VwGH 15.12.2009, 2006/05/0186
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | BauO Wr §69 Abs1 litm; BauO Wr §69 Abs1 litn; BauO Wr §69; BauRallg; VwGG §42 Abs2 Z1; |
RS 1 | Bezüglich Schutzzonen ist für unwesentliche Abweichungen von Bebauungsvorschriften gemäß § 69 Wr BauO idF vor der Techniknovelle 2007, LGBl. Nr. 24/2008, die Bestimmung des Abs. 1 lit. n, nicht aber die Regelung des Abs. 1 lit. m maßgeblich. Bei Anwendung des § 69 Abs. 1 lit. n Wr BauO sind andere Beurteilungskriterien heranzuziehen als bei der des § 69 Abs. 1 lit. m Wr BauO. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der Dr. G C in Wien, vertreten durch Dr. Franz Marschall und Mag. Rene Christian Heinz, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 8, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-530/05, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: BG mbH in 1190 Wien, Grinzingerstraße 18), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
A.) Mit einem am bei der Behörde eingegangenen Ansuchen hat die mitbeteiligte Partei die Erteilung einer Baubewilligung begehrt. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des an die Baugrundstücke Nr. 554/3 und 554/4, EZ 412 der KG Grinzing, Grinzinger Straße 18, westlich unmittelbar anschließenden Grundstückes Nr. 553/1, EZ 314 der KG Grinzing, Grinzinger Straße 20.
Mit Bescheid vom , Zl. BV 19-1593/05, genehmigte der Bauausschuss der Bezirksvertretung für den
19. Bezirk nach der Bauordnung für Wien (BO) Abweichungen von den Bebauungsvorschriften für ein von der mitbeteiligten Partei beantragtes Bauvorhaben zur Errichtung von Zubauten und baulichen Änderungen des bestehenden Gebäudes auf der Liegenschaft in Wien 19, Grinzinger Straße 18, EZ 412 der KG Grinzing, wie folgt:
"Gemäß § 69 Abs. 1 lit. a und m der BO sind für das beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, zur Zl.: MA 37/19 - Grinzinger Straße 18/25867-1/2004 anhängige Bauvorhaben, nach Maßgabe der diesem Baubewilligungsverfahren zu Grunde liegenden Pläne, nachstehende Abweichungen von Bebauungsvorschriften zulässig:
Durch den Zubau im Dachgeschoss darf die festgesetzte hintere Baufluchtlinie auf einer Breite von 0,6 m um 0,6 m überschritten werden. Weiters darf durch den Dachgeschosszubau die in der Bauklasse I (eins) festgesetzte höchstzulässige Gebäudehöhe von 7,50 m um 0,73 m, durch den Aufzugsschacht um weitere 0,35 m und an der linken Grundgrenze um 3,0 m überschritten werden.
Die Gründe, die für die Abweichung sprechen, überwiegen."
Mit Bescheid vom , Zl. MA 37/19 - Grinzinger Straße 18/25867 - 1/2004, erteilte anschließend die Magistratsabteilung 37/19 die beantragte Baubewilligung mit folgendem Spruch:
"Nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, wird gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO) in Verbindung mit §§ 54 Abs. 9, 69 Abs. 8 BO und § 83 Abs. 1 BO und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes unter Bezugnahme auf die mit Bescheid vom , Zl.: MA 37/V - 5465/2002 bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen, deren weitere Gültigkeit zuletzt am , zur Zl.: MA 37/V - 6611/2003 bestätigt wurde und auf Grund der mit Bescheid vom , GZ: BV 19 - 1593/2005 erteilten Bewilligung für Abweichungen von den Bebauungsvorschriften die Bewilligung erteilt, auf der im Betreff genannten Liegenschaft die nachstehend beschriebene Bauführung vorzunehmen:
Im hofseitigen Dachgeschossbereich werden zum Zwecke der Schaffung einer neuen Wohnung das Dachgeschoss ausgebaut und durch Aufklappen des Daches Zubauten errichtet. Weiters wird im Hof, am rechten Seitentrakt ein Aufzugschacht errichtet, sowie im rechten Vorgartenbereich unterirdisch eine Kleingarage. In diesem Bereich wird die Außenwand abschnittsweise unterfangen. Das straßenseitige Gesimse wird abgeändert. Auf dem bestehenden Flachdach an der rechten Grundgrenze wird eine Terrasse mit einer 2 m hohen Feuermauer (zum Zwecke des Sichtschutzes) hergestellt.
Der zwingenden Vorschrift des § 36 Abs. 1, in Verbindung mit § 36a des Wiener Garagengesetzes zur Schaffung von einem Stellplatz wird in der Kleingarage entsprochen.
Die Bauführung wird in öffentlich-rechtlicher Beziehung für zulässig erklärt."
Die dagegen von der nunmehrigen Beschwerdeführerin erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid wie folgt als unbegründet abgewiesen:
"Gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) wird die Berufung gegen den Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den
19. Bezirk vom sowie gegen den Baubewilligungsbescheid der Magistratsabteilung 37/19 vom auf Grund der im Zuge des Berufungsverfahrens vorgenommenen Projektsänderung als unbegründet abgewiesen und werden die angefochtenen Bescheide mit der Maßgabe bestätigt, dass sich diese auf die zum Bestandteil des Berufungsbescheides erklärten Pläne beziehen und
1. im Spruch des Bescheides des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 19. Bezirk vom der zweite Absatz lautet wie folgt:
Durch den Zubau im Dachgeschoss darf die festgesetzte hintere Baufluchtlinie auf einer Breite von 0,60 m um 0,60 m überschritten werden. Weiters darf durch den Dachgeschosszubau die in der Bauklasse I (eins) festgesetzte höchstzulässige Gebäudehöhe von 7,50 m um 0,49 m, durch den Aufzugsschacht um weitere 0,59 m und bei der Hoffront an der linken Grundgrenze auf einer Länge von 3,00 m um 0,75 m überschritten werden.
