VwGH vom 15.09.2010, 2010/18/0285
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des AA, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/401.055/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellung zugrunde, dass der Beschwerdeführer seit über Aufenthaltstitel verfüge, die er zunächst von der Ehe seiner Mutter mit einem österreichischen Staatsbürger abgeleitet habe. Am habe er erneut seine geschiedene Ehefrau geheiratet; in weiterer Folge hätten diese sowie die gemeinsamen Kinder ebenfalls Aufenthaltstitel erhalten.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom sei der Beschwerdeführer gemäß § 127 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er am gemeinsam mit vier Mittätern insgesamt 1,3 t Kupferstromkabel von einer Baustelle gestohlen habe.
Eine weitere Verurteilung sei am durch das Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß den §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3, 148 zweiter Fall sowie 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon zwölf Monate bedingt, erfolgt. Der Beschwerdeführer habe in der Absicht, sich durch die Begehung schwerer Betrügereien eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, am einen Wohnungseinbruch vorgetäuscht und eine falsche Schadensaufstellung vorgelegt, um dadurch von einer Versicherung die Auszahlung von EUR 23.764,-- zu erwirken; am habe er einen weiteren Wohnungseinbruch vorgetäuscht und eine Schadensumme von rund EUR 23.000,-- begehrt, wobei es beim Versuch geblieben sei. Weiters habe der Beschwerdeführer gemeinsam mit mehreren Mittätern Autounfälle vorgetäuscht und unter Vorlage falscher Unfallberichte in vier Fällen von diversen Versicherungen Schadensleistungen in der Höhe von insgesamt EUR 7.242,-- erwirkt.
Die genannten Urteile erfüllten den in § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG normierten Tatbestand, weshalb die Voraussetzung zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 60 Abs. 1 leg. cit. gegeben sei.
Der Beschwerdeführer sei verheiratet und lebe mit seiner Gattin sowie vier Kindern im Alter von vier, 15, 17 und 19 Jahren im gemeinsamen Haushalt. Weitere familiäre Bindungen bestünden zu seiner Mutter, die von ihrem damaligen österreichischen Ehegatten (der mit letztgenanntem Urteil wegen gleichartigen Straftaten ebenfalls verurteilt worden sei) zwischenzeitig geschieden sei. Es sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen erheblichen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er sich zur Aufrechterhaltung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung weiterer Straftaten, zum Schutz des Eigentums und Vermögens Dritter - als dringend geboten erweise. Wer, wie der Beschwerdeführer, nicht nur wiederholt und einschlägig im dargestellten Ausmaß straffällig werde, sondern darüber hinaus auch noch während offener Probezeit einer Vorverurteilung zunehmend schwerwiegende Straftaten begehe, lasse seine außerordentliche Geringschätzung maßgeblicher, in Österreich gültiger Rechtsvorschriften erkennen. Unter den dargestellten Umständen sei eine zu seinen Gunsten ausfallende Verhaltensprognose nicht möglich.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit nunmehr etwa acht Jahren, seine Familie seit etwa sieben Jahren rechtmäßig in Österreich. Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehegattin gingen einer Erwerbstätigkeit nach. Die beiden 15- bzw. 17- jährigen Söhne seien bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. Nur der 17-jährige Sohn sei seit etwa einem Jahr als Lehrling beschäftigt. Eine besonders schwerwiegende Integration des Beschwerdeführers sei nicht festzustellen. Insbesondere werde die einer jeglichen Integration zugrunde liegende soziale Komponente durch das wiederholte strafbare Verhalten erheblich beeinträchtigt. Gründe, die einer Ausreise bzw. einem Verlassen des Bundesgebietes unüberwindlich entgegenstünden, seien nicht aktenkundig. Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, er habe keine Verwandten und keinerlei Existenzmöglichkeit in seiner Heimat mehr, stünde dem einerseits die Feststellung der Strafgerichte entgegen, wonach der Beschwerdeführer in seiner Heimat ein Haus besitze, andererseits habe der Beschwerdeführer in seiner niederschriftlichen Vernehmung am ausgesagt, vor ca. vier Monaten mit seiner Mutter, seiner Frau und den Kindern in Jugoslawien "bei seiner Familie auf Besuch" gewesen zu sein. Dass er in seiner Heimat somit über keinerlei Existenzmöglichkeiten bzw. familiäre Kontakte verfüge, sei nicht glaubhaft. Weiters sei zu bedenken, dass der Beschwerdeführer den Kontakt zu seinen Familienangehörigen - wenn auch eingeschränkt - dadurch aufrecht erhalten könne, dass ihn diese in der Heimat besuchten oder ihm allenfalls dorthin nachfolgten. Diese Einschränkungen werde der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse zu tragen haben. Den privaten Interessen des Beschwerdeführers komme keinesfalls ein derartiges Gewicht zu, dass demgegenüber das genannte öffentliche Interesse in den Hintergrund zu treten habe. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG als zulässig.
