VwGH vom 15.09.2010, 2010/18/0280
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des AF, geboren am , vertreten durch Dr. Aleksa Paunovic, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/384.678/2009, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde gegen den Beschwerdeführer, einen mazedonischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 sowie gemäß § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der 24-jährige ledige Beschwerdeführer in Österreich geboren worden sei und seit über ein Daueraufenthaltsrecht verfüge; er sei seit im Bundesgebiet gemeldet.
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der versuchten schweren Nötigung gemäß den §§ 15 iVm 105 und 106 Abs. 1 Z. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt worden, wobei der Vollzug der Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Den Urteilsgründen zufolge habe der zum Tatzeitpunkt "16-jährige" Beschwerdeführer am eine andere Person durch das einen Spalt geöffnete Beifahrerfenster eines PKW mit einer Faustfeuerwaffe (Pistole) bedroht und das Opfer aufgefordert, auszusteigen und mit ihm zu kämpfen.
Am sei der Beschwerdeführer durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 2, 130 erster Satz, zweiter Fall zweiter Satz sowie § 15 StGB und wegen des verbrecherischen Komplotts gemäß § 277 Abs. 1 StGB zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Dem Urteil zufolge habe der Beschwerdeführer mit Mittätern durch Einbrüche Diebsgut in einem EUR 50.000,-- übersteigenden Gesamtwert an sich gebracht. Er sei zwischen und an insgesamt sieben Einbruchsdiebstählen und drei versuchten Einbruchsdiebstählen beteiligt gewesen. Seit mindestens sei der Beschwerdeführer Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewesen, um sich fortlaufend Einnahmen durch Einbruchsdiebstähle zu verschaffen. Zwischen 26. und habe er sich mit Mittätern zu einem schweren Raub in einer B-Filiale verabredet, wobei geplant gewesen sei, den Angestellten durch Drohung unter Verwendung einer Faustfeuerwaffe Bargeld abzunötigen; der Beschwerdeführer hätte das Fluchtfahrzeug zur Verfügung stellen und dann die Mittäter mit dem Fluchtfahrzeug vom Tatort wegfahren sollen. Die Tatausführung sei nur daran gescheitert, dass ein Mittäter (Lehrling in der B-Filiale) die Geschäftstür nicht geöffnet habe.
Gegen den Beschwerdeführer bestehe seit ein rechtskräftiges Waffenverbot.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde unter Hinweis auf die §§ 60 Abs. 1 und 2 sowie 66 FPG aus, die Voraussetzung zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes liege vor, weil der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei und auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers vorliegend das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit schon allein in Anbetracht des großen öffentlichen Interesses zum Schutz des Eigentums und der persönlichen Freiheit in höchstem Maße gefährde, sodass sich (auch) die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erweise. In einem solchen Fall könne gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 FPG entgegenstehe.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit seiner Geburt in Österreich und verfüge über ein dauerndes Aufenthaltsrecht. Eigenen Angaben zufolge habe er seine gesamten familiären Bindungen im Bundesgebiet. Seine Eltern lebten in Österreich, in seiner Heimat habe er keinerlei Beziehungen mehr. Der Beschwerdeführer habe in Österreich eine achtjährige Schule und eine zweijährige Berufsschule für Installateure besucht; vor seiner Inhaftierung habe er als Rauchfangkehrer gearbeitet. Er habe keine Sorgepflichten.
Auf Grund seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG auszugehen. Ungeachtet dessen sei aber die gegen ihn gesetzte fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der persönlichen Freiheit, der körperlichen Integrität sowie zum Schutz der Rechte und des Vermögens Dritter - als dringend geboten zu erachten. Bei der Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers sei nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung, sondern auf die Art und Schwere der dieser zugrunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Der Beschwerdeführer sei einmal wegen versuchter schwerer Nötigung unter Verwendung einer Faustfeuerwaffe verurteilt worden und habe dadurch das Recht auf Freiheit einer anderen Person massiv beeinträchtigt. Des Weiteren habe er im Rahmen einer kriminellen Vereinigung zahlreiche Einbruchsdiebstähle begangen und im Rahmen dieser kriminellen Vereinigung einen Raubüberfall geplant, bei dem ebenfalls eine Faustfeuerwaffe zum Einsatz hätte kommen sollen. Die vom Beschwerdeführer ausgehende besondere Gefährdung öffentlicher Interessen werde dadurch deutlich, dass er sich auch durch eine Verurteilung nicht davon abhalten habe lassen, neuerlich straffällig zu werden. Da der Beschwerdeführer offenbar nicht in der Lage oder Willens sei, sich rechtskonform zu verhalten, könne die Zukunftsprognose keinesfalls positiv ausfallen.
