaren Belästigung und zu einem für eine Landwirtschaft weit überhöhten Verkehrsaufkommen. Der Umtrieb auf dem Betrieb der bauwerbenden Parteien übersteige die mit einer Landwirtschaft verbundenen Immissionen bei weitem. Die Agrarbezirksbehörde habe völlig unkritisch jegliche Änderung der Zahlen akzeptiert und in keiner Weise hinterfragt. Tatsächlich müssten die bauwerbenden Parteien große Mengen zukaufen, sodass kein landwirtschaftliches Nebengewerbe vorliege. Die Lebensmittelverkäufe ergäben einen weit höheren Roherlös, und es handle sich beim Lebensmittelhandel nicht um eine der Landwirtschaft zurechenbare Tätigkeit. Die bauwerbenden Parteien hätten erklärt, dass sie für das Einstellen eines Pferdes monatlich EUR 260,-- und für drei Ponys monatlich EUR 100,--, also jährlich mindestens EUR 4.320,--, erwirtschafteten. Dies entspräche mehr als dem doppelten Betrag der im Gutachten angenommenen Summe von EUR 1.800,--. Tatsächlich erzielten die bauwerbenden Parteien allein aus der Reittiervermietung und Einstellung sowie dem Verkauf der zugekauften Lebensmittel mehr als 50 % ihres Erlöses und sei die landwirtschaftliche Tätigkeit eine reine Nebentätigkeit. Das Vermieten und Einstellen von Reittieren sei daher nicht als Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft zu beurteilen. Dazu komme, dass die bauwerbenden Parteien Ferienwohnungen vermieteten und Schlafen im Heu sowie Seminare anböten. Mangels Schlüssigkeit der Zahlen und des Raumbedarfs sei die Baubewilligung zu versagen. Sollte es zutreffen, dass es bei den zulässigen Immissionen allein auf das Baugrundstück ankomme, wäre der Flächenwidmungsplan grundrechts- und gesetzwidrig, da Grünland mit starken Immissionsrechten unmittelbar an Bauland anschließen würde und den Beschwerdeführer mit unzumutbaren Immissionen belasten könnte. In diesem Fall wäre die Flächenwidmung gesetzwidrig. Der Beschwerdeführer vertrete allerdings eine andere Auffassung. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergebe sich aus den Art. 2 und 8 EMRK ein Immissionsabwehranspruch aus der Sicht des Nachbargrundstückes (wird näher dargestellt). Angeregt werde daher, die konkrete Flächenwidmung des Baugrundstückes beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. k des Vorarlberger Baugesetzes (BauG), LGBl. Nr. 52/2001, ist Nachbar der Eigentümer eines fremden Grundstückes, das zu einem Baugrundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis steht, dass mit Auswirkungen des geplanten Bauwerkes, der geplanten sonstigen Anlage oder deren vorgesehener Benützung, gegen welche die Bestimmungen dieses Gesetzes einen Schutz gewähren, zu rechnen ist; dem Eigentümer ist der Bauberechtigte gleichgestellt.

§ 26 BauG idF LGBl. Nr. 32/2009 lautet auszugsweise:

"§ 26

Nachbarrechte, Übereinkommen

(1) Der Nachbar hat im Verfahren über den Bauantrag das Recht, durch Einwendungen die Einhaltung der folgenden Vorschriften geltend zu machen:

a) § 4 Abs. 3, soweit mit Auswirkungen auf sein Grundstück zu rechnen ist;

b)

§§ 5 bis 7, soweit sie dem Schutz des Nachbarn dienen;

c)

§ 8, soweit mit Immissionen auf seinem Grundstück zu rechnen ist;

d) die Festlegungen des Bebauungsplanes über die Baugrenze, die Baulinie und die Höhe des Bauwerks, soweit das Bauwerk nicht mehr als 20 Meter von unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Nachbargrundstück entfernt ist.

..."

§ 8 BauG idF LGBl. Nr. 29/2011 lautet auszugsweise:

"§ 8

Immissionsschutz

(1) Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen dürfen keinen Verwendungszweck haben, der eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung des Nachbarn erwarten lässt. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, ist unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen.

..."

