VwGH vom 31.07.2007, 2006/05/0182

VwGH vom 31.07.2007, 2006/05/0182

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Ersten n.oe. Brandschaden-Versicherungsaktiengesellschaft in Wien, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Falkestraße 6, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-505/05, betreffend Stellplatzverpflichtung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der MA 37 vom wurde über Antrag der Beschwerdeführerin ein Dachgeschoßausbau auf der Liegenschaft in Wien 1, Getreidemarkt 18, baubehördlich bewilligt und gleichzeitig gemäß § 40 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes (Wr GaragenG) festgestellt, dass die mit diesem Bauvorhaben verbundene Verpflichtung gemäß § 36 Abs. 1 iVm § 36a Abs. 1 leg. cit. zur Schaffung von vier Stellplätzen nicht erfüllt wird.

Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schreiben vom die behördliche Feststellung, dass die Verpflichtung zur Schaffung der vier Stellplätze durch vertragliche Sicherstellung der Stellplätze gemäß § 37 Wr GaragenG erfüllt werde. Sie belegte dies damit, dass sie an der Adresse 1010 Wien, Schenkenstraße 4 über sichergestellte Stellplätze verfüge, und legte einen Nachweis über die Sicherstellung von Einstellplätzen an dieser Adresse vor.

Mit Bescheid der MA 37 vom wurde gemäß § 70a Abs. 11 der Bauordnung für Wien (Wiener BauO) iVm § 36 Abs. 1 und § 36a Abs. 1 Wr GaragenG festgestellt, dass die durch Errichtung eines mit Bescheid vom bewilligten Dachgeschosses auf der Liegenschaft Wien 1, Getreidemarkt 18, ausgelöste Verpflichtung zur Schaffung von 4 (vier) Stellplätzen insofern nicht erfüllt werde, als die Zahl der vorgesehenen Stellplätze weiterhin um 4 (vier) hinter dem gesetzlich geforderten Ausmaß zurückbleibe. In der Begründung heißt es, dass die im vorliegenden Fall sichergestellten Stellplätze auf der Liegenschaft mit der Grundstücksadresse Schenkenstraße 4 nicht in einem Umkreis von 500 m vom Bauplatz gelegen seien und aus diesem Grund nicht zur Erfüllung der Stellplatzverpflichtung für die Liegenschaft mit der Grundstücksadresse Getreidemarkt 18 herangezogen werden könnten.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung und machte geltend, die Behörde gehe unrichtigerweise davon aus, dass sich die sichergestellten Stellplätze im Hinblick auf die Liegenschaft, für die eine Stellplatzverpflichtung zu erfüllen sei, innerhalb eines Radius von (exakt) 500 m befinden müssten. Eine solche unrichtige Auffassung finde im Wortlaut des § 37 Wr GaragenG jedoch keine Deckung, weil dort lediglich davon die Rede sei, dass die sichergestellten Einstellplätze in einem Umkreis von ca. 500 m gelegen sein sollten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete dies nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Inhaltes des § 37 Abs. 1 Wr GaragenG damit, dass sich die Stellplätze, auf welche sich die Sicherstellungserklärung der Beschwerdeführerin beziehe, in einer Entfernung von ca. 940 m Luftlinie von der verpflichteten Liegenschaft befänden. Diese Tatsache bleibe unbestritten und es sehe die belangte Behörde keine Veranlassung, die Richtigkeit dieser Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Eine Entfernung von 940 m mache beinahe das Doppelte (188 %) des in § 37 leg. cit. vorgesehenen ungefähren Maximalausmaßes von 500 m aus. Bei einer derart hohen Überschreitung der maximal zulässigen Entfernung könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Stellplätze, auf die sich die Sicherstellungserklärung der Beschwerdeführerin beziehe, die Voraussetzung des § 37 Abs. 1 Wr GaragenG erfülle, da der Wortlaut "von ca. 500 m" zwar eine geringfügige Überschreitung der Entfernung von 500 m zulasse, keinesfalls jedoch eine Überschreitung im hier vorliegenden Ausmaß. Es sei daher der Rechtsansicht der Behörde erster Instanz beizutreten, dass durch die vorgelegte Sicherstellungserklärung die Stellplatzverpflichtung nicht erfüllt werde.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom , B 820/06-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verfassungsgerichtshof führte aus, dass das Vorbringen in der Beschwerde u.a. keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe, weil die Beschwerdeführerin nicht ausreichend bedenke, dass die im § 37 Abs. 1 Wr GaragenG enthaltene Wortfolge "in einem Umkreis von ca. 500 m" einer Auslegung zugänglich sei und daher keine Bedenken im Hinblick auf das Bestimmtheitserfordernis des Art. 18 B-VG bestünden.

Die Beschwerdeführerin ergänzte ihre Beschwerde im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und machte Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bestimmungen der §§ 36 Abs. 1 und 37 Abs. 1 Wr GaragenG haben folgenden Wortlaut:

"§ 36. (1) Bei Neu- und Zubauten sowie Änderungen der Raumwidmung entsteht eine Stellplatzverpflichtung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen; diese ist entweder als Naturalleistung (Pflichtstellplätze) grundsätzlich auf dem Bauplatz oder Baulos oder durch Entrichtung der Ausgleichsabgabe an die Stadt Wien zu erfüllen.

...

