VwGH vom 15.09.2010, 2010/18/0293
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des LE in W, vertreten durch Mag. Andreas Duensing, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/207.006/2010, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen - laut angefochtenem Bescheid "angeblichen" - nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 iVm Abs. 2 und § 60 Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer, dessen Identität mangels Dokumente nicht geklärt sei, sei am illegal in das Bundesgebiet gelangt. Sein Asylantrag sei erstinstanzlich abgewiesen worden. Das diesbezügliche Berufungsverfahren sei anhängig.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom sei der Beschwerdeführer nach § 27 Abs. 1 achter Fall, § 27 Abs. 3 SMG, § 15 StGB, § 27 Abs. 1 Z. 1 zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, davon zwei Monate unbedingt, rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil sei zugrunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 14 Packungen Cannabiskraut besessen habe, am einem Abnehmer eine Kugel Heroin oder Kokain verkauft und weitere sechs Kugeln im Mund zum Verkauf bereitgehalten habe.
Das genannte Urteil erfülle zweifelsfrei den in § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG normierten Tatbestand, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Rückkehrverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen des § 66 FPG - im Grunde des § 62 Abs. 1 FPG gegeben gewesen seien.
Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage ledig und habe keine Sorgepflichten; familiäre Bindungen zum Bundesgebiet bestünden nicht. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier zur Verhinderung weiterer Straftaten, insbesondere der Suchtgiftkriminalität, und zum Schutz der Gesundheit Dritter - dringend geboten sei. Wer, wie der Beschwerdeführer, in Österreich angeblich Schutz vor Verfolgung suche und verhältnismäßig kurz nach seiner Einreise im dargestellten Ausmaß straffällig werde, lasse seine offenbare Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich gültiger Rechtsvorschriften erkennen. Es sei daher eine zu seinen Gunsten ausfallende Verhaltensprognose nicht möglich gewesen, zumal insbesondere der Suchtgiftkriminalität nicht nur eine hohe Sozialschädlichkeit, sondern auch eine überaus hohe Wiederholungsgefahr anhafte.
Hinsichtlich seiner privaten Interessen könne der Beschwerdeführer auf keinerlei gewichtige Integration verweisen, sei er doch bisher lediglich auf Grund des gestellten Asylantrages zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt und werde die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente durch das dargelegte strafbare Verhalten entsprechend an Gewicht gemindert. Auch mangels jeglicher familiärer Bindungen sowie angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer keinerlei Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt habe, sei das ihm insgesamt zuzurechnende private Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet gering. Gründe, die einer Ausreise bzw. einer Rückkehr in seine Heimat unüberwindlich entgegenstünden, seien nicht aktenkundig. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen erwachsenen, offenbar gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter, weshalb nicht einzusehen sei, dass er sich in seiner Heimat nicht reintegrieren könnte.
Insgesamt wögen seine privaten Interessen daher keinesfalls derart schwer, dass demgegenüber die genannten maßgeblichen öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten hätten. Die Erlassung des Rückkehrverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG als zulässig.
Mangels sonstiger, besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde auch keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Rückkehrverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.
Hinsichtlich der Gültigkeitsdauer des Rückkehrverbotes erscheine die von der Behörde erster Instanz vorgenommene Befristung auch nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt. Im Hinblick auf das dargelegte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers und unter Bedachtnahme auf seine aktenkundige Lebenssituation könne vor Ablauf dieser Frist nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben, in eventu, den Bescheid aufzuheben "und die Dauer des Rückkehrverbotes auf das gesetzliche Mindestmaß (zu) reduzieren".
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Auf Grund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe ist der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FPG erfüllt.
1.2. Nach den in der Beschwerde nicht bestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides hat der Beschwerdeführer - wie unter I.1. dargestellt - nur ca. ein Jahr nach seiner Einreise 14 Packungen Cannabiskraut besessen und fünf Monate später eine Kugel Heroin oder Kokain einem Abnehmer verkauft und weitere sechs Kugeln Kokain im Mund zum Verkauf bereitgehalten.
In Anbetracht dieses Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0049, mwN), begegnet auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 62 Abs. 1 FPG genannten Voraussetzungen zur Erlassung des Rückkehrverbotes vorlägen, keinem Einwand, zumal es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist.
Vor diesem Hintergrund erweist sich das Beschwerdevorbringen, dass es sich um ein einmaliges Fehlverhalten gehandelt habe, der Beschwerdeführer das Übel einer unbedingten Freiheitsstrafe verspürt habe und von seiner Resozialisierung auszugehen sei, als nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Im Übrigen ist der seit der Begehung des genannten strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers verstrichene Zeitraum viel zu kurz, um einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr anzunehmen. Auch deshalb bestand kein Grund dafür, eine für ihn günstige Verhaltensprognose zu treffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0131, mwN).
2.1. Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid auch im Grunde des § 66 FPG und bringt dazu im Wesentlichen vor, er halte sich seit mehreren Jahren in Österreich auf. Seit seiner Einreise sei das Asylverfahren anhängig. Im Hinblick auf die Dauer des Asylverfahrens habe er sich sohin in Österreich integriert, hier finde sein Privatleben statt. Eine Rückkehr in seine Heimat sei einerseits mit einem unwiederbringlichen Schaden für den Beschwerdeführer verbunden, weil er seine Existenz in Österreich verlöre. Ferner drohten ihm auch Repressalien für den Fall seiner Rückkehr.
2.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Bei der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Interessenabwägung gemäß § 66 FPG hat die belangte Behörde berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer ledig ist, keine Sorgepflichten hat und keine familiären Bindungen zum Bundesgebiet aufweist. Ebenso wenig hat er Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt. Zutreffend hat die belangte Behörde ferner aufgezeigt, dass der Beschwerdeführer bereits verhältnismäßig kurz nach seiner Einreise straffällig geworden ist.
Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich erweisen sich daher insgesamt als nicht besonders ausgeprägt. Sie werden darüber hinaus in ihrem Gewicht dadurch deutlich gemindert, dass sein bisheriger Aufenthalt nur auf Grund seiner Stellung als Asylwerber und der damit verbundenen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz rechtmäßig ist (vgl. etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom , mwN).
Das Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde, wonach die genannten maßgeblichen öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers nicht in den Hintergrund zu treten hätten, kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Wenn der Beschwerdeführer auf eine ihm drohende Verfolgung in seinem Herkunftsland verweist, ist ihm zu entgegnen, dass die Frage des allfälligen Vorliegens von - seinen Herkunftsstaat betreffenden - Gründen im Sinn des § 50 Abs. 1 oder 2 FPG nicht in einem Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes, sondern im asylrechtlichen Verfahren zu beurteilen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0625, mwN; vgl. auch § 51 Abs. 2 FPG).
3. Die Beschwerde wendet sich schließlich auch gegen die von der belangten Behörde festgesetzte Dauer des verhängten Rückkehrverbotes im Ausmaß von zehn Jahren.
Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Vorgaben des § 63 FPG ist jedoch auch die diesbezügliche - mit dem dargelegten Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers und seiner Lebenssituation begründete - Beurteilung der belangten Behörde, es könne nicht erwartet werden, dass die für die Erlassung des Rückkehrverbotes maßgeblichen Gründe vor Ablauf der festgesetzten Frist weggefallen sein würden, nicht zu beanstanden.
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Fundstelle(n):
CAAAE-80398