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VwGH vom 29.01.2016, 2013/06/0166

VwGH vom 29.01.2016, 2013/06/0166

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Beschwerde des DI (FH) E W in E, vertreten durch die Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Glacisstraße 27/2, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. ABT13- 12.10-E131/2013-4, betreffend Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde E), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde den Rechtsvorgängern des Beschwerdeführers, Josef und Juliana H., gemäß § 3 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung 1968 (Stmk BauO 1968) eine Widmungsbewilligung zwecks Schaffung eines Bauplatzes für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses erteilt, wobei nach Maßgabe des unter einem bewilligten Teilungsplanes vom die Grundstücke Nr. 969/1 und Nr. 968/1 in die Grundstücke Nr. 969/1 (neu), Nr. 969/4, Nr. 968/1 (neu) und 968/3, alle KG E., geteilt wurden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde dem L, einem weiteren Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers, die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf den Grundstücken Nr. 968/3 und Nr. 969/4, EZ 466, KG E., gemäß § 62 Stmk BauO 1968 iVm §§ 1 und 28 Steiermärkische Garagenordnung 1979 bewilligt.

In der Folge erwarb der Vater des Beschwerdeführers die Liegenschaft EZ 466, KG E., und mit Einantwortungsbeschluss vom wurde der Beschwerdeführer Eigentümer dieser Liegenschaft.

Mit Eingabe vom suchte der Beschwerdeführer um die Erteilung der Benützungsbewilligung für das mit Bescheid vom bewilligte, auf dem Grundstück Nr. 969/4, EZ 466, KG E., errichtete Einfamilienwohnhaus an.

Mit Eingabe vom brachte der Beschwerdeführer eine Mitteilung über einen Neubau im Ausmaß von 126,91 m2 ein, in welcher er angab, die zu Wohnzwecken genutzte Fläche betrage 189,67 m2 und der Neubau sei am bezogen worden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde dem Beschwerdeführer die

" Benützungsbewilligung

für den mit Bescheid vom Zahl: 350- 153/9-1988 genehmigte Errichtung Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf der Grundstücksfläche Einlagezahl: 466 Grundstücks- Nr. 969/4 in der Katastralgemeinde ( E. )

zur Gänze

erteilt. "

Gleichzeitig wurde festgestellt, "daß

( die bauliche Anlage der Bewilligung entspricht

(

( die Ausführung vom genehmigten Objekt abweicht, für die Änderungen jedoch ein Austauschplan vorliegt

(

( geringfügige Mängel vorliegen" (Hervorhebungen im Original) und zur Behebung der geringfügigen Mängel Auflagen vorgeschrieben.

Begründend wurde unter anderem ausgeführt, entgegen der vom Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers ursprünglich geplanten Herstellung des Einfamilienwohnhauses habe der Beschwerdeführer ein Einfamilienwohnhaus in gemischter Bauweise errichtet. Für diese Änderung liege zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung ein Einreich-Austauschplan vom vor, der mit dem Benützungsbewilligungsbescheid nachträglich genehmigt werde.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom wurde die vom Beschwerdeführer mit Eingabe vom beantragte Bewilligung für den Zubau eines Wintergartens zum Wohnhaus, den Zubau einer offenen Garage zum Wintergarten mit einer gebäudeabschottenden Brandwand, den Zubau zweier Garagen zur offenen Garage und den Neubau eines Nebengebäudes bis 40 m2 in unmittelbarer Nähe zum Wohnhaus - mit Ausnahme vom Nebengebäude bis 40 m2 - mit der Begründung nicht erteilt, dass bereits mit Errichtung des Bestandsgebäudes die rechtlich im Sinne des Stmk ROG vorgesehenen Geschoßflächen für Zubauten konsumiert worden seien.

Die dagegen erhobene Berufung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom als unbegründet ab.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen ausgeführt, die gegenständliche Liegenschaft sei als Freiland gewidmet. Die am erteilte Baubewilligung sei lediglich in Form der Errichtung einer Bodenplatte konsumiert worden. Der Vater des Beschwerdeführers habe die Liegenschaft 1996 erworben und mit einem Wohnhaus in abgeänderter Bauführung bebaut. Nach Übergang des Eigentums an der Liegenschaft an den Beschwerdeführer habe dieser mit Antrag vom um Erteilung einer Benützungsbewilligung unter Beilage eines Einreich-Austauschplanes angesucht und die Benützungsbewilligung erhalten. Laut diesem Einreich-Austauschplan betrage die Bruttogeschoßfläche 398,47 m2, wohingegen sie laut dem ursprünglichen Bauplan 219,57 m2 (108,90 m2 für das Kellergeschoß und 110,67 m2 für das Erdgeschoß) umfasst habe. Die Bruttogeschoßfläche der nunmehr beantragten Zubauten sei 202,49 m2. Durch die Benützungsbewilligung vom sei keine Baugenehmigung für das 1996 errichtete Wohnhaus erteilt worden (wurde näher ausgeführt). Die Frage, ob § 33 Abs. 5 Z 2 StROG 2010 auf die erstmals bau- und benützungsgenehmigte Geschoßfläche abstelle, sei nicht unmittelbar verfahrensrelevant, da nur ein Konsens für das 1988 beantragte Projekt vorliege. Überdies sei die Erteilung einer Benützungsbewilligung für die erstmalige Genehmigung im Sinne des § 33 Abs. 5 Z 2 StROG 2010 unerheblich. Somit sei für die Verdoppelungsmöglichkeit von Zubauten nach § 33 Abs. 5 Z 2 StROG 2010 die Bruttogeschoßfläche von 219,57 m2 heranzuziehen. Maximal werde eine Bruttogesamtgeschoßfläche von 439,14 m2 bewilligungsfähig sein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

§ 4 Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk BauG 1995), LGBl. Nr. 59/1995, in der Fassung LGBl. Nr. 13/2011, lautet auszugsweise:

"§ 4. Die nachstehenden Begriffe haben in diesem Gesetz folgende Bedeutung:

...

