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VwGH vom 21.03.2014, 2013/06/0172

VwGH vom 21.03.2014, 2013/06/0172

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag. Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde der Stadtgemeinde V, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in 6600 Reutte/Tirol, Untermarkt 16, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. RoBau-2-833/41/8-2013, betreffend Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung betreffend die Änderung eines Flächenwidmungsplanes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

In der Sitzung vom beschloss der Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde die Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich S, Grundstücke Nr. 2602, von derzeit "Gewerbe- und Industriegebiet" in künftig "Sonderfläche Handelsbetrieb, SH-1, Höchstausmaß Kundenfläche 600 m2" gemäß § 48a Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 (TROG 2011).

Mit Schreiben vom wurden die Verwaltungsakten der Tiroler Landesregierung als Aufsichtsbehörde zur Genehmigung übermittelt.

Die belangte Behörde führte sodann ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch. Den übermittelten Verwaltungsakten sind zwei unterschiedliche Stellungnahmen von Sachverständigen zu entnehmen. DI N. von der Abteilung Landesentwicklung und Zukunftsstrategie, Sachgebiet Raumordnung, des Amtes der Tiroler Landesregierung übermittelte am eine Stellungnahme, in der er zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangte, dass unter Berücksichtigung näherer Ausführungen gegen die vorliegende Flächenwidmungsplanänderung aus raumordnungsfachlicher Sicht kein Einwand erhoben werde. Am wurde der Abteilung Bau- und Raumordnungsrecht der belangten Behörde eine Stellungnahme von DI O (der Internethomepage der Tiroler Landesregierung zufolge handelt es sich dabei um den Abteilungsleiter Stellvertreter-Sachgebietsleiter für das Sachgebiet Raumordnung der Tiroler Landesregierung) übermittelt, in welcher dieser zusammenfassend ausführte, gegen die vorliegende Flächenwidmungsplanänderung werde unter Berücksichtigung näherer Ausführungen aus raumordnungsfachlicher Sicht ein Einwand erhoben, welcher vor allem aus der zusätzlichen Schwächung des Ortskernes resultiere; seit Jahren werde in Tirol ein Hauptaugenmerk auf funktionierende und belebte Zentren gelegt und dies auch mit beträchtlichen Finanzmitteln unterstützt; es könne daher nicht sinnvoll sein, noch bestehende Nahversorger zum Schließen zu bringen und ein wesentliches Element eines Ortskernes an die Peripherie zu verlegen. Auch diese Stellungnahme von DI O ist mit datiert.

Weiters äußerten sich die S-AG, der Betreiber eines Lebensmittelgeschäftes im Zentrum der beschwerdeführenden Stadtgemeinde, sowie die Wirtschaftskammer Tirol negativ zur geplanten Änderung des Flächenwidmungsplanes.

Mit Schreiben vom räumte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Stadtgemeinde im Rahmen des Parteiengehörs die Möglichkeit ein, zu der "Stellungnahme des Amtssachverständigen für örtliche Raumplanung vom ", zur Stellungnahme der Wirtschaftskammer Tirol sowie der S-AG Stellung zu nehmen. Sie wies darauf hin, dass aus Sicht des Amtssachverständigen für örtliche Raumplanung ein Einwand gegen die geplante Änderung erhoben werde.

