VwGH vom 27.02.2015, 2013/06/0167
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde der B G in T, vertreten durch MMag. Johannes Pfeifer, Rechtsanwalt in 8940 Liezen, Rathausplatz 3, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. ABT13-12.10-T217/2013-6, betreffend die Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde T), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstücks Nr. 11/3, KG 67512 S. Auf dem Grundstück stehen ein Einfamilienhaus sowie ein Nebengebäude; dem Einfamilienhaus wurde in südlicher Richtung konsenslos ein Wintergarten angebaut, für den ein Beseitigungsauftrag (Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom ) erlassen wurde. Das Grundstück ist im gültigen Flächenwidmungsplan als Freiland ausgewiesen. Es liegt gemäß der Stellungnahme der Wildbach- und Lawinenverbauung vom in der Roten Wildbachgefahrenzone des S. Baches.
Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin die Baubewilligung für die Errichtung eines Schutzmauerwerks für Wohnhaus und Wintergarten für Wohnzecke. Laut Einreichplan soll die Schutzmauer südwestlich des Wohnhauses und des Wintergartens mit einer Länge von 13,27 m und einer Höhe von 1,44 m errichtet werden.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Schutzmauerwerks abgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass sich das Grundstück in der Roten Wildbachgefahrenzone des S. Baches befinde und dieser nach Auskunft der Wildbach- und Lawinenverbauung (vom ) auf Grund der vorherrschenden Geologie und des Klimas in den Rottenmanner Tauern einen der aggressivsten Wildbäche im Bezirk L darstelle. In einem Ereignisfall sei mit Mureinstößen in den Ortsraum, Ablagerung von Schlamm und Geschiebe sowie flächenhaften Überflutungen und Erosion zu rechnen. Für Gebäude in der Roten Wildbachgefahrenzone bestehe zudem die Gefahr von schweren Beschädigungen bis hin zur Zerstörung der Gebäude. In der Roten Gefahrenzone herrsche Lebensgefahr für Personen auch im Inneren von Gebäuden. Der Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für das Schutzmauerwerk sei daher gemäß § 5 Abs. 5 (richtig: § 5 Abs. 1 Z 5) Steiermärkisches Baugesetz - Stmk. BauG abzuweisen gewesen.
Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin vom wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom (Beschlussfassung vom ) abgewiesen. Auch die Berufungsbehörde verneint unter Hinweis auf die Stellungnahme der Wildbach- und Lawinenverbauung vom die Bauplatzeignung für das Grundstück gemäß § 5 Stmk. BauG auf Grund seiner Lage in der Roten Zone des S. Baches. Mit Schreiben vom habe die Wildbach- und Lawinenverbauung mitgeteilt, dass sich gegenüber ihrem Gutachten vom nichts geändert habe; das Baugrundstück befinde sich in der Roten Gefahrenzone des S. Baches; die Ereignisse des heurigen Sommers hätten die Gefährdungslage nur bestätigt; es sei mit massivsten Gefahren durch eine Beaufschlagung durch Muren mit Wildholz zu rechnen; erst nach Verwirklichung der Schutzbauten im S. Bach (Geschiebebecken, Filterbauwerke) sei an eine Neubewertung der Gefahrenzonen zu denken.
Die Vorstellung der Beschwerdeführerin vom wurde mit dem angefochtenen Bescheid (vom ) als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 5 Abs. 1 Z 5 Stmk. BauG sei ein Grundstück als Bauplatz für die vorgesehene Bebauung geeignet, wenn Gefährdungen durch Lawinen, Hochwasser, Grundwasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen und dergleichen nicht zu erwarten seien. Aus der Stellungnahme der Wildbach- und Lawinenverbauung vom ergebe sich, dass eine Ausnahmegenehmigung in Form einer Gefahrenfreistellung bezüglich des Bauplatzes gemäß § 5 Abs. 1 Z 5 Stmk. BauG nicht erteilt werde, weil beim gegenständlichen Grundstück mit massiven Gefahren durch die Beaufschlagung durch Muren mit Wildholz zu rechnen sei; erst nach Verwirklichung der Schutzbauten im S. Bach (Geschiebebecken, Filterbauwerke) sei an eine Neubewertung der Gefahrenzone zu denken. Infolge der Nichterteilung der Ausnahmegenehmigung der Wildbach- und Lawinenverbauung hinsichtlich der Gefahrenfreistellung sei die Baubewilligung mangels Bauplatzeignung zu Recht versagt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.
Gemäß § 5 Abs. 1 Z 5 Steiermärkisches Baugesetz - Stmk. BauG, LGBl. Nr. 59/1995, ist eine Grundstücksfläche als Bauplatz für die vorgesehene Bebauung geeignet, wenn Gefährdungen durch Lawinen, Hochwasser, Grundwasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen u. dgl. nicht zu erwarten sind.
Gemäß § 29 Abs. 1 Stmk. BauG in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 49/2010 hat die Behörde einem Ansuchen auf Erteilung einer Baubewilligung nur dann stattzugeben, wenn die nach diesem Gesetz für die Bewilligung geforderten Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, im Vorstellungsverfahren bestehe kein Neuerungsverbot; die belangte Behörde hätte daher prüfen müssen, ob durch die zwischenzeitig durchgeführten Schutzbauten im Bereich des S. Baches zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde eine derartige Verbesserung der Gefährdungssituation hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Grundstückes eingetreten wäre, sodass auch im Sinn des § 5 Abs. 1 Z 5 Stmk. BauG eine Bauplatzeignung für das zu errichtende Schutzmauerwerk gegeben gewesen wäre. Die dieser Entscheidung zugrunde liegende Stellungnahme der Wildbach- und Lawinenverbauung vom sei der Beschwerdeführerin erst mit dem Berufungsbescheid vom (richtig: ) zur Kenntnis gelangt. Sie habe daher keine Möglichkeit gehabt, ein Vorbringen insbesondere hinsichtlich der zwischenzeitig durchgeführten Baumaßnahmen im Bereich des S. Baches und dazu, dass durch das Schutzmauerwerk nicht nur der Wintergartenzubau, sondern auch das bestehende, mit einer rechtskräftigen und aufrechten Baubewilligung seit 1958 versehene Wohnhaus geschützt werden sollte, zu erstatten.
Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführerin die Verletzung ihres Parteiengehörs im Hinblick auf die Stellungnahme der Wildbach- und Lawinenverbauung vom in ihrer Vorstellung vom hätte rügen können; dies ist jedoch unterblieben. Der Mangel des unterbliebenen Parteiengehörs wurde durch das Einbringen der Vorstellung geheilt (vgl. die Hinweise bei Hengstschläger/Leeb , AVG § 46 Rz 40 auf die hg. Judikatur).
Im Übrigen führte die belangte Behörde - im Einklang mit der Stellungnahme der Wildbach- und Lawinenverbauung vom - aus, dass erst nach Verwirklichung der Schutzbauten im S. Bach (Geschiebebecken, Filterbauwerke) an eine Neubewertung der Gefahrenzone zu denken sei. Dem trat die Beschwerde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen.
Die Beschwerdeführerin rügt weiter einen Begründungsmangel, weil der Einreihung in die Rote Gefahrenzone nach dem Gefahrenzonenplan auf Grund des Forstgesetzes keine maßgebliche Bedeutung zukomme, sondern auf die konkrete Möglichkeit einer Gefährdung abzustellen sei (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 3064/78, und vom , Zl. 95/06/0237). Weder dem angefochtenen Bescheid noch dem Gutachten der Wildbach- und Lawinenverbauung sei zu entnehmen, ob das Schutzmauerwerk selbst durch Lawinen, Hochwasser, Vermurungen, Steinschlagrutschungen und dergleichen im Sinn des § 5 Abs. 1 Z 5 Stmk. BauG gefährdet sei. Nach Ansicht der belangten Behörde wäre daher der Bau jeder Schutzmaßnahme im Bereich von Roten Zonen unzulässig, weil Schutzbauten ebenfalls durch Hochwasser oder ähnliches gefährdet sein könnten.
Dazu ist zunächst auszuführen, dass die Stellungnahme der Wildbach- und Lawinenverbauung vom auf Grund des Antrages der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung für den Wintergarten abgegeben wurde. Die Aussagen beziehen sich jedoch auf das Baugrundstück, auf dem auch die verfahrensgegenständliche Schutzmauer errichtet werden soll. Darin wurde ausgeführt, dass der S. Bach auf Grund der vorherrschenden Geologie und des Klimas in den Rottenmanner Tauern einen der aggressivsten Wildbäche im Bezirk Liezen darstelle. In einem Ereignisfall sei mit Mureinstößen in den Ortsraum, Ablagerung von Schlamm und Geschiebe sowie flächenhaften Überflutungen und Erosion zu rechnen. Für Gebäude in der Roten Wildbachgefahrenzone bestehe zudem die Gefahr von schweren Beschädigungen bis hin zur Zerstörung der Gebäude. Des Weiteren herrsche in der Roten Gefahrenzone Lebensgefahr für Menschen auch im Inneren von Gebäuden. Auf Grund der exponierten Lage in der Roten Gefahrenzone sei nach mehreren Ortsaugenscheinen im Beisein des Gefahrenzonenplanreferenten der Sektion Steiermark festgestellt worden, dass eine ausreichende und sinnvolle wildbachtechnische Sanierung des Zubaus (Wintergarten) nicht möglich sei. Der mitbeteiligten Gemeinde werde empfohlen, die Rückversetzung in den ursprünglichen Zustand zu veranlassen sowie die im Zuge des Baus entstandene südseitige Türöffnung bis auf eine Höhe von 1,5 m über Gelände entsprechend zu vermauern. Seitens des forsttechnischen Dienstes werde die Erteilung einer Ausnahme von den Folgen eines Hinderungsgrundes für den Wintergarten abgelehnt.
Diese Einschätzung der Gefahrensituation hielt die Wildbach- und Lawinenverbauung in ihrer Stellungnahme vom für die vorgesehene Bebauung aufrecht und beurteilte die Errichtung einer Schutzmauer ebenso negativ; erst nach Verwirklichung der Schutzbauten im S. Bach (Geschiebebecken, Filterbauwerke) sei an eine Neubewertung der Gefahrenzonen zu denken.
Es trifft somit nicht zu, dass die Baubehörden die Beurteilung der Bauplatzeignung gemäß § 5 Abs. 1 Z 5 Stmk. BauG ausschließlich auf Grund der Lage des Baugrundstückes in der Roten Gefahrenzone des S. Baches trafen. Die Stellungnahmen der Wildbach- und Lawinenverbauung, auf die sich die Verwaltungsbehörden stützten, gingen vielmehr auf die konkrete Gefährdung des gegenständlichen Grundstückes ein. Ob das Schutzmauerwerk selbst etwa durch Hochwasser gefährdet sei, war nicht zu beurteilen, weil angesichts der fehlenden Eignung der Grundstücksfläche für die vorgesehene Bebauung die Baubewilligung gemäß § 29 Abs. 1 Stmk. BauG nicht zu erteilen war.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).
Wien, am