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VwGH vom 20.11.2007, 2006/05/0144

VwGH vom 20.11.2007, 2006/05/0144

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde der Rebecca Immobilien GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Frank, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Albertgasse 6, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. BOB - 428/05, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Benesch Immobilien in 1190 Wien, Iglaseegasse 49/2), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Wohnungseigentümerin im Haus 1050 Wien, Fendigasse 5.

Die mitbeteiligte Partei beantragte für dieses im Wohnungseigentum stehende, auf dem Grundstück Nr. 736/12 der Liegenschaft EZ 2356, Grundbuch 01008 Margarethen, errichtete Haus die Erteilung der Baubewilligung über bauliche Abweichungen zum bewilligten Bauvorhaben laut Einreichplan.

Die Baubehörde forderte die mitbeteiligte Partei mit Verfügung vom auf, die eingereichten Baupläne mit der Unterschrift aller Miteigentümer nachzureichen.

Eine Zustimmungserklärung der Beschwerdeführerin konnte nicht erwirkt werden. Die mitbeteiligte Partei legte jedoch eine im gegenständlichen Haus kundgemachte Mitteilung vom vor, in welcher darauf hingewiesen wurde, dass bei der Hausversammlung vom "die Anwesenden einstimmig (67,55 %)" beschlossen haben, "dass der Planwechsel über die Bestandsgeschosse im Haus, samt Lift u. Statik in der Fassung vom eingereicht werden soll". Weiters wurde eine Mitteilung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom vorgelegt, in welcher von diesem Gericht bestätigt wurde, dass "bezüglich des Beschlusses vom (1050 Wien, Fendig. 5) keine Anrufung des Gerichtes erfolgte".

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom wurde in dem für das Beschwerdeverfahren maßgeblichen Spruchpunkt I. der mitbeteiligten Partei die beantragte Bewilligung erteilt, auf der im Betreff genannten Liegenschaft abweichend von dem mit Bescheid vom , Zl. MA 37/5-Fendigasse 5/550/02, bewilligten Bauvorhaben nachstehende Änderungen vorzunehmen:

"Durch Änderung der Raumwidmungen und inneren Raumeinteilung, durch den Einbau von neuen Sanitäranlagen, durch die Einbeziehung von Gangteilen in Wohnungen und durch Wohnungszusammenlegungen im gesamten Haus soll die Wohnungsanzahl im gesamten Haus von 35 Wohnungen auf nunmehr 30 Wohnungen verringert werden.

Die innere Raumeinteilung im Keller soll abgeändert werden und es soll ein Magazin in eine Werkstätte umgewidmet werden.

Die Anordnung der Dachflächenfenster im Dachgeschoss soll abgeändert werden.

Ein Teil der bestehenden Rauchfänge in der Mittelmauer soll aufgelassen werden, wobei alle Wohnungen mit Notrauchfängen ausgestattet werden.

In den beiden seitlichen Hoftrakten sollen vom Mezzanin bis in den 3. Stock jeweils ein Balkon hergestellt werden."

In ihrer dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie als Grundeigentümerin die dem Baubewilligungsbescheid zu Grunde liegenden Pläne nicht unterfertigt habe und daher ihre Zustimmung zu diesem Bauvorhaben nicht vorliege. Diese Berufung ergänzte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom innerhalb der Berufungsfrist wie folgt:

"1.) Die baulichen Abweichungen von dem baubewilligten Bauplan greifen unzumutbar in die Interessen unseres Wohnungseigentums ein.

...

3.) Die mittels Schreiben vom vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien festgestellte Nichtanrufung des Gerichtes bezüglich Einspruch und gerichtliche Anfechtung von Beschlüssen bezieht sich nicht auf einen konkret gefassten Beschluss vom , da aus dem Schreiben weder hervorgeht, dass der nicht angefochtene Beschluss sich auf eine Baubewilligung beziehen soll, noch dass der Plan in vorliegender Form vom Bauwerber am vorgelegen ist. Das eingereichte Plandokument datiert vom ."

Nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG teilweise Folge und änderte den Spruch der Baubehörde erster Instanz insofern ab, als die Baubewilligung hinsichtlich der Baumaßnahmen oberhalb des dritten Obergeschosses versagt wurde (betraf den hier nicht relevanten Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides) und Spruchpunkt I. nunmehr wie folgt lautet:

"I.)

Nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne, die einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden, wird gemäß §§ 70 und 73 der Bauordnung für Wien (BO) in Verbindung mit § 68 Abs. 1 und Abs. 5 BO sowie mit § 119a BO die Bewilligung erteilt, auf der im Betreff genannten Liegenschaft abweichend von dem mit Bescheid vom , Zl. MA 37/5- Fendigasse 5/550/02, bewilligten Bauvorhaben nachstehende Änderungen vorzunehmen:

Durch Abänderung der Raumwidmungen und inneren Raumeinteilung, durch den Einbau von neuen Sanitäranlagen, durch die Einbeziehung von Gangteilen in Wohnungen und durch Wohnungszusammenlegungen in den Geschossen vom Keller bis dritten Stock, soll die Wohnungsanzahl in diesem Teil des Hauses (Keller bis dritter Stock) von bisher 31 auf nunmehr 26 Wohnungen reduziert werden.

Im Keller sollen die inneren Raumeinteilungen abgeändert und es soll ein Magazin in eine Werkstätte umgewidmet werden.

Bei den beiden seitlichen Hoftrakten soll vom Mezzanin bis zum dritten Stock jeweils ein Balkon hergestellt werden."

Begründend führte die belangte Behörde hiezu aus, im gegenständlichen Fall handle es sich um ein Gebäude, an welchem Wohnungseigentum begründet worden sei; die fehlende Zustimmung von Miteigentümern könne durch den Nachweis ersetzt werden, dass ein Mehrheitsbeschluss ordnungsgemäß zustande gekommen sei und das zuständige Gericht bestätige, dass die Minderheit das Gericht nicht angerufen habe. Es stehe fest, dass mit einer Miteigentumsmehrheit von 67,55 % am beschlossen worden sei, dass der Planwechsel über die Bestandsgeschosse im Haus samt Lift und Statik in der Fassung vom eingereicht werden soll. Ebenso sei unbestritten, dass dieser Beschluss am im betreffenden Haus nach den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes 2002 angeschlagen worden sei. Dem Wortlaut des genannten Beschlusses sei jedenfalls zu entnehmen, dass eine bestimmte Bewilligung bei der Baubehörde erwirkt werden solle. Gegenstand des Beschlusses vom seien jene baulichen Maßnahmen gewesen, wie sie im Plan vom August 2004 dargestellt werden. Die letzten Änderungen an diesem Plan seien anlässlich einer Besprechung am vorgenommen worden; dies sei der Grund, warum im Beschluss vom von einem Planwechsel in der Fassung vom die Rede sei. Der Beschwerdeführerin sei das Ermittlungsergebnis zur Kenntnis gebracht worden. Die Beschwerdeführerin habe nicht bestritten, dass der Plan, der Gegenstand des vorliegenden Bewilligungsverfahrens sei, jener Plan sei, auf den sich der Beschluss vom bezogen habe. Die Beschlussfassung über das gegenständliche Bauvorhaben sei als eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung zu qualifizieren, da diese über die in § 28 WEG 2002 genannten Angelegenheiten hinaus gehe. Über Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung entscheide die Mehrheit der Wohnungseigentümer, jeder der Überstimmten könne jedoch die gerichtliche Aufhebung dieses Mehrheitsbeschlusses verlangen. Innerhalb der im Gesetz vorgesehenen Frist nach Anschlag des Beschlusses vom sei keine gerichtliche Anfechtung erfolgt. Die Bestätigung des Gerichtes ersetze die fehlende Zustimmung der Beschwerdeführerin. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach sie die Einladung zur Hausversammlung am nicht erhalten habe, sei rechtlich unerheblich. Allein entscheidend sei, dass am ein Mehrheitsbeschluss gefasst worden sei, dieser Beschluss im Haus angeschlagen worden sei und innerhalb der gesetzlichen Frist durch keinen überstimmten Miteigentümer eine Anfechtung des Beschlusses bei Gericht erfolgt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Zusammengefasst erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht verletzt, dass ohne ihre Zustimmung als Miteigentümerin des Hauses die beantragte Baubewilligung erteilt worden ist.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall beabsichtigt die mitbeteiligte Partei an einem Wohnungseigentumsobjekt bewilligungspflichtige bauliche Maßnahmen durchzuführen; durch die beabsichtigte und mit dem angefochtenen Bescheid bewilligte Änderung der Raumwidmungen und inneren Raumeinteilungen sollen insbesondere allgemeine Teile der Liegenschaft in Wohnungseigentumsobjekte einbezogen werden.

