VwGH vom 09.08.2018, Ra 2018/22/0025

VwGH vom 09.08.2018, Ra 2018/22/0025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW-151/011/7828/2017-9, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: D B in T, Indien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein indischer Staatsangehöriger, brachte am. bei der österreichischen Botschaft in Neu-Delhi den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Studierender" ein.

2 Am langte beim Verwaltungsgericht Wien (VwG) ein E-Mail des Mitbeteiligten in englischer Sprache ein, in dem dieser - nach Ausführungen, dass ihm bisher der beantragte Aufenthaltstitel noch nicht erteilt worden sei - anfragt, ob und allenfalls wann es möglich sei, dass er das "visa" bekommen könne; er hoffe, dass seinem Antrag stattgegeben werde.

3 Dieses E-Mail des Mitbeteiligten übermittelte das VwG noch am "zur Information" an den Landeshauptmann von Wien (Behörde).

4 Mit Schreiben vom teilte das VwG der Behörde mit Bezugnahme auf die oben angeführte Übermittlung des E-Mails mit, "(d)ie gemäß § 16 VwGVG zustehende Frist von 3 Monaten zur allfälligen Nachholung des ausstehenden Bescheides/sonstiger Erledigung endet daher am . Es wird demnach spätestens zu diesem Zeitpunkt um Aktenvorlage für den Fall weiterer Säumnis bzw. Mitteilung der Entscheidung ersucht."

5 Mit Schriftsatz vom legte die Behörde

dem VwG die "Säumnisbeschwerde ... unter Anschluss des

bezughabenden Aktes zu Entscheidung" vor.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das VwG der Säumnisbeschwerde statt und erteilte dem Mitbeteiligten den Aufenthaltstitel für den Zweck Studierender gemäß § 64 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) befristet auf ein Jahr. Eine "außerordentliche" Revision wurde sowohl in Angelegenheit der Säumnisbeschwerde als auch der Erteilung des Aufenthaltstitels ausgeschlossen.

Begründend führte das VwG im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte erfülle die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen gemäß § 64 Abs. 1 und § 11 NAG. Beweiswürdigend werde auf den umfassenden Akteninhalt verwiesen; der Vorhalt (gemeint wohl: der Behörde) der ungenügenden finanziellen Gebarung sei für das erkennende Gericht vollkommen ausgeräumt; die Behörde habe anlässlich der Vorlage der Säumnisbeschwerde keine Stellungnahme abgegeben, "dass etwa Zweifel an einer der Voraussetzungen bestünden.". Zufolge der "massiven Verfristung" sei von einer "zeitintensiven Traduktion" der in Englisch gehaltenen, unbedenklichen, gut lesbaren und vollständigen Urkunden abgesehen worden.

Der Mitbeteiligte habe zu Recht die Säumigkeit der Behörde gerügt, weil diese nicht innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist von sechs Monaten entschieden und "den Bescheid innerhalb der aus § 8 VwGVG erfließenden Frist nicht nachgeholt" habe, sodass die Entscheidungspflicht an das VwG übergegangen sei.

7 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Behörde, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, das VwG sei in mehrfacher Hinsicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem kein Verbesserungsauftrag erteilt worden sei, die Anbringen in deutscher Sprache vorzulegen, keine aufrechte Aufnahmebestätigung der Fachhochschule Technikum Wien vorliege, keine ortsübliche Unterkunft und kein alle Risken abdeckender Krankenversicherungsschutz für die Dauer des erteilten Aufenthaltstitels nachgewiesen worden seien sowie das Erkenntnis nicht nachvollziehbar begründet worden sei.

8 Die Revision ist zulässig und auch berechtigt. 9 Wie bereits im hg. Erkenntnis von heutigen Tag,

Ra 2018/22/0023, ausgeführt wurde, hat das VwG vor Erteilung eines Aufenthaltstitels das Vorliegen aller Erteilungsvoraussetzungen zu prüfen, nicht nur jener, an denen die Behörde "Kritik" übte oder "Zweifel" äußerte (vgl. ).

10 Bereits die fehlende Aufnahmebestätigung einer Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule, anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule, eines anerkannten privaten Studienganges oder anerkannten privaten Hochschullehrganges gemäß § 8 Z 7 lit. a Durchführungsverordnung zum NAG (NAG-DV) und somit das Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung belastet das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Das VwG verweist selbst auf das Schreiben der FH Technikum Wien vom , wonach der Mitbeteiligte für das Studienjahr 2017/18 nicht aufgenommen worden sei. Vom Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung könnte nach ständiger hg. Rechtsprechung auch nicht zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG abgesehen werden. Angesichts dessen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund das VwG dennoch davon ausging, dass der Mitbeteiligte "die nach § 64 Abs. 1 NAG und § 11 NAG erforderlichen allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels für den Zweck ‚Studierender' erfüllt."

11 Bereits aus diesem Grund war das angefochtene Erkenntnis in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

12 Es trifft auch zu, dass aufgrund der den Verfahrensakten beiliegenden Polizze der N I vom die Krankenversicherung bereits am - somit vor Erteilung des Aufenthaltstitels - geendet hatte. Abgesehen vom Leistungsumfang dieser Versicherung ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Umstände das VwG den Nachweis eines in Österreich leistungspflichtigen und alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes (§ 11 Abs. 2 Z 3 NAG iVm § 7 Abs. 1 Z 6 NAG-DV) als gegeben ansah.

13 Gleiches gilt für den Nachweis einer ortsüblichen Unterkunft (§ 11 Abs. 2 Z 2 NAG iVm § 7 Abs. 1 Z 5 NAG-DV), weil der Vertrag mit der G S Aktiengesellschaft vom nur bis abgeschlossen wurde; ein weiterer Vertrag ist den Verfahrensakten nicht zu entnehmen.

14 Die Revision weist auch zu Recht darauf hin, dass schriftliche Anbringen grundsätzlich in deutscher Sprache einzubringen sind (vgl. , mwH).

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220025.L00
Schlagworte:
Besondere Rechtsgebiete

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