Mit Schriftsatz vom führte die beschwerdeführende Stadtgemeinde unter anderem aus, aus ihrer Sicht sei nicht erkennbar, dass eine fundierte Begründung für die Ablehnung der betreffenden Umwidmungsmaßnahme vorliege. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass keine Standortoptionen im Ortszentrum bestünden und die Errichtung eines Lebensmittelmarktes auf Grund der bestehenden Struktur und der Besitzverhältnisse sowie der gesetzlichen Bestimmungen der Tiroler Bauordnung in diesem Bereich nicht möglich sei. Die Errichtung am geplanten Standort hätte ausschließlich positive Effekte für die örtliche Entwicklung; neben einer verbesserten Nutzung des Gewerbegebietes und einer verbesserten Struktur im Nahversorgungsbereich sei von steigenden Einnahmen aus der Kommunalsteuer für die beteiligten Gemeinden im Gewerbegebiet auszugehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid (vom ) versagte die belangte Behörde die aufsichtsbehördliche Genehmigung für die Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich S, Grundstücke Nr. 2602, von derzeit "Gewerbe- und Industriegebiet" in künftig "Sonderfläche Handelsbetrieb, SH-1, Höchstausmaß Kundenfläche 600 m2". In ihrer Begründung bezog sie sich auf die Stellungnahme des Amtssachverständigen für örtliche Raumordnung, in der dieser ausgeführt habe, dass die gegenständliche Änderung des Flächenwidmungsplanes zum Teil den Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes widerspreche; die Ortsbelebung und Revitalisierung von Ortskernen sei eine Hauptaufgabe der Raumordnung; durch die Errichtung eines Nahversorgers über 1,5 km entfernt vom Ortskern und weitab vom Ortsrand würde der Ortskern jedoch geschwächt und die Kunden würden aus dem Ort abgezogen; aus Sicht des Amtssachverständigen für örtliche Raumplanung werde ein Einwand gegen die Änderung des Flächenwidmungsplanes im Bereich S (Gewerbegebiet) erhoben.

Das Gewerbegebiet sei - so die belangte Behörde weiter - an den öffentlichen Personennahverkehr nicht optimal angeschlossen. Die nächste (Bus)Haltestelle liege ca. 500 m entfernt, wobei der Fußweg zum Gewerbegebiet direkt an der Bundesstraße verlaufe und diese sogar überquert werden müsste. Im Sinn des § 48a Abs. 3 lit. b TROG 2011 sei zur Sicherung einer zeitgemäßen Nahversorgung unter Beachtung der bestehenden Siedlungsstrukturen einer innerörtlichen Entwicklung der Vorrang zu geben. Für nicht oder nur wenig mobile Bevölkerungsgruppen sei ausschließlich der Standort des S-Marktes im Ortszentrum erreichbar. Auch unter dem Blickwinkel der Beachtung einer bestehenden Siedlungsstruktur sei ein Standort im Gewerbegebiet außerhalb des Ortskernes oder sogar weitab vom Ortsrand abzulehnen. Nach dem Erläuterungsbericht des örtlichen Raumordnungskonzeptes der beschwerdeführenden Stadtgemeinde wäre bei einer zusätzlichen Ansiedlung eines Nahversorgers eine zentrale Lage ideal. Der geplante Standort im Gewerbegebiet widerspreche somit den Zielen der örtlichen Raumordnung und dem örtlichen Raumordnungskonzept der beschwerdeführenden Stadtgemeinde.

Auch dem Raumordnungsgrundsatz der bodensparenden Bauweise werde nicht entsprochen, weil ein weiteres Gebäude im Gewerbegebiet errichtet werde. Die Schaffung eines Handelsbetriebes in einem Gewerbegebiet widerspreche zudem § 48a Abs. 3 lit. c TROG 2011, weil dies den Platz eines potentiellen Gewerbebetriebes belegen würde.

Der Änderung des Flächenwidmungsplanes sei daher die aufsichtsbehördliche Genehmigung gemäß § 67 Abs. 3 lit. f und lit. h TROG 2011 zu versagen, weil die Änderung nicht geeignet sei, eine geordnete räumliche Entwicklung der Stadtgemeinde im Sinn der Ziele der örtlichen Raumordnung sicherzustellen und die Änderung überdies dem TROG 2011 widerspreche. Darüber hinaus beeinflusse eine Ansiedlung eines Handelsbetriebes im Gewerbegebiet eine Standortsicherung im Zentrum der Stadtgemeinde nachhaltig negativ.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der dagegen zunächst bei ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom , B 588/2013-12, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof unter einem zur Entscheidung abgetreten. In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Im vorliegenden Fall sind die §§ 27, 36, 48a und 67 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 (TROG 2011) in der Fassung LGBl. Nr. 56/2011 anzuwenden. Diese lauten (auszugsweise):

"§ 27

Aufgaben und Ziele der örtlichen Raumordnung

(1) Die örtliche Raumordnung dient der geordneten räumlichen Entwicklung der Gemeinde. Sie hat im Einklang mit den Raumordnungsprogrammen und, soweit solche nicht bestehen, unter Bedachtnahme auf die Ziele und Grundsätze der überörtlichen Raumordnung zu erfolgen. Weiters ist auf die örtlichen Raumordnungsinteressen der Nachbargemeinden, insbesondere im Bereich der gemeinsamen Grenzen, Bedacht zu nehmen.

