VwGH vom 27.05.2008, 2008/17/0041

VwGH vom 27.05.2008, 2008/17/0041

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

2008/17/0042

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, in den Beschwerdesachen 1. des A H in K und 2. der A H in D, beide vertreten durch Mag. Herbert Nigl, Rechtsanwalt in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 15, gegen die Bescheide des Stadtsenates der Stadt Krems an der Donau jeweils vom , 1. Zl. MD-H-1/2007/Ha/R, und 2. Zl. MD-H- 2/2007/Mag.H/R, jeweils betreffend Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe gemäß § 39 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Krems an der Donau hat den Beschwerdeführern jeweils EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird jeweils abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom zeigten die Beschwerdeführer, vertreten durch einen Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen, Grenzänderungen ihrer Grundstücke der Baubehörde der Stadtgemeinde Krems an der Donau gemäß § 10 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (in der Folge: NÖ BauO 1996) an. Sämtliche Grundstücke sind im Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde als Bauland gewidmet.

Der Erstbeschwerdeführer (Beschwerdeführer zur hg. Zl. 2008/17/0041), Eigentümer des Grundstückes .9, bekam mit der vorgesehenen Grenzänderung einen langgezogenen Streifen des im Eigentum der Zweitbeschwerdeführerin (hg. Verfahren Zl. 2008/17/0042) stehenden Grundstückes 8/1. Aus diesem zuletzt erwähnten Grundstück 8/1 sollte ein weiterer Teil an die gleichfalls im Eigentum der Zweitbeschwerdeführerin befindliche Parzelle .8/2 übertragen werden. Darüber hinaus sah der Teilungsplan noch mehrere - hier nicht verfahrensgegenständliche - Übertragungen in das öffentliche Gut vor.

Mit Schreiben vom wurde den Beschwerdeführern zu Handen ihres Vertreters mitgeteilt, dass die eingebrachte Anzeige vom positiv erledigt habe werden können; aus baubehördlicher Sicht liege kein Untersagungsgrund vor. Unter einem wurde mitgeteilt, dass für das Grundstück Nr. 8/2 der näher genannten KG auf Grund der beantragten Bauplatzerklärung eine Ergänzungsabgabe fällig und hierüber ein eigener Bescheid ergehen werde.

Mit Bescheid des Magistrats der Stadtgemeinde Krems an der Donau vom wurde unter anderem der Zweitbeschwerdeführerin eine Ergänzungsabgabe in der Höhe von EUR 6.320,47 und dem Erstbeschwerdeführer eine solche in der Höhe von EUR 2.265,95 vorgeschrieben. Begründend führte die Behörde diesbezüglich aus, dass sich die Verpflichtung zur Erbringung der Ergänzungsabgabe auf die baubehördlich zur Kenntnis genommene Änderung von Grundgrenzen sowie - auch der Höhe nach - auf § 39 der NÖ BauO 1996 in der geltenden Fassung stütze.

Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin (getrennt) Berufung. Die Zweitbeschwerdeführerin brachte darin unter anderem vor, dass beide Liegenschaften (Nr. 8/1 und .8/2) bereits in der Vergangenheit bebaut gewesen seien und daher nunmehr keine erstmalige Bebauung stattfinde. Im Übrigen sei die Ergänzungsabgabe um mehr als EUR 1.600,-- zu hoch berechnet worden.

Mit dem zur hg. Zl. 2008/17/0041 angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Erstbeschwerdeführers keine Folge. Sie stellte - zusätzlich zu dem bereits wiedergegebenen Sachverhalt - fest, dass sich das Flächenausmaß der Parzelle Nr. 9 durch die Änderung der Grundgrenzen von 1.140 m2 auf

1.600 m2 vergrößert habe. Die Berechnungslänge sei von 33,7639 m auf 40 m gestiegen, was bei dem gleichgebliebenen Bauklassenkoeffizienten von eins einen Differenzbetrag von 6,2361 ergäbe. Multipliziere man diesen mit dem Einheitssatz von EUR 363,36, ergäbe sich die Ergänzungsabgabe in der vorgeschriebenen Höhe von EUR 2.265,95.

Rechtlich stützte die belangte Behörde ihren Bescheid auf § 39 Abs. 1 NÖ BauO 1996 und führte in diesem Zusammenhang im Hinblick auf ein Berufungsvorbringen des Erstbeschwerdeführers aus, dass bei der Prüfung der Vorschreibung der Ergänzungsabgabe die derzeitige Form der Nutzung einer Liegenschaft ohne Belang sei; es komme nur auf die Flächenwidmung "Bauland" an. Die derzeitige Nutzungsart könnte jederzeit geändert und die gegenständliche Fläche Bauzwecken zugeführt werden. Die Überprüfung der Berechnung der Ergänzungsabgabe habe keinen Fehler der Behörde erster Instanz erbracht.