Gemäß § 63 Abs. 1 lit. c der Wiener Bauordnung (in der Folge: BO) in der Fassung LGBl. Nr. 37/2001 hat der Bauwerber für das Baubewilligungsverfahren u.a. die Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer), wenn der Bauwerber nicht selbst Eigentümer oder nur Miteigentümer der Liegenschaft ist, vorzulegen; diese Zustimmung kann auch durch Unterfertigung der Baupläne nachgewiesen werden.

Dieser Bestimmung liegt u.a. der Gedanke zu Grunde, Verfahren die zu Baubewilligungen führen, welche mangels Eigentümerzustimmung aus Gründen des Privatrechtes nicht realisiert werden könnten, grundsätzlich zu vermeiden. Die Baubehörde hat im Falle des Miteigentums als Vorfrage zu prüfen, ob nach den anzuwendenden privatrechtlichen Vorschriften die Zustimmung der übrigen Miteigentümer erforderlich ist oder nicht (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/05/0105, und Zl. 2004/05/0196 mit weiteren Nachweisen).

Da im vorliegenden Fall an der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft Wohnungseigentum begründet ist, hatte die belangte Behörde die Zustimmungsvoraussetzungen im Sinne des § 63 Abs. 1 lit. c BO unter dem Gesichtspunkt der einschlägigen Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetz 2002 (WEG 2002) zu klären. Die belangte Behörde ging bezüglich der bewilligten baulichen Maßnahmen davon aus, dass es sich hierbei um eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme im Sinne des § 29 WEG 2002 handle, und bejahte das Vorliegen einer Zustimmung "aller" Wohnungseigentümer mit der Begründung, es liege ein von den Überstimmten nicht angefochtener Mehrheitsbeschluss im Sinne des § 29 WEG 2002 vor.

In den beiden vorzitierten Erkenntnissen vom hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem Begriff der Verwaltung näher auseinander gesetzt. Der Verwaltungsgerichtshof verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Begründungen in diesen Erkenntnissen.

Ausgehend von den rechtlichen Erwägungen in den zitierten hg. Erkenntnissen ist für den Beschwerdefall hervorzuheben, dass Verwaltungshandlungen für die Eigentümergemeinschaft einerseits von bloßen Besitz- oder Gebrauchshandlungen einzelner Teilhaber, andererseits von den Verfügungen über das Gemeinschaftsgut oder einzelne Anteile daran zu unterscheiden sind. Die Abgrenzung zwischen Verwaltungshandlungen und Verfügungen ist dabei nach den Auswirkungen auf das gemeinschaftliche Gut bzw. die Anteile der Miteigentümer zu ziehen. Zur Verwaltung gehört alles, was gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsgutes beeinträchtigen könnte, während eine Verfügung die Substanz der Gemeinschafts- oder Anteilsrechte verändert (vgl. hiezu , und vom , 5 Ob 213/04s).

Dass die im vorliegenden Fall bewilligten baulichen Maßnahmen in das Anteilsrecht der Beschwerdeführerin eingreifen, wird von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei nicht in Abrede gestellt. Insoweit sind die bewilligten baulichen Maßnahmen daher als Verfügung im Sinne des § 828 ABGB zu beurteilen; diese Verfügungen bedürfen der Einstimmigkeit. Unabhängig davon ist jedoch auch davon auszugehen, dass eine Benützungsregelung oder die Änderung einer bestehenden Benützungsregelung über gemeinsame Flächen nicht durch Mehrheitsbeschluss erfolgen kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/05/0105).

Eine Supplierung der Zustimmung der Minderheit kommt somit im Beschwerdefall nicht in Betracht. Anders als in den Fällen der ordentlichen oder der außerordentlichen Verwaltung kann ein unbekämpfter Mehrheitsbeschluss die Anforderung des § 63 Abs. 1 lit. c BO, wonach dem Bauansuchen alle Miteigentümer zustimmen müssen (oder einen gemäß § 52 Abs. 1 Z. 2 WEG 2002 ergangenen Gerichtsbeschluss vorlegen müssen), nicht erfüllen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am