VwGH 21.12.2012, 2008/17/0010
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | KanalabgabenG Stmk 1955 §8 Abs3 ; VwRallg; |
RS 1 | Wie der Verwaltungsgerichtshof zu der hier maßgeblichen Rechtslage nach dem Stmk. Kanalabgabengesetz 1955, LGBl. Nr. 71 in der Fassung LGBl. Nr. 28/2005, festgestellt hat, ändert auch § 8 Abs. 3 Stmk. KanalAbgG 1955 nichts daran, dass nach einer einmal erfolgten rechtskräftigen Festsetzung einer Abgabe die Abgabenbehörde nicht für denselben, in der Vergangenheit liegenden Zeitraum eine neuerliche Festsetzung der Abgabe vornehmen darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/17/0088). Der Grundsatz "ne bis in idem" ist von den Abgabenbehörden zudem nicht erst nach Rechtskraft einer Abgabenvorschreibung zu beachten, sondern die Abgabenbehörde ist auch bereits vor Rechtskraft einer Vorschreibung gehindert, für denselben Zeitraum eine neuerliche Vorschreibung vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/17/0028). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde 1. der G und 2. des Mag. Dr. O, beide in G, beide vertreten durch Arnold Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. A8/2-22577/2007-1, betreffend Kanalbenützungsgebühr für 2007, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben, soweit mit ihm auch die Berufung gegen den Bescheid des Magistrats Graz vom abgewiesen wurde.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Landeshauptstadt Graz hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen
Begründung
1.1. Mit zwei Bescheiden des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz als Abgabenbehörde erster Instanz vom und vom wurde den Beschwerdeführern Kanalbenützungsgebühr für eine näher genannte Liegenschaft jeweils für das Kalenderjahr 2007 (und damit gemäß § 8 Abs. 3 Kanalabgabengesetz 1955 auch für die Folgejahre) in der Höhe von (brutto) EUR 502,92 vorgeschrieben. Der Vorschreibung wurden drei WC-Anlagen zu Grunde gelegt. Die beiden Bescheide betrafen jeweils mehrere, das Grundstück betreffende Abgaben (und wurden hinsichtlich der weiteren Abgaben für den Stadtsenat erlassen) und schrieben die Abgabe für das Jahr 2007 hinsichtlich der Kanalbenützungsgebühr betragsgleich vor (sie unterschieden sich nur hinsichtlich der Müllabfuhrgebühr).
1.2. In ihren gegen beide Bescheide erhobenen Berufungen brachten die Beschwerdeführer vor, sie hätten nur einen Wasserverbrauch von 175 m3 zu versteuern, während die Vorschreibungen ausgehend von der Anzahl der WC-Anlagen jeweils 360 m3 Wasserverbrauch zu Grunde legten.
Diese 175 m3 ergäben sich aus den durchschnittlichen Verbrauchsmengen im Zeitraum bis . Die Beschwerdeführer hätten auch im Garten (ca. 2.500 m2) zum Gießen der Gemüsebeete, der Blumen, der Sträucher und des Rasens bzw. der Wiese sowie zum Nachfüllen und zur Pflege des Biotops einen Wasserauslass im Freien, aus dem jährlich für die erwähnten Zwecke 125 m3 Wasser verwendet würden, die somit nicht in die öffentliche Kanalanlage gelangten. Der Wasserverbrauch der Beschwerdeführer im Sinne des § 3 der Grazer Kanalabgabenordnung 2005 betrage somit durchschnittlich bloß 175 m3. Die Gebührenfestsetzung für 2007 sei daher auf (netto) EUR 222,25 herabzusetzen. Sollte diesem Ansinnen jedoch der Wortlaut der Grazer Kanalabgabenordnung entgegenstehen, weil es sich bei der für ein von drei Personen bewohntes Einfamilienhaus vorgenommenen Abgabenfestsetzung um eine Mindestgebühr handle, würden verfassungsrechtliche Bedenken gegen diesbezügliche Verordnungsbestimmungen geltend gemacht.
1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde beide Berufungen der Beschwerdeführer als unbegründet ab.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und Anführung der nach Ansicht der belangten Behörde maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid begründend weiter aus, dass die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr in der Art und Weise, dass der Berechnung für 2007 "der (durchschnittliche) Wasserverbrauch für das Jahr 2006 im Ausmaß von 175 m3 zu Grunde gelegt würde", nicht der Grazer Kanalabgabenordnung entspreche. Nach § 3 Abs. 2 der erwähnten Kanalabgabenordnung 2005 sei im Beschwerdefall wegen der unbestrittenermaßen vorhandenen drei WC-Anlagen die Kanalbenützungsgebühr in Höhe von dreimal (netto) EUR 152,40 für ein Jahr vorzuschreiben. Die Gesamtgebühr entspreche dabei einer pauschalen Wassermenge von 360 m3 (dreimal 120 m3). Soweit die Beschwerdeführer die Verfassungswidrigkeit der Grazer Kanalabgabenordnung geltend machten, sei darauf von den Abgabenbehörden nicht weiter einzugehen gewesen.