2. im Spruch des Baubewilligungsbescheides der Magistratsabteilung 37/19 vom sich der erste Absatz des Spruches dieses Baubewilligungsbescheides auf die mit Bescheid vom , Zl. BV 19 - 1593/2005, in der Fassung des Berufungsbescheides der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 530/05, erteilten Bewilligung für eine Abweichung von den Bebauungsvorschriften bezieht."
Nach der Begründung dieses Bescheides sei u.a. den Einreichplänen sowie der im Berufungsverfahren durchgeführten Projektänderung zu entnehmen, dass die durchschnittliche Gebäudehöhe 7,99 m betrage. Damit ergebe sich eine Überschreitung der laut Bebauungsplan zulässigen Höhe um 0,49 m, weshalb für das Bauvorhaben die Bewilligung einer unwesentlichen Abweichung gemäß § 69 Abs. 1 lit. m BO erforderlich sei.
Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom , B 834/06-4, abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Beschwerdeführerin hat repliziert.
B.) Die Beschwerde widerspricht der Meinung der belangten Behörde u.a. darin, dass die Abweichung von Bebauungsvorschriften gemäß § 69 Abs. 1 lit. m BO nur unwesentlich sei.
C.) Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Bestimmung des § 134a BO in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 36/2001 werden subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:
a) Bestimmungen über den Abstand eines Gebäudes oder
einer baulichen Anlage zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht
bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;
b) Bestimmungen über die Gebäudehöhe;
c) Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit
von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;
d) Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der
Fluchtlinien;
e) Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die
sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage ergeben können, zum Inhalt haben. Die Beeinträchtigung durch Immissionen, die sich aus der Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu Wohnzwecken oder für Stellplätze im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergibt, kann jedoch nicht geltend gemacht werden;
f) Bestimmungen, die den Nachbarn zu Emissionen
berechtigen.
Abs. 1 lit. m und n des § 69 BO idF vor der Techniknovelle 2007, LGBl. Nr. 24/2008, lauten:
§ 69. (1) Für einzelne Bauvorhaben hat die Behörde nach Maßgabe des Abs. 2 über die Zulässigkeit folgender Abweichungen von den Bebauungsvorschriften zu entscheiden:
...
m) das Überschreiten der gemäß § 5 Abs. 4 lit. h und gemäß § 77 Abs. 3 lit. c bestimmten sowie der bauklassenmäßigen Gebäudehöhe in allen Bauklassen, wenn das Interesse an der Gestaltung des örtlichen Stadtbildes nicht entgegensteht;
n) in Schutzzonen Abweichungen von den Bestimmungen des Bebauungsplanes, insbesondere auch von der festgesetzten Baulinie, wenn das öffentliche Interesse an einer besonderen Situierung und Ausbildung des Baukörpers zur Gestaltung des örtlichen Stadtbildes überwiegt und die zulässige Ausnützbarkeit des Bauplatzes nicht überschritten wird;"
Die Beschwerdeführerin, Eigentümerin einer benachbarten Liegenschaft iSd § 134 Abs. 3 BO, hat Einwendungen im Sinne der oben zitierten Bestimmungen in der mündlichen Verhandlung erhoben und damit Parteistellung im gegenständlichen Baubewilligungsverfahren erlangt.
Nach dem bekämpften Bescheid wurden die vor der belangten Behörde angefochtenen Bescheide insbesondere mit der Maßgabe bestätigt, dass sich diese auf die zum Bestandteil des bekämpften Berufungsbescheides erklärten Pläne beziehen.
Der den Stempel "Hierauf bezieht sich der Bescheid vom , Zl. BOB-530/05 ..." aufweisende Einreichplan (Parie C 2, datiert mit , geändert ) weist u. a. von der belangten Behörde angebrachte Ergänzungen mit rotem Farbstift auf, die sich auf die Bekanntgabe der Bebauungsvorschriften mit Bescheid vom , Zl. MA 37/V-5465/2002, und vom , Zl. MA 37/5- 6611/03, beziehen bzw. die diese Bebauungsvorschriften in den Plan übertragen.
Bezüglich der Liegenschaft EZ 412 der KG Grinzing, für welche die Erteilung der Baubewilligung beantragt wurde, weist der Plan aus, dass diese in einer "Schutz- und Wohnzone" (Gst. 554/3) bzw. in einem Bereich "SWW" (Gst. 554/2) liegt.
Bezüglich Schutzzonen ist für unwesentliche Abweichungen von Bebauungsvorschriften gemäß § 69 BO idF vor der Techniknovelle 2007, LGBl. Nr. 24/2008, die Bestimmung des Abs. 1 lit. n, nicht aber die von der belangten Behörde (wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt) herangezogene Regelung des Abs. 1 lit. m maßgeblich. Bei Anwendung des § 69 Abs. 1 lit. n BO sind andere Beurteilungskriterien heranzuziehen als bei der des § 69 Abs. 1 lit. m BO.
Insofern hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
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Normen | BauO Wr §69 Abs1 litm; BauO Wr §69 Abs1 litn; BauO Wr §69; BauRallg; VwGG §42 Abs2 Z1; |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete Baubewilligung BauRallg6 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2009:2006050186.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAE-80539