Mit ihrem zur hg. Zl. 2008/17/0042 angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Zweitbeschwerdeführerin teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid insoweit ab, als der Zweitbeschwerdeführerin aus Anlass der Änderung von Grundgrenzen gemäß § 39 Abs. 1 NÖ BauO 1996 für das Grundstück Nr. 8/2 der näher genannten KG eine Ergänzungsabgabe in der Höhe von EUR 3.799,76 und gemäß § 39 Abs. 3 leg. cit. eine Ergänzungsabgabe für das Grundstück Nr. 8/2 in der Höhe von EUR 2.520,71 auferlegt wurde. Begründend führte die Behörde unter anderem aus, bei der Berechnung der Ergänzungsabgabe hinsichtlich der Parzelle .8/2 sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Differenz der Berechnungslängen (Parzelle neu: 26.7489 m weniger der Parzelle alt: 17.2916 m) 10,4573 betrage. Dieser Betrag sei mit dem Bauklassekoeffizienten im Zeitpunkt der Anzeige (nämlich 1,00) und mit dem Einheitssatz von EUR 363,36 zu multiplizieren, was eine Ergänzungsabgabe in der Höhe von EUR 3.799,76 ergebe. Diese nach § 39 Abs. 1 der NÖ BauO 1996 vorgenommene Berechnung berücksichtige nicht eine Änderung des Bauklassenkoeffizienten während des Verfahrens nach § 10 Abs. 1 der NÖ BauO 1996, weshalb insoferne die erstinstanzliche Berechnung nicht dem Gesetzeswortlaut des § 39 Abs. 1 leg. cit. entsprochen habe.

Gemäß § 39 Abs. 3 NÖ BauO 1996 sei jedoch - so die belangte Behörde weiter - eine Ergänzungsabgabe auch vorzuschreiben, wenn mit rechtskräftigem Bescheid eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage erteilt werde und bei einer Grundabteilung nach dem ein Aufschließungsbeitrag bzw. nach dem eine Ergänzungsabgabe oder bei einer Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben worden sei und bei der Berechnung kein oder ein niedrigerer Bauklassenkoeffizient als jener, der der nunmehr höchstzulässigen Bauklasse oder Gebäudehöhe entspreche, angewendet wurde.

Fest stehe, dass eine rechtskräftige Baubewilligung vorliege und am eine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben worden sei, die niedriger als jene gewesen sei, die im Baubewilligungsbescheid vorzuschreiben gewesen sei. Bei einer danach berechneten Ergänzungsabgabe sei somit die Differenz der Bauklassenkoeffizienten von 0,25 (Parzelle neu: 1,25 minus Parzelle alt: 1,00) zu berücksichtigen gewesen; diese sei mit der Berechnungslänge und mit dem Einheitssatz zu multiplizieren, woraus sich eine Ergänzungsabgabe in der Höhe von EUR 2.520,71 ergebe. Die Baubehörde erster Instanz habe bei ihrer Berechnung beide Berechnungsschritte unzulässigerweise zu einem Schritt zusammengefasst und es unterlassen, über beide Berechnungen im Spruch des angefochtenen Bescheides getrennt abzusprechen sowie die Rechtsgrundlage des § 39 Abs. 3 NÖ BauO 1996 im angefochtenen Bescheid anzugeben.

Die Beschwerdeführer bekämpfen die Bescheide der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgerichtshof jeweils wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die (für beide hg. Verfahren gemeinsam geführten) Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdeverfahren wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und über die Beschwerden erwogen:

§ 39 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996, LGBl. 8200/00 in der hier anzuwendenden Fassung LGBl. 8200-12, lautet wie folgt (auszugsweise):

"§ 39

Ergänzungsabgabe

(1) Bei der Änderung der Grenzen von Bauplätzen (§ 10) ist für jeden der neugeformten Bauplätze eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben,

wenn für die bisherigen Bauplätze bereits der Höhe nach bestimmte Aufschließungsbeiträge

oder -abgaben vorgeschrieben und entrichtet wurden oder sie Bauplätze nach § 11 Abs. 1 Z. 2 bis 4 sind

und das Gesamtausmaß oder die Anzahl der Bauplätze vergrößert

wird.

...

Die Höhe der Ergänzungsabgabe (EA) wird wie folgt berechnet:

Von der Summe der neuen Berechnungslängen wird die Summe der damaligen Berechnungslängen abgezogen. Der Differenzbetrag wird mit dem zur Zeit der Anzeige der Grenzänderung (§ 10) geltenden Bauklassenkoeffizienten und Einheitssatz multipliziert und das Produkt nach dem Verhältnis der neuen Berechnungslängen auf die neuen Bauplätze aufgeteilt:

...

(2) ...

