VwGH vom 22.02.2011, 2010/18/0308
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des ZI in W, geboren am , vertreten durch Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/198.487/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ausgewiesen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am illegal - unter Umgehung der Grenzkontrolle - nach Österreich gelangt sei und am einen Asylantrag gestellt habe, der im Instanzenzug vom Asylgerichtshof am rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe während seines Asylverfahrens über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt. Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei im Instanzenzug vom Asylgerichtshof am rechtskräftig abgewiesen worden.
Der Beschwerdeführer habe zu keiner Zeit über einen Aufenthaltstitel verfügt und sei nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens im Bundesgebiet verblieben.
Der Beschwerdeführer verfüge über keine inländischen familiären Bindungen. Nach eigenen Angaben habe er eine slowakische Lebensgefährtin, die regelmäßig nach W komme; die beiden führten seit fünf Jahren eine "harmonische Beziehung".
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, sodass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG vorlägen. In einem solchen Fall könne ein Fremder mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 FPG entgegenstehe.
Aufgrund der genannten Umstände sei grundsätzlich davon auszugehen, dass mit der vorliegenden Maßnahme ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei. Dessen ungeachtet sei die gegen den Beschwerdeführer gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) dringend geboten.
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den achtjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass einer daraus ableitbaren Integration aufgrund des seit unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ein nur vermindertes Gewicht zukomme. Auch die Bindungen zu seiner slowakischen Lebensgefährtin seien zu relativieren, weil er mit dieser offensichtlich keinen gemeinsamen Haushalt führe. Ebenso sei die berufliche Integration des Beschwerdeführers zu relativieren, weil dieser, wenn er auch seit knapp drei Jahren als "selbständiger" Zeitungskolporteur im Rahmen eines Werkvertrages arbeite, keiner bewilligungspflichtigen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nachgehe.
Vor diesem Hintergrund müssten die privaten Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund treten. Die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. In diesem Zusammenhang sei auch berücksichtigt worden, dass der Beschwerdeführer über gute Deutschkenntnisse verfüge. Andererseits sei festzuhalten, dass er seine komplette Schulbildung in seinem Heimatland absolviert habe, weshalb er über perfekte Kenntnisse seiner Muttersprache verfüge, und es ihm leicht möglich sein werde, bestehende soziale Kontakte in seiner Heimat aufzufrischen bzw. neue zu knüpfen.
Angesichts der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer seit der Abweisung seines Asylantrages unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, seien die Bestimmungen des seit in Geltung stehenden Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG vom Beschwerdeführer in gravierender Weise missachtet worden. Dabei könne auch der Versuch, seinen Aufenthalt durch einen (Inlands ) Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu legalisieren, nicht positiv gewertet werden. Dies bewirke eine Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Dem genannten öffentlichen Interesse liefe es grob zuwider, wenn ein Fremder bloß aufgrund von Tatsachen, die von ihm geschaffen worden seien (Nichtausreise trotz eines rechtskräftig negativ abgeschlossenen Asylverfahrens), den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet erzwingen könnte.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände könne dessen weiterer Aufenthalt auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer am illegal nach Österreich eingereist ist, dass sein Asylantrag am rechtskräftig abgewiesen wurde, der Beschwerdeführer nie über einen Aufenthaltstitel verfügt hat und sich - angesichts dessen, dass er auch sonst nicht über eine Berechtigung zum Aufenthalt verfügt - seit etwa eineinhalb Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Im Hinblick darauf begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
1.2. Soweit die Beschwerde darauf hinweist, dass der Beschwerdeführer am einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt habe und dieser Antrag noch immer anhängig sei, so ist anzumerken, dass der bloße Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung den Aufenthalt im Bundesgebiet nach ständiger hg. Rechtsprechung nicht legalisiert und auch die Anhängigkeit eines Verfahrens darüber der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegensteht (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0233, mwN).
2.1. Die Beschwerde wendet sich auch gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass sich der Beschwerdeführer seit mehr als acht Jahren - davon sieben Jahre legal - in Österreich aufhalte und sich hervorragend integriert habe.
Darüber hinaus bestünden auch "familiäre Bindungen" zum Bundesgebiet, weil der Beschwerdeführer seit rund fünf Jahren eine slowakische Lebensgefährtin habe. Diese halte sich regelmäßig in Österreich auf und lebe dann im gemeinsamen Haushalt mit dem Beschwerdeführer. Bei der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers handle es sich um eine freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürgerin, die berechtigt sei, sich im Bundesgebiet dauernd aufzuhalten. Das Führen eines gemeinsamen Familienlebens sei in Pakistan nicht möglich und könne der Lebensgefährtin nicht zugemutet werden. Sie habe dort kein Aufenthaltsrecht und kenne das Land nicht. Es würde ihr dort auch jegliche Existenzgrundlage entzogen werden. Mit der Ausweisung sei daher eine dauerhafte Trennung des Beschwerdeführers von seiner Lebensgefährtin verbunden.
