VwGH vom 20.10.2009, 2006/05/0170
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der 1. Dkfm. GL in Wien, 2. CP in Buenos Aires, 3. EK in Maria Alm am Steinernen Meer, alle vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 2, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB-614/05, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. JW, 2. UW, beide in Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerinnen haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom beantragten die mitbeteiligten Parteien als Grundeigentümer beim Magistrat der Stadt Wien die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines unterkellerten mehrgeschossigen Gebäudes in Massivbauweise für drei Wohnungen und eine (KfZ-)Werkstätte im Erdgeschoss an der Baulinie Baldiagasse, für die Errichtung eines unterkellerten eingeschossigen Gebäudeteiles in Massivbauweise, welcher an den Werkstättenbereich im Straßentrakt hofseitig anschließen sollte, für die Errichtung von vier Kfz-Pflichtstellplätzen sowie für die Errichtung bzw. Vergrößerung diverser Feuermauerdurchbrüche auf der Liegenschaft Wien 16, Baldiagasse 3, Gst. Nr. 999/50 in EZ 5669 der KG Ottakring.
Mit bei der Baubehörde erster Instanz am eingelangtem Schriftsatz erhoben die Beschwerdeführerinnen Einwendungen bezüglich der Bauabstände und der Bestimmungen der §§ 76, 77, 78, 79, 83 und 85 der Bauordnung für Wien (BO), die sie in der mündlichen Verhandlung am wieder zurückzogen. Die ebenfalls erhobenen Einwendungen gegen die Gebäudehöhe, gegen die Immissionen sowie gegen die Verschlechterung des Lichteinfalls wurden hingegen aufrecht erhalten.
Mit Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den
16. Bezirk vom wurden die für das gegenständliche Bauvorhaben erforderlichen Abweichungen von den Bebauungsvorschriften gemäß § 69 Abs. 1 lit. f BO (Abweichung von der Bestimmung des Bebauungsplanes hinsichtlich der Nichteinhaltung der gärtnerischen Ausgestaltung unbebauter Grundflächen im Ausmaß von 112 m2) bewilligt.
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom wurde sodann unter Bezugnahme auf die Erteilung der erforderlichen Ausnahmebewilligung gemäß § 69 BO die beantragte baubehördliche Bewilligung gemäß § 70 BO erteilt (Punkt I.: "Baubewilligung"; Punkt II.: "Bauliche Herstellungen").
Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die gegen Punkt I. des Baubewilligungsbescheides der Magistratsabteilung 37 vom erhobene Berufung der Erstbeschwerdeführerin als unzulässig zurückgewiesen, weil sie nicht Eigentümerin einer benachbarten Liegenschaft gemäß § 134 Abs. 3 3. Satz BO ist, und weiters die Berufungen der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligten Parteien haben eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Festzuhalten ist zunächst, dass die Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung vom keine Berufung erhoben haben.
1. Zur Parteistellung
§ 134 Abs. 3 BO in der hier anzuwendenden Fassung der Verfahrensnovelle 2005, LGBl. Nr. 41/2005 lautet:
"(3) Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind wie Eigentümer der Liegenschaften zu behandeln. Die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften sind dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134 a erschöpfend festgelegten subjektivöffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134 a gegen die geplante Bauführung erheben; das Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG) steht Nachbarn bereits ab Einreichung des Bauvorhabens bei der Behörde zu. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG). Benachbarte Liegenschaften sind im Bauland jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft eine gemeinsame Grenze haben oder bis zu einer Breite von 6 m durch Fahnen oder diesen gleichzuhaltende Grundstreifen oder eine höchstens 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von dieser Liegenschaft getrennt sind und im Falle einer Trennung durch eine öffentliche Verkehrsfläche der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberliegen. In allen übrigen Widmungsgebieten sowie bei Flächen des öffentlichen Gutes sind jene Liegenschaften benachbart, die in einer Entfernung von höchstens 20 m vom geplanten Gebäude oder der geplanten baulichen Anlage liegen."
Auf dem Boden des eindeutigen Wortlauts des § 134 Abs. 3 BO versagt das Beschwerdevorbringen, ein Fruchtgenussberechtigter (vgl. § 509 ABGB) habe wie ein Eigentümer Parteistellung im Baubewilligungsverfahren. Die Parteistellung der Anrainer setzt nicht nur voraus, dass die betreffenden Anrainer in ihren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten im Sinne des § 134a BO berührt werden und dies rechtzeitig geltend machen, sondern darüber hinaus die Stellung als Eigentümer (Miteigentümer) einer benachbarten Liegenschaft. Was Eigentum ist, ist in den §§ 353f ABGB definiert. Davon zu unterscheiden sind alle anderen Nutzungsrechte dinglicher oder schuldrechtlicher Natur, wie Fruchtgenuss-, Miet- oder Pachtrechte. Die Zurückweisung der Berufung der Erstbeschwerdeführerin mangels Parteistellung erfolgte daher zurecht.