Verordnungsbestimmungen seien ungeachtet ihrer allfälligen Rechtmäßigkeit (gemeint offenbar: allfälligen Rechtswidrigkeit) von der Abgabenbehörde so lange zu vollziehen, als ihre "Mangelhaftigkeit" nicht durch einen Spruch des Verfassungsgerichtshofes festgestellt worden sei.
Ungeachtet dessen sei jedoch auf die - näher angeführte - Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zu verweisen, wonach die Regelung, einen pauschalierten Wasserverbrauch zur Grundlage einer Mindestgebühr zu machen, auf keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken gestoßen sei.
1.4. Der gegen diesen Bescheid zunächst mit Beschwerde angerufene Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , B 1628/07-3, deren Behandlung ab und trat die Beschwerde über nachträglichen Antrag mit weiterem Beschluss vom dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung im Sinne des Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.
1.5. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer in der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde in ihrem Recht, die Kanalbenützungsgebühr für 2007 für drei WCs nicht in der vorgeschriebenen, sondern in einer geringeren Höhe zahlen zu müssen, hilfsweise im Recht, Kanalbenützungsgebühr nicht für drei, sondern für weniger als drei WCs zahlen zu müssen, sowie im Recht, Kanalbenützungsgebühr für den streitgegenständlichen Zeitraum nur einmal und nicht zweimal vorgeschrieben zu erhalten, sowie im Recht, Kanalbenützungsgebühr für 2007 nur für die Monate Feber bis Dezember, nicht auch für Jänner vorgeschrieben zu erhalten, verletzt. Sie machen Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides geltend.
1.6. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die Beschwerdeführer haben repliziert und ergänzendes Vorbringen erstattet, mit welchem ein Auszug aus dem Bericht des Rechnungshofes "Teilgebiete der Gebarung: Follow-up-Prüfung, Krankenfürsorgeanstalt für die Beamten der Landeshauptstadt Graz" aus dem Jahr 2005 vorgelegt wurde.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Bezüglich der im Beschwerdefall anwendbaren Rechtslage ist auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/17/0268, und vom , Zl. 2010/17/0187, zu verweisen, die ebenfalls die Vorschreibung von Kanalbenützungsgebühr für das hier gegenständliche Grundstück betrafen.
Zu der Grazer Kanalabgabenverordnung 2005 siehe im Detail näher unten unter Punkt. 2.3.1.
2.2. Zur Abweisung der Berufung gegen den Bescheid vom
Wie der Verwaltungsgerichtshof zu der hier maßgeblichen Rechtslage nach dem Stmk. Kanalabgabengesetz 1955, LGBl. Nr. 71 in der Fassung LGBl. Nr. 28/2005, festgestellt hat, ändert auch § 8 Abs. 3 Stmk. KanalAbgG 1955 nichts daran, dass nach einer einmal erfolgten rechtskräftigen Festsetzung einer Abgabe die Abgabenbehörde nicht für denselben, in der Vergangenheit liegenden Zeitraum eine neuerliche Festsetzung der Abgabe vornehmen darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/17/0088). Der Grundsatz "ne bis in idem" ist von den Abgabenbehörden zudem nicht erst nach Rechtskraft einer Abgabenvorschreibung zu beachten, sondern die Abgabenbehörde ist auch bereits vor Rechtskraft einer Vorschreibung gehindert, für denselben Zeitraum eine neuerliche Vorschreibung vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/17/0028).
Durch die Abweisung beider Berufungen der Beschwerdeführer gegen die erstinstanzlichen Bescheide vom und vom hat die belangte Behörde auch die neuerliche Vorschreibung von Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 2007 mit dem Bescheid vom aufrecht erhalten. Ungeachtet des Hinweises der belangten Behörde in der Gegenschrift, dass derartige Mehrfachvorschreibungen bis 2007 Praxis gewesen seien, ohne dass es zu einer doppelten Einhebung solcher mehrfach vorgeschriebenen Abgaben gekommen sei, erweist sich der angefochtene Bescheid insoweit schon aus diesem Grund wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz des ne bis in idem als rechtswidrig, weshalb er insoweit wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
2.3. Zur Abweisung der Berufung gegen den Bescheid vom
2.3.1. Die Beschwerdeführer wenden sich zunächst gegen die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr auch für den Monat Jänner 2007 unter Zugrundelegung des Pauschalsatzes für einen Wasserverbrauch bis zu 120 Kubikmeter je Klosett jährlich in jener Höhe, die sich aus der Grazer Kanalabgabenordnung 2005 in der Fassung des Beschlusses des Gemeinderates vom und der Berichtigung mit Verordnung vom ergibt.
