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VwGH vom 16.05.2019, Ra 2018/21/0244

VwGH vom 16.05.2019, Ra 2018/21/0244

Betreff



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des S V I in W, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , G313 2151669- 1/23E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber, einen bulgarischen Staatsangehörigen, gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot. 2 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom insofern Folge, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf drei Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wies das BVwG die Beschwerde als unbegründet ab.

3 Diese Entscheidung hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2018/21/0007, im Hinblick auf Begründungsmängel zu der dem Revisionswerber zur Last gelegten Straftat und die Unterlassung einer mündlichen Verhandlung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

4 Im fortgesetzten Verfahren führte das BVwG am eine mündliche Verhandlung durch und erließ dann das vorliegend angefochtene Erkenntnis vom , mit dem es der Beschwerde insofern Folge gab, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf nunmehr zwei Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wies das BVwG die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen hat:

6 Die Revision erweist sich - wie sich aus den weiteren Ausführungen ergibt - entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG wegen dessen Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gefährdungsprognose nach dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG als zulässig und im Ergebnis auch als berechtigt.

7 Gegen den Revisionswerber als Unionsbürger wäre - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im ersten Rechtsgang darlegte - die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 Abs. 1 erster bis vierter Satz FPG nur dann zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Nach dem fünften Satz dieser Bestimmung ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (unter anderem) gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, nur dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

8 Der Revisionswerber hatte im Verfahren wiederholt vorgebracht, sich seit 2006/2007 in Österreich aufzuhalten. Anders als im ersten Rechtsgang legte das BVwG seiner Entscheidung nunmehr auch zugrunde, dass der Revisionswerber "die Voraussetzung eines (durchgehenden) zehnjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet erfüllt". Demzufolge muss es sich bei dem in diesem Zusammenhang vom BVwG angeführten Datum "seiner Erstmeldung" ("ab ") - abgesehen davon, dass Meldedaten ohnehin nur Indizwirkung zukommen könnte (vgl. etwa , Rn. 8, und , Rn. 16, jeweils mwN) - offenbar um einen Irrtum handeln. Denn das BVwG ging dann auch in der weiteren rechtlichen Beurteilung davon aus, auf den Revisionswerber komme "der erhöhte Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 Satz 5 FPG zur Anwendung". Diese "nunmehr zur Anwendung kommende" Bestimmung verlange im Fall von EWR-Bürgern mit mindestens zehnjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet eine "nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich".

9 Das BVwG stellte in Bezug auf die dem Aufenthaltsverbot zugrunde liegenden Straftaten fest, der Revisionswerber sei mit Urteil vom wegen der Begehung des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt worden. Er sei schuldig erkannt worden, im Zeitraum von Jänner 2015 bis Ende April 2015 in zumindest 32 Angriffen gemeinsam mit seinem Bruder und im Zeitraum von April 2015 bis Februar 2016 alleine gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in jeweils nicht mehr feststellbarer Höhe, aus Opferstöcken in Kirchen mit Bereicherungsvorsatz weggenommen zu haben. Bei der Strafbemessung seien mildernd der wesentliche Beitrag zur Wahrheitsfindung (er sei "monatelang" der anonyme Hinweisgeber der Polizei gewesen, durch den man überhaupt auf die "restlichen Angeklagten" gekommen sei), das reumütige Geständnis und die bisherige Unbescholtenheit, erschwerend hingegen die "mehrfache Tatbegehung innerhalb der Gewerbsmäßigkeit" gewertet worden.

10 Aus den Tathandlungen folgerte das BVwG, die zahlreichen "während Erwerbslosigkeit" über einen langen Zeitraum begangenen Vermögensstraftaten seien jedenfalls ein Indiz für die grundsätzliche Bereitschaft des Revisionswerbers zu derartigen Delikten in einer wirtschaftlichen Notsituation, die aufgrund wechselnder kurzfristiger Beschäftigungen in der Vergangenheit auch in der Zukunft eintreten könnte. Der zuletzt Anfang Februar 2016 begangene Diebstahl liege noch nicht so lange zurück, dass von einem positiven Gesinnungswandel gesprochen werden könne; im Übrigen sei auch die mit der bedingten Strafnachsicht festgelegte Probezeit noch nicht abgelaufen. Vor diesem Hintergrund könne somit in Gesamtbetrachtung aller Umstände bei einem Verbleib des Revisionswerbers im Bundesgebiet "von weiteren (Vermögens-)Straftaten und einer nachhaltigen und maßgeblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgegangen werden". Wegen der langen Aufenthaltsdauer, der privaten Bindungen und einer gewissen beruflichen Integration erachtete das BVwG aber eine Reduzierung der Dauer des Aufenthaltsverbotes auf zwei Jahre für geboten. "Aufgrund bestehender nachhaltiger und maßgeblicher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit iSv § 67 Abs. 1 Satz 5 FPG" sei - so das BVwG abschließend - der Beschwerde (nur) "teilweise stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden."

11 Mit der zuletzt genannten Bestimmung soll Art. 28 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2004/38EG ("Freizügigkeitsrichtlinie";

siehe § 2 Abs. 4 Z 18 FPG) umgesetzt werden, wozu der Gerichtshof der Europäischen Union bereits judizierte, dass hierauf gestützte Maßnahmen auf "außergewöhnliche Umstände" begrenzt sein sollten;

es sei vorausgesetzt, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen "besonders hohen Schweregrad" aufweise, was etwa bei bandenmäßigem Handeln mit Betäubungsmitteln der Fall sein könne (siehe , Rn 6, mit dem Hinweis auf EuGH (Große Kammer) , Tsakouridis, C-145/09, insbesondere Rn. 40, 41 und 49 ff, und daran anknüpfend EuGH (Große Kammer) , P.I., C-348/09, Rn. 19 und 20 sowie Rn. 28, wo überdies - im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, der zu einer siebeneinhalbjährigen Freiheitsstrafe geführt hatte - darauf hingewiesen wurde, dass es "besonders schwerwiegender Merkmale" bedarf).

12 Dass die vom Revisionswerber begangenen Straftaten - auch wenn sie nicht verharmlost werden sollen - aber von derart "außergewöhnlichen Umständen" mit "besonders hohem Schweregrad" bzw. von "besonders schwerwiegenden Merkmalen" gekennzeichnet gewesen wären, ist jedoch nicht ersichtlich und wird auch vom BVwG nicht aufgezeigt. Gegen eine so massive negative Gefährdungsprognose, wie sie nach dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG gefordert wird, sprechen im Übrigen auch die gewichtigen Milderungsgründe, die eine zur Gänze bedingt nachgesehene Strafe zur Folge hatten (vgl. zu diesem Gesichtspunkt , Punkt 4. der Entscheidungsgründe, betreffend eine für Suchtgiftdelikte verhängte bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten) und das nunmehrige Wohlverhalten.

13 Angesichts dessen wäre die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Revisionswerber auf Basis des § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG entgegen der Ansicht des BVwG nicht in Betracht gekommen, weshalb das auf dieser Annahme basierende Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

14 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018210244.L00

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