2. Zur Gebäudehöhe, zur Verschlechterung des Lichteinfalls und zum Schutz vor Immissionen:
Nach der Bestimmung des § 134a BO in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 36/2001 werden subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:
a) Bestimmungen über den Abstand eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;
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b) | Bestimmungen über die Gebäudehöhe; | |||||||||
c) | Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten; | |||||||||
d) Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien; | ||||||||||
e) Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage ergeben können, zum Inhalt haben. Die Beeinträchtigung durch Immissionen, die sich aus der Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu Wohnzwecken oder für Stellplätze im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergibt, kann jedoch nicht geltend gemacht werden; | ||||||||||
f) Bestimmungen, die den Nachbarn zu Emissionen berechtigen. |
Nach dem Bescheid über die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen vom , Zl. MA 37/V- 30435/2004, ist für die vom gegenständlichen Bauvorhaben betroffene Liegenschaft in Wien 16, Baldiagasse Gst. Nr. 999/50, EZ 5669 der KG Ottakring, die Widmung Gemischtes Baugebiet, Bauklasse III, geschlossene Bauweise bzw. Gemischtes Baugebiet, Geschäftsviertel, Bauklasse I und die geschlossene Bauweise festgesetzt. In der Bauklasse III ist die Gebäudehöhe mit 14 m, in der Bauklasse I mit 5 m beschränkt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dargelegt, dass jeder Nachbar ausschließlich hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften über die Gebäudehöhe an der jeweils seinem Grundstück zugekehrten Front ein subjektiv-öffentliches Recht hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/05/0126, mwH).
Die Beschwerdeführerinnen können somit nur durch die Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe an der der Liegenschaft der Beschwerdeführerinnen, welche - von der Baldiagasse aus gesehen - an der Hinterseite der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft gelegen ist, zugewandten Seite in ihren subjektivöffentlichen Rechten betroffen sein.
Gemäß § 75 Abs. 2 BO hat die Gebäudehöhe in der Bauklasse I mindestens 2,5 m, höchstens jedoch 9 m, in der Bauklasse III mindestens 9 m, höchstens jedoch 16 m zu betragen, soweit sich nicht nach den Bestimmungen der Abs. 4 bis 6 und des § 81 sowie des Bebauungsplanes eine andere Gebäudehöhe ergibt. Auf Grund der Bestimmungen des Bebauungsplanes beträgt - wie erwähnt - die im gegenständlichen Fall zulässige Gebäudehöhe in der Bauklasse I 5 m bzw. in der Bauklasse III 14 m.
Nach dem vorliegend noch anzuwendenden (vgl. die zwischenzeitige Aufhebung mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. Nr. 18.100, LGBl. für Wien Nr. 19/2007) § 75 Abs. 9 BO darf, sofern das örtliche Stadtbild nicht beeinträchtigt wird, die Gebäudehöhe im Bauland außerhalb von Schutzzonen im Betriebsbaugebiet, im Industriegebiet und allgemein in den Bauklassen III und IV um jenes Maß vergrößert werden, um das eine Hauptgeschoßhöhe von 2,80 m überschritten wird. Die zulässige bzw. festgesetzte Gebäudehöhe darf dadurch um höchstens 1,5 m überschritten werden. Dabei sind die Bestimmungen des § 75 Abs. 4 BO einzuhalten. Die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen darf nicht vermindert werden. Für dieses Überschreiten der Gebäudehöhe bis zu dem Ausmaß von 1,5 m ist eine Bewilligung gemäß § 69 Abs. 1 lit. m nicht erforderlich. Wenn eine solche Überschreitung erfolgt, ist eine darüber hinausgehende Überschreitung gemäß § 69 Abs. 1 lit. m ausgeschlossen. Durch diese Bestimmung wird bezüglich des örtlichen Stadtbildes der Kreis der subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte nicht erweitert.
