VwGH vom 02.11.2016, 2013/06/0174

VwGH vom 02.11.2016, 2013/06/0174

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde der L in S, vertreten durch Mag. Max Verdino, Mag. Gernot Funder und Mag. Eduard Sommeregger, Rechtsanwälte in 9300 St. Veit/Glan, Waagstraße 9, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 07-B-BRM-1427/1-2013, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bauansuchen vom beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung der Baubewilligung für den Umbau beim bestehenden Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. 710/18, KG S, R-Weg 18.

2 Nach Durchführung einer Bauverhandlung am an Ort und Stelle wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung der Baubewilligung ab, weil diese trotz Aufforderung den Nachweis über die (für das Bauvorhaben zumindest) erforderlichen Stellplätze nicht beigebracht habe.

3 Die Beschwerdeführerin erhob Berufung (vom ), die der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom (Beschlussfassung vom ) als unzulässig zurückwies (gemeint wohl: als unbegründet abwies) und den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde in vollem Umfang bestätigte.

4 Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin vom wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom als unbegründet abgewiesen.

5 Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe mit Kaufvertrag vom an der im unmittelbaren Nahebereich des Hauses R-Weg 18 gelegenen Liegenschaft EZ 1175, KG S, näher bezeichnete ideelle Miteigentumsanteile, mit welchen jeweils das Wohnungseigentum an einem Abstellplatz verbunden sei, erworben und habe damit ihrer Verpflichtung zur Schaffung von PKW-Stellplätzen für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben jedenfalls Genüge getan, werde ausgeführt, dass gemäß § 18 Abs. 5 K-BO 1996 die Behörde bei Vorhaben nach § 6 lit. a bis c leg. cit. die Schaffung der nach Art, Lage, Größe und Verwendung des Gebäudes oder der baulichen Anlage notwendigen (...) Stellplätze für Kraftfahrzeuge (...) durch Auflagen anzuordnen habe. Die Lage und Ausführung dieser Einrichtungen habe sich nach den örtlichen Erfordernissen zu richten. Aufgrund der Textierung "Schaffung" von Stellplätzen müsse geschlossen werden, dass für die nunmehr zusätzlich benötigten Abstellflächen neue Stellplätze geschaffen werden müssten. Diesbezüglich werde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/05/0137) zu der insofern vergleichbaren Rechtslage nach der Oberösterreichischen Bauordnung 1994 verwiesen; die Inanspruchnahme anderer Stellplätze, die bereits einer anderen baulichen Anlage als notwendige Stellplätze zugeordnet seien, sei nicht möglich.

6 Es widerspräche grundlegend der Intention des § 18 Abs. 5 K-BO 1996, dass notwendige Stellplätze für Gebäude und bauliche Anlagen "endlos" untereinander teilbar wären bzw. nach der Genehmigung in einer Kette an andere Bauwerber weitergegeben werden könnten. Der Sinn des § 18 Abs. 5 K-BO 1996 liege gerade darin, für die entsprechende Anzahl an Stellflächen zu sorgen, um es nicht zu einer unzumutbaren Verparkung der öffentlichen Verkehrsflächen kommen zu lassen und eine entsprechende Zufahrt zum Objekt und Parkmöglichkeit beim bzw. in der Nähe des Objektes zu bieten.

7 Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , B 704/2013-4, deren Behandlung ablehnte und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

8 Die Beschwerdeführerin beantragt in ihrer (für den Fall der Abtretung erstatteten) Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

9 Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Die mitbeteiligte Gemeinde hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

11 Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

12 Im Beschwerdefall ist folgende Rechtslage im Hinblick auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung () des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde von Bedeutung:

Kärntner Bauordnung 1996 (K-BO 1996) in der Stammfassung LGBl. Nr. 62/1996 (vgl. Art. V. der Anlage zur K-BO 1996) (auszugsweise):

"§ 6

Baubewilligungspflicht

Sofern es sich nicht um ein bewilligungsfreies Vorhaben nach § 7 handelt, bedarf einer Baubewilligung:

a) die Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen

Anlagen;

b) die Änderung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen;

c) die Änderung der Verwendung von Gebäuden oder

Gebäudeteilen, sofern für die neue Verwendung andere öffentlich-

rechtliche, insbesondere raumordnungsrechtliche Anforderungen

gelten als für die bisherige Verwendung;

d) der Abbruch von Gebäuden, Gebäudeteilen, sonstigen

baulichen Anlagen oder Teilen von solchen;

e) die Errichtung und die Änderung von zentralen

Feuerungsanlagen mit einer Nennwärmeleistung über 50 kW, hinsichtlich der Etagenheizungen jedoch nur dann, wenn sie mit flüssigen oder gasförmigen Brennstoffen betrieben werden.

§ 17

Voraussetzungen

(1) Die Behörde hat die Baubewilligung zu erteilen, wenn dem Vorhaben nach Art, Lage, Umfang, Form und Verwendung öffentliche Interessen, insbesondere solche der Sicherheit, der Gesundheit, der Energieersparnis, des Verkehrs, des Fremdenverkehrs sowie der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Schutzes des Ortsbildes nicht entgegenstehen. Die Baubewilligung darf nur mit schriftlichem Bescheid erteilt werden.

(2) Bei Vorhaben nach § 6 lit. a bis c darf die

Baubewilligung darüber hinaus nur erteilt werden, wenn kein Grund

nach § 13 Abs. 2 entgegensteht und eine der Art, Lage und

Verwendung des Vorhabens entsprechende

a) Verbindung zu einer öffentlichen Fahrstraße,

b) Wasserversorgung und

c) Abwasserbeseitigung

sichergestellt ist.