§ 37. (1) Die Verpflichtung nach § 36 Abs. 1 oder nach einem gemäß § 36 Abs. 2 erlassenen Stellplatzregulativ gilt auch dann als erfüllt, wenn Einstellplätze oder Garagen mit der erforderlichen Anzahl von Pflichtstellplätzen in entsprechendem Ausmaß außerhalb des Bauplatzes in einem Umkreis von zirka 500 m errichtet werden und die Einstellmöglichkeit vertraglich sichergestellt ist; dabei können für mehrere Baulichkeiten auch gemeinsame Stellplätze oder Garagen errichtet werden (Gemeinschaftsanlagen)."

Unstrittig ist, dass im vorliegenden Fall nach § 36 Abs. 1 Wr GaragenG eine Stellplatzverpflichtung von vier Stellplätzen besteht, dass eine Einstellmöglichkeit vertraglich sichergestellt ist, dass sich diese Einstellmöglichkeit aber in einer Entfernung von ca. 950 m vom Bauplatz befindet.

Die Beschwerdeführerin stützt ihre Beschwerde darauf, dass der Landesgesetzgeber mit den Bestimmungen über die Ausgleichsabgabe bezwecken wollte, jene Hauseigentümer, die Neu- oder Zubauten oder Änderungen der Raumwidmung vornehmen und dadurch neuen Wohnraum schafften, gleichzeitig zur Schaffung von Stellplätzen in entsprechendem Ausmaß anzuhalten. Die Entfernungsangabe "in einem Umkreis von ca. 500 m" sei in diesem Zusammenhang nur eine ungefähre Richtschnur, anhand der in Ansehung eines durchschnittlichen Stadtteils von Wien geprüft werden solle, ob ein Stellplatz zur Erfüllung einer den Hauseigentümer treffenden Stellplatzverpflichtung geeignet sei. Bekanntlich sei die Parkraumsituation in der Wiener Innenstadt besonders angespannt, und es bestehe überdies auf Grund der baulichen Gegebenheiten dort faktisch keine Möglichkeit, eine bestehende Stellplatzverpflichtung durch Schaffung von Stellplätzen in unmittelbarer Umgebung zu erfüllen. In Ansehung dieser Umstände sei daher unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers hinsichtlich der Wiener Innenstadt, in welcher auch das Gebäude der Beschwerdeführerin gelegen sei, jedenfalls eine differenzierte Betrachtungsweise geboten. Insbesondere bei den in der Wiener Innenstadt gelegenen Häusern seien demnach auch Stellplätze, die von diesen Häusern weiter als 500 m entfernt, aber dennoch in der Innenstadt und sogar im selben Bezirk gelegen seien, geeignet, eine bestehende Stellplatzverpflichtung zu erfüllen. Aus diesem Grund seien daher auch die gegenständlich sichergestellten Stellplätze, die ebenfalls im ersten Wiener Gemeindebezirk gelegen seien, zur Erfüllung der die Beschwerdeführerin treffenden Stellplatzverpflichtung geeignet.

Diesen Ausführungen der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden.

Auszugehen ist davon, daß durch § 36 Wr GarargenG die Verpflichtung des Bauwerbers normiert ist, Stellplätze auf seinem Bauplatz zu schaffen. Das Gesetz geht davon aus, dass alle, die durch Bauten den Verkehr vermehren, verpflichtet sind, die der Allgemeinheit dadurch erwachsende Last zu vermindern (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. Nr. 3.919 und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/05/0062).

§ 37 Wr GaragenG räumt dem Bauwerber die Möglichkeit ein, dieser Verpflichtung auf andere Weise zu entsprechen. Auch diese Alternative dient aber dem Ziel, die durch die Bauführung erhöhte Verkehrsbelastung zu vermindern. Eine Verminderung der Verkehrsbelastung tritt aber nur dann ein, wenn eine räumliche Nahebeziehung zwischen dem Bauobjekt und den dazu gehörenden Stellplätzen vorhanden ist, weil bei einer zu großen Entfernung der Effekt der Verkehrsentlastung des ruhenden Verkehrs im Nahebereich des Bauplatzes verloren geht. Weil ein Zusammenhang zwischen der Nutzung der Stellplätze und der Nutzung des die Stellplatzverpflichtung auslösenden Bauwerkes besteht, sollen diese Stellplätze in einem räumlichen Naheverhältnis zum jeweiligen Bauplatz liegen. Vor diesem Hintergrund ist die in § 37 Wr GarargenG getroffene Beschränkung auf einen "Umkreis von zirka 500 m" zu verstehen.

Dem Gesetzeswortlaut ist nun keinesfalls zu entnehmen, dass der Gesetzgeber auf die Besonderheiten eines Bezirkes oder Bezirksteiles (hier: der Wiener Innenstadt) Bedacht nehmen wollte oder dass es darauf ankäme, ob die Ersatzstellplätze im selben Bezirk zur Verfügung stünden oder nicht. Das Gesetz spricht von einem "Umkreis von zirka 500 m" vom Bauplatz, ohne dass auf Spezifika eines Bezirks oder Bezirksgrenzen Bedacht genommen würde. Damit wird ein verbindlicher Radius vorgegeben, der für die Bereitstellung von Stellplätzen einzuhalten ist. Die unscharfe Bezeichnung durch die Einfügung des Wortes "zirka" schafft lediglich die Möglichkeit, diesen Bereich geringfügig zu überschreiten.

Dass eine solche geringfügige Überschreitung bei einer Entfernung von 940 m, also beinahe dem Doppelten der zulässigen Entfernung, nicht mehr vorliegt, bedarf keiner weiteren Begründung. Die Ansicht der belangten Behörde, derart weit entfernt liegende Ersatzstellplätze genügten den Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 Wr GarargenG nicht, kann daher nicht als rechtswidrig angesehen werden.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am