Nach § 81 Abs. 1 BO (in der vorliegend maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 44/1996) gilt bei Gebäuden an der Baulinie, Straßenfluchtlinie oder Verkehrsfluchtlinie bis zu einer Gebäudetiefe von 15 m als Gebäudehöhe der lotrechte Abstand von der festgesetzten Höhenlage der Verkehrsfläche bis zur obersten Schnittlinie der zulässigen Außenwandfläche der Straßenfront ohne Berücksichtigung vorspringender Gebäudeteile wie Gesimse, Erker und dergleichen mit der Oberfläche des Daches; nichtraumbildende Gebäudeteile und raumbildende Dachaufbauten gemäß Abs. 6 bleiben dabei außer Betracht. Zur Straßenfront gerichtete Giebelflächen zählen bei der Ermittlung der Gebäudehöhe mit. Weiters darf die zulässige Gebäudehöhe um höchstens 1,50 m überschritten werden, wenn diese Überschreitung innerhalb derselben Front flächenmäßig ausgeglichen wird; § 75 Abs. 4 ist einzuhalten. Dasselbe gilt für Gebäude an Verkehrsflächen, deren festgesetzte Höhenlage an der Gebäudefront nicht einheitlich ist. Der oberste Abschluss aller anderen Fronten darf den der Straßenfront nicht überschreiten, doch bleiben die der Dachform entsprechenden Giebelflächen an diesen anderen Fronten außer Betracht, und der oberste Abschluss des Daches darf keinesfalls höher als 7,5 m über der zulässigen Gebäudehöhe liegen, sofern der Bebauungsplan nichts anderes bestimmt.
Im vorliegenden Fall werden die Hauptgeschoßhöhen von 2,80 m in dem an der Baulinie Baldiagasse errichteten Gebäude insgesamt um mehr als 1,50 m überschritten. Da auch die übrigen Voraussetzungen des § 75 Abs. 9 BO - Bauland außerhalb der Schutzzone, Bauklasse III, keine Einschränkung der Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen - vorliegen, darf die Gebäudehöhe von 14,00 m um 1,50 m überschritten werden. Die bezüglich der Baulinie Baldiagasse somit zulässige Gebäudehöhe von 15,50 m wird - wie den Einreichplänen entnommen werden kann - nicht überschritten. Zudem liegt der an der der Liegenschaft der Beschwerdeführerinnen zugewandten (gegenüberliegenden) Gebäudeseite nach den Einreichplänen situierte Aufzugsschachtteil samt Stiegenhaus als raumbildender Gebäudeteil (vgl. etwa das hg Erkenntnis von , Zl. 2006/05/0274, mwH) unter der im letzten Satz des § 81 Abs. 1 BO angegebenen Grenze von 7,5 m über der zulässigen Gebäudehöhe.
Zur Behauptung der Beschwerdeführerinnen, durch die Überschreitung der Gebäudehöhe werde der Lichteinfall beeinträchtigt, ist festzustellen, dass im § 134a Abs. 1 BO die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte erschöpfend aufgezählt sind. Ein Recht auf Einhaltung des im § 78 BO geregelten Lichteinfalls, wie es die Beschwerdeführerinnen geltend machen, ist in dieser Bestimmung nicht genannt. Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0185, ausgeführt, dass die Bestimmungen des § 78 BO (Lichteinfall) keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte begründen, den Nachbarn steht nur das Recht zu, dass der Neubau in einer vom Gesetz bzw. dem Bebauungsplan bestimmten Entfernung von seiner Liegenschaft aufgeführt wird und gegenüber diesem Nachbarn die zulässige Gebäudehöhe nicht überschreitet. Da im Beschwerdefall die geschlossene Bauweise festgesetzt ist, sind die Beschwerdeführerinnen durch das Bauvorhaben in keinen Abstandsbestimmungen verletzt. Die zulässigen Gebäudehöhen werden nicht überschritten. Darüber hinaus wurde vom Amtssachverständigen nachvollziehbar festgehalten, dass der Lichteinfall auf die Liegenschaft der Beschwerdeführerinnen nicht beeinträchtigt wird. Diesen Ausführungen sind die Beschwerdeführerinnen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
Gemäß § 134a Abs. 2 BO dienen die Bestimmungen gemäß Abs. 1 lit. e dem Schutz der Nachbarn nur insoweit, als nicht ein gleichwertiger Schutz bereits durch andere Bestimmungen gegeben ist. Ein solcher gleichwertiger Schutz ist jedenfalls gegeben bei Immissionen aus Gebäuden, Gebäudeteilen oder baulichen Anlagen mit gewerblicher Nutzung im Industriegebiet, im Gebiet für Lager- und Ländeflächen, in Sondergebieten, im Betriebsbaugebiet sowie im sonstigen gemischten Baugebiet, sofern auf sie das gewerberechtliche Betriebsanlagenrecht zur Anwendung kommt. Da auf die gegenständliche bauliche Erweiterung einer KfZ-Werkstätte das gewerberechtliche Betriebsanlagenrecht zur Anwendung gelangt, können im Bauverfahren nach dem Wortlaut des § 134 a Abs. 2 BO Immissionen gemäß § 134a Abs. 1 lit. e BO nicht geltend gemacht werden.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am