...

§ 18

Auflagen

(1) Entspricht das Vorhaben den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 nicht, sind diese durch Auflagen herzustellen. Durch solche Auflagen darf das Vorhaben in seinem Wesen nicht verändert werden.

(2) ...

(3) ...

(4) ...

(5) Bei Vorhaben nach § 6 lit. a bis c hat die Behörde die Schaffung der nach Art, Lage, Größe und Verwendung des Gebäudes oder der baulichen Anlagen notwendigen Kinderspielplätze, Garagen, Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie die für Behinderte erforderlichen baulichen Vorkehrungen und die Voraussetzungen für Vorkehrungen für den Grundschutz durch Auflagen anzuordnen. Die Lage und Ausführung dieser Einrichtungen hat sich nach den örtlichen Erfordernissen zu richten. Kinderspielplätze haben nach ihrer Lage der Sicherheit der Kinder Rechnung zu tragen.

...

§ 19

Versagung

(1) Sind die Voraussetzungen für die Erteilung der Baubewilligung nicht gegeben und können sie durch Auflagen nach § 18 Abs. 1 nicht hergestellt oder können die Auflagen nach § 18 Abs. 3, 5 und 6 nicht erfüllt werden, ist die Baubewilligung zu versagen.

..."

13 Die Beschwerdeführerin bringt vor, sowohl der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde als auch der Gemeindevorstand hätten es unterlassen, Auflagen nach § 18 Abs. 5 K-BO 1996 anzuordnen. Diese Bestimmung räume der Behörde kein Ermessen ein, ob sie nun bei Vorhaben nach § 6 lit. a bis c leg. cit. die Schaffung der nach Art, Lage, Größe und Verwendung des Gebäudes oder der baulichen Anlage notwendigen Stellplätze für Kraftfahrzeuge durch Auflagen anordne oder nicht; die Behörde sei vielmehr zur Erteilung von Auflagen verpflichtet. Gemäß § 19 K-BO 1996 sei die Baubewilligung lediglich dann zu versagen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Baubewilligung nicht gegeben seien und sie durch Auflagen nach § 18 Abs. 1 K-BO 1996 nicht hergestellt oder die Auflagen nach § 18 Abs. 3, 5 und 6 K-BO 1996 nicht erfüllt werden könnten. Dass die erforderlichen PKW-Stellplätze durch Auflagen nicht hergestellt oder die Auflagen nach § 18 Abs. 5 K-BO 1996 nicht erfüllt werden könnten, sei nicht der Fall; dies sei weder von der Behörde erster Instanz noch von der Behörde zweiter Instanz behauptet worden. Demzufolge hätte die Baubehörde erster Instanz bzw. in der Folge die Baubehörde zweiter Instanz dem Antrag der Beschwerdeführerin vom unter Erteilung von Auflagen jedenfalls stattgeben müssen.

14 Die Baubewilligung ist nach § 19 Abs. 1 K-BO 1996 dann zu versagen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Baubewilligung nicht gegeben sind und durch Auflagen nach § 18 Abs. 1 leg. cit. nicht hergestellt oder die Auflagen nach § 18 Abs. 3, 5 und 6 nicht erfüllt werden können.

15 Dass Auflagen nach § 18 Abs. 3, 5 und 6 K-BO 1996 nicht erfüllt werden können, bedeutet, dass solche Auflagen zulässigerweise nicht dem Baubewilligungsbescheid beigefügt werden dürfen und/oder solche Auflagen vom Bauwerber nicht erfüllt werden können, insbesondere weil sie für den Bauwerber unmöglich oder unerschwinglich sind (vgl. Pallitsch/Pallitsch/Kleewein , Kärntner Baurecht, 5. Auflage, S. 255 Z. 5).

16 Die belangte Behörde stützt die Abweisung der Baubewilligung nicht darauf, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Baubewilligung nicht gegeben seien, sondern begründet dies im Wesentlichen (nur) damit, in Bezug auf die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Stellplätze widerspräche es der Intention des § 18 Abs. 5 K-BO 1996, dass notwendige Stellplätze für Gebäude und bauliche Anlagen "endlos" untereinander teilbar wären bzw. nach der Genehmigung in einer Kette an andere Bauwerber weitergegeben werden könnten.

17 Feststellungen dazu, ob gegenständlich die Auflage "Stellplätze für Kraftfahrzeuge" nach § 18 Abs. 5 K-BO 1996 im dargelegten Sinn tatsächlich nicht erfüllt werden kann, wurden im Verwaltungsverfahren nicht getroffen.

18 Hinzuweisen ist darauf, dass § 18 Abs. 5 K-BO die nach Art. 18 B-VG erforderliche hinreichende Umschreibung der aufgrund dieser Gesetzesstelle zulässigen Auflagen enthält (vgl. Pallitsch/Pallitsch/Kleewein , Kärntner Baurecht, 5. Auflage, S. 251 Z. 24 mwN).

19 Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob durch die von der Beschwerdeführerin konkret vorgeschlagenen Stellplätze eine derartige Auflage erfüllt werden könnte, bedeutet dies doch auch verneinendenfalls nicht, dass die Erfüllung dieser Auflage nicht auf anderem Wege möglich wäre.

20 Der angefochtene Bescheid ist somit mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl II Nr. 8/2014). Wien, am