(2) Ziele der örtlichen Raumordnung sind insbesondere:


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a) die Erhaltung und Entwicklung des Siedlungsraumes und die Verhinderung der Zersiedelung durch die bestmögliche Anordnung und Gliederung der Bebauung, insbesondere des Baulandes im Hinblick auf die Erfordernisse des Schutzes des Landschaftsbildes, der Sicherung vor Naturgefahren, der verkehrsmäßigen Erschließung, insbesondere auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln, der Erschließung mit Einrichtungen zur Wasser-, Löschwasser- und Energieversorgung, zur Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung sowie der Schaffung sonstiger infrastruktureller Einrichtungen, wie Kindergärten, Schulen und dergleichen,
b) die Ausweisung ausreichender Flächen zur Befriedigung des Wohnbedarfes der Bevölkerung und für die Erhaltung und Weiterentwicklung der Wirtschaft entsprechend dem bei einer zweckmäßigen und Boden sparenden Bebauung im jeweiligen Planungszeitraum (§ 31a) gegebenen Bedarf,
c) die weitestmögliche Vermeidung von Nutzungskonflikten und wechselseitigen Beeinträchtigungen beim Zusammentreffen verschiedener Widmungen, insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die Standorte von Betrieben im Sinn des § 1 Abs. 2 lit. e und die für die Ansiedlung oder Erweiterung solcher Betriebe vorgesehenen Standorte,
d) die Vorsorge für die bestimmungsgemäße Verwendung des Baulandes und der bestehenden Bausubstanz insbesondere zur Deckung des Grundbedarfes an Wohnraum und an Flächen für Zwecke der Wirtschaft zu angemessenen Preisen, insbesondere durch Maßnahmen nach § 33,
e) die Vorsorge für eine zweckmäßige und Boden sparende, auf die Bedürfnisse der Bevölkerung und die Erfordernisse des Schutzes des Orts Straßen- und Landschaftsbildes abgestimmte Bebauung unter Berücksichtigung der Möglichkeiten verdichteter Bauformen einschließlich der nachträglichen Verdichtung bestehender Bauformen,
f) die Vorsorge für eine zweckmäßige und Boden sparende verkehrsmäßige Erschließung der bebauten und zu bebauenden Gebiete unter Berücksichtigung auch der Erfordernisse des öffentlichen Verkehrs sowie des Fußgänger- und Radverkehrs,
g) die Vorsorge für eine ausreichende und einwandfreie Wasser- und Löschwasserversorgung und eine geordnete Abwasserbeseitigung,
h) die Erhaltung zusammenhängender land- und forstwirtschaftlich nutzbarer Gebiete,
i) die Erhaltung ökologisch besonders wertvoller Flächen und die Bewahrung erhaltenswerter natürlicher oder naturnaher Landschaftselemente und Landschaftsteile,
j) die Erhaltung zusammenhängender Erholungsräume,
k) die Sicherung geeigneter Grundflächen für Einrichtungen des Gemeinbedarfs,
l) die Schaffung der erforderlichen Verkehrsflächen der Gemeinde unter weitestmöglicher Vermeidung von nachteiligen Auswirkungen des Verkehrs auf die Bevölkerung und die Umwelt,
m) die Bewahrung erhaltenswerter Orts- und Straßenbilder sowie erhaltenswerter Gebäudegruppen,
n) die Stärkung und Belebung gewachsener Ortskerne.