Mit dem Beschluss des Gemeinderates vom wurde die Verordnung des Gemeinderats der Stadt Graz vom betreffend die Kanalabgabenordnung dahin gehend geändert, dass der Pauschalsatz, der bis zu einem Wasserverbrauch von 120 Kubikmeter anzuwenden ist, von EUR 145,20 auf EUR 152,40 angehoben wurde. Dies sollte rechtstechnisch durch die vollständige Neuerlassung der entsprechenden Regelung und den Ersatz der Wendung EUR 145,20 durch die Wendung EUR 152,40 vorgenommen werden. Bei der Novellierungsanordnung wurde einerseits irrtümlich an Stelle "§ 3 Abs. 2" auf "§ 7 Abs. 2" Bezug genommen, andererseits wurde der Inhalt des § 3 Abs. 2 bis 4 der Grazer Kanalabgabenordnung 2005 als "§ 7 Abs. 2" einerseits, "§ 7 Abs. 3" andererseits bezeichnet (und insoweit die Absätze 2 und 3 zusammengezogen und als § 7 Abs. 2 bezeichnet). Die am beschlossene Änderung wurde im Amtsblatt Nr. 12 der Stadt Graz am kundgemacht. Nach Auffallen des Versehens wurde dieses mit Verordnung des Gemeinderats vom , kundgemacht im Amtsblatt Nr. 1 der Stadt Graz am , berichtigt (vgl. den einleitend genannten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes).
Aus diesem Sachverhalt ergibt sich, dass auch für Jänner 2007 eine auf einem Beschluss des Gemeinderats beruhende Regelung über die Höhe des Pauschalsatzes, lautend auf EUR 152,40, die auch kundgemacht war, bestand (vgl. auch den Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes). Das Beschwerdevorbringen und das Vorbringen in der Replik zeigen somit insoweit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Dass "offene Zweifelsfragen" nicht per se zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen dürften, hat mit der Frage, ob im Jänner 2007 eine kundgemachte Vorschrift betreffend die Pauschalgebühr bis zu einem Wasserverbrauch von 120 Kubikmeter je Klosett und Jahr bestand, nichts zu tun. Dass der Gesetzgeber bzw. Verordnungsgeber gehalten ist, seinen Willen zweifelsfrei zum Ausdruck zu bringen, ändert nichts daran, dass - auch von den Beschwerdeführern zugestandene - Redaktionsversehen unterlaufen können. Das in der Replik herangezogene Beispiel der Ausschreibung eines Beitrages durch einen Tourismusverband, der zum Zeitpunkt der Einhebung der Abgabe nicht mehr existiert, ist daher nicht einschlägig.
2.3.2. Soweit auch in der vorliegenden Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Gesetzwidrigkeit der Kanalabgabenordnung die Problematik der Überdeckung der Kosten durch die eingehobenen Kanalbenützungsgebühren angesprochen wird und ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip behauptet wird, ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe der hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2009/17/0268, und vom , Zl. 2010/17/0187, zu verweisen. Im vorliegenden Beschwerdefall haben zudem die Beschwerdeführer zunächst den Verfassungsgerichtshof angerufen, der die Behandlung der Beschwerde jedoch ablehnte und begründend darauf hinwies, dass eine verfassungsrechtlich unbedenkliche, verbrauchsunabhängige Mindestgebühr vorliege. Das gegen die Gesetzmäßigkeit der angewendeten Verordnungsbestimmungen gerichtete Beschwerdevorbringen vermag den Verwaltungsgerichtshof daher nicht zu veranlassen, (neuerlich) den Verfassungsgerichtshof mit einem Antrag auf Aufhebung der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Verordnungsbestimmungen zu befassen.
2.4. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass der angefochtene Bescheid, soweit mit ihm auch die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war, die beschwerdeführenden Parteien durch den angefochtenen Bescheid darüber hinaus aber in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden sind.
Die Beschwerde war infolgedessen im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.5. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden, da dem in der vorliegenden Abgabensache auch Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegen steht.
2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | KanalabgabenG Stmk 1955 §8 Abs3 ; VwRallg; |
Schlagworte | Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2012:2008170010.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAE-80412