Dazu komme, dass der Beschwerdeführer über umfassende private Bindungen zum Bundesgebiet verfüge. Er sei seit 2007 legal selbständig erwerbstätig und sichere dadurch seinen Lebensunterhalt; so habe er über ein Einkommen von EUR 10.200,00 im Jahr 2009 und von EUR 15.795,30 im Jahr 2008 verfügt. Diese beruflichen Bindungen des Beschwerdeführers dürften auch nicht dadurch relativiert werden, dass in dessen Fall keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung vorliege, weil der Beschwerdeführer für seine selbständige Tätigkeit keine derartige Bewilligung benötige und diese auch gar nicht erlangen könne.
Seine guten Deutschkenntnisse seien auch durch das österreichische Sprachdiplom A2 nachgewiesen.
Die belangte Behörde hätte auch vom Fehlen der Bindungen zum Heimatstaat ausgehen müssen. Die Eltern des Beschwerdeführers seien bereits verstorben. Weitere Verwandte lebten nicht in Pakistan. Der Beschwerdeführer habe dort keine Wohnmöglichkeit und sei sozial entwurzelt. Er habe sämtliche Bindungen zum Herkunftsland abgebrochen und wäre dort mittellos und auf sich allein gestellt. Er wäre "akut" von Obdachlosigkeit bedroht. Die belangte Behörde habe sich auch in keiner Weise mit der Situation in Pakistan auseinander gesetzt, die der Beschwerdeführer im Fall einer Ausweisung zu erwarten habe.
Hinzu komme, dass sich der Beschwerdeführer während der gesamten Dauer seines Aufenthaltes "wohlverhalten" habe.
2.2. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 FPG den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit Juni 2002, die Bindungen zu seiner slowakischen Lebensgefährtin, mit welcher der Beschwerdeführer nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, seine berufliche Integration sowie den Umstand, dass der Beschwerdeführer über gute Deutschkenntnisse verfüge, berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt nur aufgrund eines Asylantrages, der sich in der Folge als unberechtigt herausgestellt hat, vorläufig erlaubt war und seit der rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens unrechtmäßig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0309, mwN).
Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ist sehr wohl zu berücksichtigen, dass die Begründung der in der Beschwerde dargelegten Bindung zu seiner Lebensgefährtin zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem der Beschwerdeführer davon auszugehen hatte, dass sein Aufenthaltsstatus in Österreich unsicher war (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 8 FPG). Überdies kommt auch der bloßen Absicht des Beschwerdeführers, seine Lebensgefährtin zu heiraten, keine wesentliche Bedeutung zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0312, mwN). Dass das Familienleben bloß in Österreich geführt werden könnte, ist - mit Blick auf die Feststellungen, dass sich die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers bloß fallweise hier aufhält und offenbar sonst in ihrem Heimatland lebt - nicht nachvollziehbar.
Die beruflichen Bindungen des Beschwerdeführers sind darüber hinaus dadurch relativiert, dass er über keinen die selbständige Erwerbstätigkeit erlaubenden Aufenthaltstitel verfügt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0009).
Überdies bestreitet die Beschwerde nicht die Feststellungen des angefochtenen Bescheides, dass der Beschwerdeführer - der erst seit seinem 19. Lebensjahr in Österreich lebt - in seiner Heimat seine komplette Schulausbildung absolviert hat.
Den - somit relativierten - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich trotz rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages - unrechtmäßig - weiterhin im Bundesgebiet aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0324, mwN).
Bei Abwägung des angeführten großen öffentlichen Interesses und der gegenläufigen - wie oben dargestellt - relativierten Interessen des Beschwerdeführers begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 66 FPG zulässig sei, auch dann keinem Einwand, wenn man- mit dem Beschwerdevorbringen - berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer bei der Caritas Übersetzungsdienste geleistet habe.
2.3. Aufgrund des Gesagten gehen auch die in der Beschwerde im Zusammenhang mit der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung erhobenen Verfahrensrügen ins Leere.
3. Schließlich ist auch der weitere Beschwerdevorwurf, der angefochtene Bescheid sei mangelhaft begründet, nicht berechtigt.
4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
OAAAE-80436