21. Bruttogeschoßfläche: die Fläche je Geschoß, die von den Außenwänden umschlossen wird, einschließlich der Außenwände;

...

64. Zubau: die Vergrößerung einer bestehenden baulichen Anlage der Höhe, Länge oder Breite nach bis zur Verdoppelung der bisherigen Geschoßflächen."

§ 2 StROG 2010, LGBl. Nr. 49/2010, lautet auszugsweise:

"§ 2 (1) ...

(2) Für die Auslegung der in diesem Gesetz enthaltenen baurechtlichen Begriffe gilt das Steiermärkische Baugesetz.

..."

§ 33 StROG 2010, LGBl. Nr. 49/2010 idF Nr. 111/2011, lautet auszugsweise:

"§ 33. (1) Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen festgelegten Grundflächen gehören zum Freiland. ...

...

(5) Außerhalb der land- und/oder forstwirtschaftlichen Nutzung dürfen im Freiland


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
...
2.
Zubauten bei im Freiland befindlichen rechtmäßig bestehenden baulichen Anlagen - ausgenommen bei solchen baulichen Anlagen, die ehemals im Rahmen der land- und/oder forstwirtschaftlichen Nutzung oder ehemals einer Sondernutzung im Sinn des Abs. 3 Z. 1 unter Anwendung von raumordnungsrechtlichen Freilandbestimmungen bewilligt wurden - bewilligt werden. Durch Zubauten darf die neu gewonnene Geschoßfläche insgesamt nicht mehr als die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ersten Flächenwidmungsplanes bestehende oder erstmals genehmigte betragen, wobei der Zubau den gleichen Verwendungszweck aufzuweisen hat wie der bauliche Bestand. ...
..."
§ 67 StROG 2010, LGBl. Nr. 49/2010 idF Nr. 44/2012, lautet
auszugsweise:

"§ 67. (1) ...

...

(13) Die Bestimmung des § 33 gilt für Flächenwidmungspläne, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestehen, und solche, die gemäß Abs. 3 erlassen werden.

..."

Die beschwerdeführende Partei bringt im Wesentlichen vor, die im Freiland durch Zubauten neu gewonnene, maximal zulässige Geschoßfläche sei anhand der erstmals bau- und benützungsbewilligten Geschoßfläche zu eruieren. Das derzeit bestehende Gebäude sei auf Grundlage des Einreich-Austauschplanes vom errichtet worden. Es stelle das erste tatsächlich zur Ausführung gelangte Gebäude auf dem gegenständlichen Grundstück dar, weil das zuvor bewilligte Einfamilienhaus nicht errichtet worden sei. Daher könne die Bewilligung aus dem Jahr 2003 keinen Zubau zum Gegenstand haben. Erst nach Fertigstellung des Wohnhauses könne eine bauliche Anlage vorliegen. Für die zulässige Verdoppelung der Wohngeschossfläche sei ausschließlich die Geschoßfläche des fertig hergestellten Wohnhauses im Ausmaß von 398,47 m2 ausschlaggebend (wurde näher ausgeführt).

Das StROG 2010, LGBl. Nr. 49/2010, ist am in Kraft getreten. Dessen § 33 enthält Bestimmungen zum "Freiland", wobei diese Bestimmungen gemäß § 67 Abs. 13 StROG 2010 auch für bereits bestehende Flächenwidmungspläne gelten (vgl. dazu auch Trippl/Schwarzbeck/Freiberger , Steiermärkisches ?aurecht,

5. Auflage, S. 1419, Z 9).

Da gemäß § 33 Abs. 5 Z 2 zweiter Satz StROG 2010 ausschließlich Zubauten zu im Freiland befindlichen rechtmäßig bestehenden baulichen Anlagen zulässig sind, bei denen die durch den Zubau neu gewonnene Geschoßfläche insgesamt die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ersten Flächenwidmungsplanes bestehende oder erstmals genehmigte nicht überschreiten darf, ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ersten Flächenwidmungsplanes eine bauliche Anlage errichtet oder bewilligt war.

Der erste Flächenwidmungsplan ist am in Kraft getreten. Ob zu diesem Zeitpunkt eine bauliche Anlage auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft (erstmals) bewilligt oder errichtet war, wurde nicht festgestellt. Die belangte Behörde stützte sich ausschließlich auf die 1988 erteilte Baubewilligung und die darin bewilligte Bruttogeschoßfläche und stellte nicht auf eine allenfalls rechtmäßig vorhandene oder (erstmals) aufrecht bewilligte Bebauung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ersten Flächenwidmungsplanes ab, obwohl nur diese nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 5 Z 2 zweiter Satz StROG 2010 zur Beurteilung der Zulässigkeit von Zubauten ausschlaggebend ist (vgl. auch das zur vergleichbaren Rechtslage nach § 25 Abs. 4 Stmk ROG 1974 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/06/0110). Zwar geht aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers hervor, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt im Jahre 1983 offenbar keine Bebauung faktisch vorhanden war, ob aber eine (erstmalige) aufrechte Baubewilligung damals vorlag, kann nach der Aktenlage und dem Parteienvorbringen nicht abschließend beurteilt werden.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Anspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am