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VwGH vom 24.01.2019, Ra 2018/21/0248

VwGH vom 24.01.2019, Ra 2018/21/0248

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, über die Revision des M M in L, vertreten durch die GKP Gabl Kogler Leitner Stöglehner Bodingbauer Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Museumstraße 31a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , G314 2202864- 1/10E, betreffend Aufenthaltsverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der 1990 geborene Revisionswerber ist kroatischer Staatsangehöriger. Er reiste mit seinen Eltern erstmals im September 2001 nach Österreich ein und lebt seit März 2003 durchgehend im Bundesgebiet, wo er sich nach Schulbesuch und Lehre - mit Unterbrechungen - in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen befand.

2 Der Revisionswerber wurde spätestens ab 2007 straffällig. Es ergingen insgesamt acht strafgerichtliche Verurteilungen (darunter einmal eine Zusatzstrafe gemäß § 31, 40 StGB), und zwar zunächst zu (bedingten) Geldstrafen und zu einer bedingten Freiheitsstrafe. 2014 - mit der fünften Verurteilung - kam es wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (Erwerb und Besitz ausschließlich zum persönlichen Gebrauch nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG) erstmals zur Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe (in der Dauer von drei Monaten), die der Revisionswerber zwischen und verbüßte. Erst mit der achten Verurteilung vom Februar 2018 wurde wieder eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt, und zwar wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster, zweiter und siebenter Fall, teilweise Abs. 2 SMG, eine solche in der Dauer von 14 Monaten. Aus dieser Freiheitsstrafe wurde der Revisionswerber nach Verbüßung von 12 Monaten am bedingt entlassen.

3 Mittlerweile hatte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot (in Verbindung mit einem einmonatigen Durchsetzungsaufschub) erlassen. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis teilweise Folge, indem es die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf drei Jahre reduzierte. Außerdem sprach des aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung des Vorverfahrens (eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet) erwogen hat:

5 Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss - so normiert die genannte Bestimmung weiter - eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

6 Das BVwG prüfte die Zulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im vorliegenden Fall am Boden des zuletzt angeführten verschärften Gefährdungsmaßstabes nach § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG. Mit dieser Bestimmung soll Art. 28 Abs. 3 lit. a der Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs. 4 Z 18 FPG) umgesetzt werden, wozu der EuGH bereits judizierte, dass hierauf gestützte Maßnahmen auf "außergewöhnliche Umstände" begrenzt sein sollten; es sei vorausgesetzt, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen "besonders hohen Schweregrad" aufweise, was etwa bei bandenmäßigem Handeln mit Betäubungsmitteln der Fall sein könne (EuGH (Große Kammer) , Tsakouridis, C-145/09, insbesondere Rn. 40, 41 und 49 ff; siehe daran anknüpfend auch EuGH (Große Kammer) , P.I., C-348/09, Rn. 19 und 20 sowie Rn. 28, wo überdies - im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, der zu einer siebeneinhalbjährigen Freiheitsstrafe geführt hatte - darauf hingewiesen wurde, dass es "besonders schwerwiegende(r) Merkmale" bedarf.)

7 Dem gegenüber hat das BVwG in Bezug auf den Revisionswerber im Zusammenhang mit der durch das angefochtene Erkenntnis vorgenommenen Reduzierung der Dauer des Aufenthaltsverbotes auf drei Jahre ausgeführt, der Revisionswerber habe "mehrfach Probezeiten bestanden", sei mit dem letzten Strafurteil vom Februar 2018 nunmehr erstmals wegen Suchtgifthandels und dem Überlassen und Anbieten von Suchtgift an Dritte verurteilt worden und es habe "kein professionell strukturierter Suchtgifthandel" vorgelegen; außerdem sei der Revisionswerber erstmals für längere Zeit in Haft gewesen, habe bedingt entlassen werden können und habe vor, seine Drogensucht behandeln zu lassen.

8 Vor diesem Hintergrund kann nicht von "außergewöhnlichen Umständen" mit "besonders hohem Schweregrad" bzw. von "besonders schwerwiegenden Merkmalen" der vom Revisionswerber begangenen Straftaten gesprochen werden. Somit kommt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Revisionswerber auf Basis des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG entgegen der Ansicht des BVwG nicht in Betracht, weshalb das auf dieser Annahme fußende Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

9 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 VwGG abgesehen werden.

10 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018210248.L00
Schlagworte:
Besondere Rechtsgebiete Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3

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