(3) Eine Ergänzungsabgabe ist auch vorzuschreiben, wenn mit rechtskräftigem Bescheid eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage erteilt wird und bei einer Grundabteilung (§ 10 Abs. 1 NÖ Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969 und NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200) nach dem ein Aufschließungsbeitrag bzw. nach dem eine Ergänzungsabgabe oder bei einer Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben und bei der Berechnung kein oder eine niedrigerer Bauklassenkoeffizient als jener, der der nunmehr höchstzulässigen Bauklasse oder Gebäudehöhe entspricht, angewendet wurde.

Die Höhe dieser Ergänzungsabgabe wird wie folgt berechnet:

Von dem zur Zeit der Baubewilligung (§ 23) anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten wird der bei der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages bzw. der Aufschließungsabgabe oder der Ergänzungsabgabe angewendete Bauklassenkoeffizient - mindestens jedoch eins - abgezogen und die Differenz mit der Berechnungslänge und dem zur Zeit der Baubewilligung geltenden Einheitssatz multipliziert: ...

(4) ..."

Soweit die belangte Behörde die Ergänzungsabgabe nach § 39 Abs. 1 leg. cit. bemessen hat, bringen die Beschwerdeführer übereinstimmend vor, das Gesamtsausmaß oder die Anzahl der Bauplätze habe sich nicht vergrößert; es seien nach wie vor drei Bauplätze (die dem Erstbeschwerdeführer gehörige Parzelle .9 und die der Zweitbeschwerdeführerin gehörenden Parzellen 8/1 und .8/2) vorhanden, das Gesamtausmaß habe sich (sehe man von den geringfügigen Übertragungen in das öffentliche Gut ab) gleichfalls nicht verändert. Zu Unrecht sei die belangte Behörde offenbar hinsichtlich des Grundstückes 8/1 davon ausgegangen, dass dieses kein Bauplatz sei. (Die belangte Behörde führte in ihrer Gegenschrift hiezu aus, dass auch von ihr die Bauplatzeigenschaft dieser Parzelle nicht bestritten werde.)

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 15 Z. 1 der NÖ BauO 1976 ausgesprochen hat, ist Voraussetzung für die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe in diesem Zusammenhang, dass aus dem Anlass der Änderung der Grenzen von Bauplätzen dabei deren Anzahl oder Gesamtausmaß vergrößert wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/17/0413). Dies gilt - wie sich schon aus dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 NÖ BauO 1996 zusammen mit der graphischen Gestaltung des Gesetzestextes im Niederösterreichischen Landesgesetzblatt ergibt - auch für die hier anzuwendende Rechtslage. Geht man aber mit der Gegenschrift und dem Vorbringen der Beschwerdeführer davon aus, dass die Parzelle 8/1 als Bauplatz anzusehen ist, dann ist eine Vergrößerung der Anzahl oder des Gesamtausmaßes der von der Änderung der Grenzen betroffenen Bauplätze nicht erkennbar.

Das Gesamtausmaß von Bauplätzen wird nämlich dann erhöht, wenn sie - im Fall der Neugestaltung einer Mehrzahl noch unbebauter Bauplätze insgesamt, ansonsten einzeln - um Grundflächen vergrößert werden, die noch nicht Bauplätze nach § 11 Abs. 1 NÖ BauO 1996 und Teile von solchen sind. Wenn eine Grundfläche jedoch von einem Bauplatz abgetrennt und einem anderen hinzugefügt wird, dann wird weder die Anzahl noch das Gesamtausmaß der Bauplätze verändert (vgl. Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht7, Anm. 3 zu § 39).

Soweit die belangte Behörde die Ergänzungsabgabe gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin auf § 39 Abs. 3 NÖ BauO 1996 stützt, ging sie davon aus, dass mit Bescheid des Magistrats der Stadt Krems vom Herrn A. H. und Frau C. M. die baubehördliche Bewilligung eines Einfamilienwohnhauses auf dem Grundstück .8/2 der näher genannten KG mit der aufschiebenden Bedingung erteilt wurde, dass vor Baubeginn die Parzelle Nr. 8/2 laut Auflagenpunkt 14 (betrifft die hier vorgenommenen Änderungen der Grundgrenzen und deren grundbücherliche Durchführung) vereinigt wurde und der Nachweis in Form eines Grundbuchbeschlusses noch vor Baubeginn der Baubehörde vorgelegt werde.

Dem hält die Zweitbeschwerdeführerin (im Einklang mit dem Akteninhalt) entgegen, dass mit Schriftsatz vom um die Bewilligung für den Abbruch des bestehenden Gebäudes auf den Grundstücken Nr. 8/2 und 8/1 angesucht und diese Bewilligung in der Folge auch erteilt worden sei. Rechtlich handle es sich nicht um eine erstmalige Errichtung eines Gebäudes, wie von § 39 Abs. 3 leg. cit. gefordert.

Die belangte Behörde hat - offenbar ausgehend von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht - keine Feststellungen darüber getroffen, ob eine erstmalige Errichtung eines Gebäudes vorliegt oder nicht.

Aus den dargelegten Erwägungen waren daher die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits im Pauschalbetrag enthalten ist.

Wien, am