§ 36

Änderung

(1) Der Flächenwidmungsplan ist zu ändern, soweit dies


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a)
aufgrund einer Änderung des örtlichen Raumordungskonzeptes,
b)
zur Verwirklichung einer dem örtlichen Raumordnungskonzept, insbesondere den Festlegungen nach § 31 Abs. 1 lit. d, e und f, entsprechenden weiteren räumlichen Entwicklungen der Gemeinde,
c)
aufgrund von Raumordnungsprogrammen oder anderen vorrangigen raumbedeutsamen Planungen oder Maßnahmen des Landes zur Vermeidung von Planungswidersprüchen oder
d)
aufgrund von unionsrechtlichen Verpflichtungen Österreichs oder aufgrund der verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung raumbedeutsamer Planungen oder Maßnahmen des Bundes zur Vermeidung von Planungswidersprüchen
erforderlich ist.

(2) Der Flächenwidmungsplan darf geändert werden, wenn die Änderung

a) den Zielen der örtlichen Raumordnung und dem örtlichen Raumordnungskonzept nicht widerspricht und ein Bedarf an der widmungsgemäßen Verwendung der betreffenden Grundflächen besteht, insbesondere zum Zweck der Befriedigung des Wohnbedarfes oder für Zwecke der Wirtschaft,

b) einer den Zielen der örtlichen Raumordnung und dem örtlichen Raumordnungskonzept entsprechenden Abrundung von Widmungsbereichen dient,

c) ...

§ 48a

Sonderflächen für Handelsbetriebe

(1) Die Schaffung und die Erweiterung von Handelsbetrieben mit einer Kundenfläche von mehr als 300 m2 ist unbeschadet des § 49 außer in Kernzonen im Sinn des § 8 Abs. 3 nur auf Sonderflächen für Handelsbetriebe zulässig. § 8 Abs. 1 zweiter und dritter Satz und Abs. 2 gilt sinngemäß.

(2) Bei der Widmung von Sonderflächen für Handelsbetriebe können der Betriebstyp laut der Anlage sowie das jeweils zulässige Höchstausmaß der Kundenfläche festgelegt werden. Weiters kann festgelegt werden, ob Lebensmittel angeboten werden dürfen. Gegebenenfalls ist ferner das zulässige Höchstausmaß jenes Teiles der Kundenfläche festzulegen, auf dem Lebensmittel angeboten werden dürfen.

(3) Bei der Widmung von Sonderflächen für Handelsbetriebe ist unbeschadet der Ziele der örtlichen Raumordnung insbesondere Bedacht zu nehmen auf:


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a)
eine Boden sparende Bebauung und verkehrsmäßige Erschließung,
b)
die bestehenden Siedlungs- und Wirtschaftsstrukturen,
c)
die Erhaltung ausreichender Flächen für die Weiterentwicklung anderer Wirtschaftszweige,
d)
die Art der verkehrsmäßigen Erschließung der betreffenden Grundflächen und deren Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr.

(4) Die Abs. 1, 2 und 3 gelten nicht für Handelsbetriebe, in denen Kraftfahrzeuge und ergänzend dazu Kraftfahrzeugzubehör und höchstens in einem geringfügigen Ausmaß andere Waren angeboten werden.

§ 67

Aufsichtsbehördliche Genehmigung

(1) ...

(2) Der Flächenwidmungsplan ist nach der Beschlussfassung durch den Gemeinderat der Landesregierung zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung vorzulegen. Die Vorlage hat in Form digitaler Daten auf elektronischem Weg über die dafür bestehende EDV-Anwendung zu erfolgen. Die digitalen Daten haben die Unterlagen nach Abs. 1 dritter Satz zu enthalten. Die Landesregierung hat die erhaltenen digitalen Daten unverzüglich zu dokumentieren und elektronisch zu signieren. Abs. 1 vierter Satz gilt sinngemäß.

(3) ...

(4) Dem Flächenwidmungsplan ist die aufsichtsbehördliche Genehmigung weiters zu versagen, wenn

a) dieser im

Widerspruch zum örtlichen Raumordnungskonzept steht oder

b) eine Festlegung nach § 13 Abs. 2 zweiter und dritter Satz erfolgt ist, obwohl der aufgrund des § 13 Abs. 3 dritter und vierter Satz höchstzulässige Anteil der Freizeitwohnsitze an der Gesamtzahl der Wohnungen bereits überschritten ist.