§ 18 Abs. 3 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 39/1996, lautet auszugsweise:

"§ 18

Freiflächen

(1) Alle Flächen, die nicht als Bauflächen, Bauerwartungsflächen oder Verkehrsflächen gewidmet sind, sind Freiflächen.

(2) Die Freiflächen sind nach Erfordernis und Zweckmäßigkeit als Landwirtschaftsgebiet, Sondergebiet oder Freihaltegebiet zu widmen.

(3) In Landwirtschaftsgebieten ist die Errichtung von Gebäuden und Anlagen zulässig, soweit dies für die bodenabhängige land- und forstwirtschaftliche Nutzung einschließlich der dazu gehörenden erforderlichen Wohnräume und Wohngebäude und für Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft sowie die häusliche Nebenbeschäftigung notwendig ist.

..."

Dem Nachbarn kommt zwar nach dem Katalog des § 26 Abs. 1 BauG kein eigenes Nachbarrecht auf Einhaltung der Flächenwidmung zu. In gewissem Sinne ist ein solches Recht aber mittelbar über die Voraussetzungen des § 8 BauG geregelt. § 8 BauG enthält keinen allgemeinen Immissionsschutz. Es handelt sich vielmehr um eine Ausnahmeregelung für Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen mit einem aus dem ortsüblichen herausfallenden Verwendungszweck. Ist eine bestimmte Widmungskategorie für das Baugrundstück festgelegt, so sind die Immissionen, die sich im Rahmen des in einer solchen Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, als zumutbar anzusehen (vgl. zu all dem z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/06/0152, und vom , Zl. 2010/06/0164, mwN).

Der belangten Behörde kann insoweit gefolgt werden, dass dann, wenn die Kriterien des § 18 Abs. 3 RPG erfüllt sind, grundsätzlich keine Verletzung des durch § 8 BauG gewährten Nachbarschutzes anzunehmen ist. Sie konnte sich dabei allerdings nicht in ausreichendem Maße auf das Einreichprojekt bzw. die Sachverständigendarlegungen stützen, sodass ihre Schlussfolgerung, dass Beeinträchtigungen durch Geruch oder Maschinenlärm von vornherein keine das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Beeinträchtigungen der Nachbarn erwarten lassen, nicht nachvollzogen werden kann.

Einerseits ist darauf hinzuweisen, dass bei der Bewilligung im Hinblick auf § 8 BauG eine konkrete Nutzung feststehen muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/06/0242). Diesem Erfordernis wird mit der Angabe der Raumwidmung "Multifunktionswirtschaftsraum" nicht Genüge getan. Wie sich aus der Aktenlage ergibt, wurde dieser Raum auch als Werkstätte verwendet, was zeigt, dass die konkreten Tätigkeiten und die durch sie verursachten Emissionen im Bauprojekt jedenfalls genau dargestellt werden müssen.

Andererseits hat der landwirtschaftliche Sachverständige zwar den Flächenbedarf für die Einstellung der im Betrieb eingesetzten Maschinen und Geräte anhand des Berichtes Nr. 590 (Raumbedarf für Remisen und Einzelmaschinen) der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik ermittelt. Es wurde aber nicht dargelegt, weshalb diese vorhandenen Maschinen bzw. die eingesetzten Maschinen und Geräte für den konkreten Betrieb im Hinblick auf seine Größe und sonstigen Gegebenheiten auch erforderlich sind. Somit ist die Notwendigkeit des Bauvorhabens im Sinne des § 18 Abs. 3 RPG nicht nachvollziehbar dargelegt.

Insgesamt kann daher nicht beurteilt werden, ob eine Belästigung des Beschwerdeführers das ortsübliche Ausmaß im Sinne des § 8 Abs. 1 BauG unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort das Bauvorhabens übersteigt. Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG schon aus diesem Grund aufzuheben, wobei es sich erübrigt, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

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Normen
AVG §8;
BauG Vlbg 2001 §2 Abs1 litk;
BauG Vlbg 2001 §26 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §8 Abs1;
BauG Vlbg 2001 §8;
BauRallg;
RPG Vlbg 1996 §18 Abs3;
Schlagworte
Planung Widmung BauRallg3
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche
Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6
Baurecht Nachbar
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:2013060201.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAE-80544