Ein Sachverhalt gemäß § 61 leg. cit. sei nicht gegeben.
Mangels sonstiger, besonders zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde auch keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf Grund der unstrittig feststehenden Verurteilung des Beschwerdeführers vom ist der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FPG erfüllt.
Die Beschwerde bestreitet auch nicht die den Verurteilungen des Beschwerdeführers vom und vom zugrunde liegenden (unter I.1. näher dargestellten) Straftaten. Aus diesem gravierenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers resultiert eine schwerwiegende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Eigentumskriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0618, mwN), sodass die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken begegnet. Daran vermag auch das Beschwerdevorbringen, Haupttäter der dem Urteil vom Mai 2009 zugrunde liegenden strafbaren Handlungen sei der Mitangeklagte S.N., der auch eine wesentlich höhere Strafe bekommen habe, nichts zu ändern, hat doch die belangte Behörde das Fehlverhalten des Fremden eigenständig unter dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den strafgerichtlichen Erwägungen zur Strafbemessung zu beurteilen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0005, mwN).
2. Die Beschwerde bekämpft auch die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung gemäß § 66 FPG und bringt dazu im Wesentlichen vor, der Beschwerdeführer lebe seit 2002 in Österreich, wo sich auch seine Frau und seine vier Kinder im Alter zwischen vier und 19 Jahren befänden. Er sei in Österreich nahezu durchgehend beschäftigt, wobei er derzeit bei einem näher genannten Unternehmen mit einem Monatseinkommen von rund EUR 1.000,-- tätig sei; auch seine Frau arbeite bei dieser Firma und verdiene etwa EUR 900,--. In Österreich lebten noch seine Mutter, andere Verwandte habe er nicht mehr.
Mit diesem Vorbringen macht die Beschwerde jedoch keine relevanten Umstände geltend, die im angefochtenen Bescheid nicht bereits berücksichtigt worden wären. So hat die belangte Behörde sowohl den etwa achtjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, seine familiären Bindungen zu seiner Ehefrau, den vier Kindern und der Mutter und auch die Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Der belangten Behörde ist auch darin beizupflichten, dass die aus seinem bisherigen inländischen Aufenthalt resultierende Integration in ihrer sozialen Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich gemindert wird (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , mwN).
Den genannten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus seinem weiteren Aufenthalt resultierende - wie oben unter II.1. ausgeführt - schwerwiegende Gefährdung öffentlicher Interessen, insbesondere des gewichtigen Interesses an der Verhinderung von Eigentumskriminalität, gegenüber. Mit dem nur sehr allgemeinen Beschwerdevorbringen, "andere Verwandte habe ich nicht mehr", gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, die im angefochtenen Bescheid enthaltenen detaillierten Angaben darüber, dass der Beschwerdeführer - eigenen Angaben im Rahmen der Vernehmung am zufolge - im Frühjahr 2009 "in Jugoslawien bei seiner Familie auf Besuch gewesen" sei, zu entkräften. Weder dem angefochtenen Bescheid noch dem Beschwerdevorbringen sind unüberwindliche Hindernisse zu entnehmen, die die in Österreich lebenden Angehörigen des Beschwerdeführers daran "hindern würden", diesen in seine Heimat zu begleiten. Dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat ein Haus besitze, blieb unbestritten.
Unter gehöriger Abwägung dieser Umstände kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am
Fundstelle(n):
JAAAE-80387