(5) Liegt ein Versagungsgrund nach Abs. 3 oder 4 nicht vor, so ist die aufsichtsbehördliche Genehmigung zu erteilen.

(6) ...

(7) Die Entscheidung der Landesregierung über die Erteilung oder Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung für den Flächenwidmungsplan hat mit schriftlichem Bescheid zu erfolgen. Gleichzeitig sind die digitalen Daten elektronisch zu signieren und der Gemeinde zu übermitteln. Die Erteilung oder Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung und die Übermittlung der Daten an die Gemeinde sind in der bestehenden EDV-Anwendung zu dokumentieren. Die Gemeinde hat die Daten dauerhaft zu verwahren."

Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, die Errichtung eines Lebensmittelmarktes im Ortskern sei auf Grund der bestehenden Struktur und der Besitzverhältnisse sowie der gesetzlichen Bestimmungen der TBO 2011 nicht möglich; im Stadtzentrum könnten nicht einmal die geforderten Parkplätze für einen Lebensmittelmarkt zur Verfügung gestellt werden. Das zusätzliche Angebot des geplanten Handelsbetriebes im Gewerbegebiet widerspreche in keiner Weise den Zielen der örtlichen Raumordnung. Wenn die belangte Behörde einerseits bemängle, dass eine Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr nicht optimal gegeben sei, andererseits jedoch argumentiere, die Ansiedlung eines Handelsbetriebes im Gewerbegebiet beeinflusse eine Standortsicherung im Zentrum nachhaltig negativ, sei dies widersprüchlich. Der Weiterbestand des im Ortszentrum bestehenden Nahversorgers werde gerade durch die weniger mobile Bevölkerung jedenfalls gesichert. Die belangte Behörde weise wiederholt auf die "Stärkung der Ortskerne" als wesentliches Ziel der örtlichen Raumordnung hin. In diesem Zusammenhang wäre es erforderlich gewesen, auf die Besonderheiten im Ortsgebiet der beschwerdeführenden Stadtgemeinde einzugehen. Der geplante Handelsbetrieb belege auch nicht den Platz eines potentiellen Gewerbebetriebes, weil im unmittelbaren Nahebereich genügend Raum für allenfalls anzusiedelnde Gewerbebetriebe verbleibe; ein Widerspruch zu § 48a Abs. 3 lit. c TROG 2011 liege daher nicht vor. Ob die Änderung eines Flächenwidmungsplanes geeignet sei, eine geordnete räumliche Entwicklung der Stadtgemeinde im Sinn der Ziele der örtlichen Raumordnung sicherzustellen, stelle eine Ermessensentscheidung dar. Die belangte Behörde sei der ihr diesbezüglich zukommenden erhöhten Begründungs- bzw. Konkretisierungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Auch hinsichtlich eines alternativen Standortes im Ortskern habe die belangte Behörde kein Ermittlungsverfahren geführt und diesbezüglich keine Feststellungen getroffen. Wenn die belangte Behörde die Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung auch auf die Stellungnahme des Amtssachverständigen für örtliche Raumordnung stütze, gehe sie leichtfertig vom Inhalt der Akten ab und lasse den konkreten Sachverhalt außer Acht. Aus der Stellungnahme vom gehe klar hervor, dass der Sachverständige aus raumordnungsfachlicher Sicht keinen Einwand gegen die durch die beschwerdeführende Stadtgemeinde angestrebte Flächenwidmungsplanänderung erhebe. Er führe vielmehr aus, dass die Änderung grundsätzlich den Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes und den Aufgaben sowie Zielen der örtlichen Raumordnung entspreche. Es gebe zwar einen kleinen Lebensmittelmarkt im Zentrum der Stadt, dieser decke jedoch nur einen geringen Teil des Bedarfes ab und ein Großteil der Kaufkraft fließe nach Deutschland oder in den Großraum Reutte ab. Eine Erweiterung bzw. Vergrößerung der Kundenfläche sei auf Grund der Bestandsituation im Zentrum der beschwerdeführenden Stadtgemeinde nicht möglich; der geplante Standort am Ortsrand sei fußläufig noch zumutbar; die Standortwahl sei durch eine hohe Kundenfrequenz in Kombination mit dem Tanktourismus an der daneben errichteten Tankstelle an der Hauptreiseroute (Fernpassstraße) mit dem weitreichenden Einzugsgebiet begründbar.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass § 48a TROG 2011, auf den die belangte Behörde ihre Entscheidung maßgeblich stützt, die (erstmalige) Widmung von Sonderflächen für Handelsbetriebe regelt. Die Voraussetzungen zur Änderung eines Flächenwidmungsplanes sind hingegen in § 36 TROG 2011, im vorliegenden Fall insbesondere in dessen Abs. 2, enthalten. Die Zulässigkeit der in § 36 Abs. 2 TROG 2011 geregelten fakultativen Änderung des Flächenwidmungsplanes - eine Verpflichtung zur Änderung gemäß Abs. 1 wurde nicht vorgebracht und ist auch aus den Verwaltungsakten nicht zu erkennen - sind stark eingeschränkt. Als Grundvoraussetzung ist gefordert, dass weder ein Widerspruch zu den Zielen der örtlichen Raumordnung noch zum örtlichen Raumordnungskonzept vorliegt. Weiters muss die Änderung für die Entwicklung der Gemeinde insgesamt vorteilhaft sein (lit. a) oder (lit. b) einer raumordnerisch günstigen Abrundung eines bestimmten Widmungsbereiches dienen (vgl. die Ausführungen in Schwaighofer , Tiroler Raumordnungsrecht, Rz 3 zu dem inhaltlich unverändert gebliebenen § 36 TROG 2006). Mit diesen Anforderungen setzte sich die belangte Behörde nicht auseinander. Die Ausführungen zu § 48a TROG 2011 sind auf § 36 Abs. 2 leg. cit. nur bedingt übertragbar.

Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der angefochtene Bescheid leidet aber auch unter einem wesentlichen Verfahrensmangel.

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. In der Begründung des Bescheides sind gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Liegen der Behörde einander widersprechende Gutachten vor, so hat sie in der Begründung ihres Bescheides anzugeben, welche Erwägungen maßgebend waren, das eine Beweismittel dem anderen vorzuziehen; die Umstände, welche sie dazu veranlassten, hat sie in der im Rahmen der Bescheidbegründung näher anzuführenden Beweiswürdigung darzulegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/06/0217, mwN).

Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid nicht.

Aus den Verwaltungsakten ist nicht ersichtlich, welche der beiden einander widersprechenden Stellungnahmen der Amtssachverständigen, nämlich jene von DI N., in der dieser keinen Einwand gegen die geplante Flächenwidmungsplanänderung erhob, oder jene von DI O., in der ein Einwand gegen die geplante Änderung zum Ausdruck gebrachte wurde, den Parteien mit Schreiben vom übermittelt wurde. Als Anlage wurde nämlich lediglich die "Stellungnahme des Amtssachverständigen für örtliche Raumordnung vom " angeführt. Beide Stellungnahmen sind jedoch mit datiert, wobei jene von DI N. tatsächlich am , jene von DI O. hingegen erst am (beide per E-Mail) übermittelt wurde. Auf Grund der Stellungnahme der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom sowie des Beschwerdevorbringens die Äußerungen des Amtssachverständigen betreffend ist davon auszugehen, dass dieser nur die die geplante Flächenwidmungsplanänderung befürwortende Stellungnahme von DI N. bekannt war. Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung jedoch erkennbar jene von DI O. zugrunde, ohne zu erwähnen, dass auch die abweichende Stellungnahme von DI N. vorlag, und ohne sich mit dieser auseinanderzusetzen. Dadurch wurde sowohl die beschwerdeführende Stadtgemeinde an der Verfolgung ihrer Rechte als auch der Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit gehindert.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014). Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in dieser Verordnung bereits berücksichtigt ist.

Wien, am

Fundstelle(n):
CAAAE-80479