Der Beschwerdeführer sei bis zu seiner Inhaftierung in einem Zeitraum von vier Jahren nur insgesamt etwa 22 Monate, davon sechseinhalb Monate nur geringfügig, beschäftigt gewesen. Seine nur mäßige berufliche Integration könne daher nicht entscheidend zu seinen Gunsten ausschlagen, weil diese vor dem Hintergrund der Verurteilung wegen strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen und die persönliche Freiheit relativiert werde.
Den zweifellos sehr gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet stünden das oben dargestellte Gesamt(fehl)verhalten und die sich daraus ergebenden - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und die damit verbundenen nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
§ 61 FPG stehe auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.
Im Hinblick auf die Art, Vielzahl und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten und der damit verbundenen Wiederholungsgefahr könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens Abstand genommen werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt sei, unbekämpft. In Anbetracht der unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.
Nach den in der Beschwerde nicht bestrittenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides hat der Beschwerdeführer im Alter von etwa 17 Jahren u.a. eine andere Person mit einer Waffe bedroht und wurde wegen versuchter schwerer Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollzug bedingt nachgesehen wurde. Diese Verurteilung hat den Beschwerdeführer jedoch nicht davon abhalten können, als Erwachsener im Rahmen einer kriminellen Vereinigung das - unter I.1. näher beschriebene - Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch und der Verabredung zu einem verbrecherischen Komplott zu begehen. Dadurch hat der Beschwerdeführer das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentums- und der Gewaltkriminalität gravierend beeinträchtigt.
Wenn der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Gefährdungsprognose vorbringt, dass er seine Taten bereue und sich in Hinkunft wohlverhalten werde, ist er zunächst darauf hinzuweisen, dass die Zeiten einer Haft bei der Beurteilung eines (allfälligen) Wohlverhaltens eines Fremden nicht berücksichtigt werden können. Da der Beschwerdeführer - laut Beschwerdevorbringen - erst im Rahmen der Weihnachtsamnestie im Dezember 2009 enthaftet wurde, ist der seither vergangene Zeitraum bei weitem zu kurz, um einen Wegfall oder eine deutliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit annehmen zu können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0005). Entgegen der Beschwerdeansicht kann der zum Zeitpunkt der der Verurteilung vom zugrunde liegenden Straftaten beinahe 23-jährige Beschwerdeführer seine Handlungen auch nicht mit "jugendlichem Leichtsinn" oder "jugendlicher Unvernunft" entschuldigen. Auch das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei "in schlechte Gesellschaft" geraten, kann in Anbetracht der Anzahl, Art und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten nicht wesentlich zu seinen Gunsten gewertet werden.
Im Hinblick darauf bestehen gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass angesichts des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keine Bedenken. Auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens (vgl. § 56 Abs. 2 Z. 1 erster Fall FPG) wäre - falls der Beschwerdeführer zuletzt über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" oder "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" verfügt haben sollte - auch die in § 56 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0469, mwN.).
2. Die belangte Behörde hat im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG den Aufenthalt des Beschwerdeführers seit seiner Geburt sowie seine familiären Bindungen zu seinen in Österreich lebenden Eltern, seinen Schulbesuch sowie die abgebrochene Berufsausbildung berücksichtigt. Zu Recht hat sie die aus seinem bisherigen inländischen Aufenthalt resultierende Integration in ihrer sozialen Komponente durch sein strafbares Verhalten als erheblich gemindert angesehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0537). Zutreffend hat die belangte Behörde auch darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer nicht nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert ist. Weiters blieb unbestritten, dass der Beschwerdeführer ledig ist und keine Sorgepflichten - somit keine Kernfamilie im Sinn des § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG - im Bundesgebiet hat.
Den dennoch gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die aus seinen Straftaten resultierende Gefährdung des maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentums- und Gewaltkriminalität gegenüber, welches das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer - somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - selbst dann als dringend geboten erscheinen lässt, wenn man berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer "im gegenwärtigen Zeitpunkt einer geregelten Arbeit" nachgeht.
Die mit der Wiedereingliederung in seinem Heimatland verbundenen Schwierigkeiten, weil der Beschwerdeführer - laut Beschwerdevorbringen - in Mazedonien "keine Bleibe" habe und sich seine ganze Familie in Österreich aufhalte, hat der Beschwerdeführer im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0478, mwN.). Im Übrigen wird mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land, wie etwa Mazedonien, auszureisen habe.
Die belangte Behörde hat somit zu Recht der durch das Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen kein geringeres Gewicht beigemessen als den angeführten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers.
3. Das Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe sich "als Österreicher gefühlt", sonst hätte er diese Verbrechen nicht begangen, die belangte Behörde habe seine "Stellung als Österreicher verkannt" bzw. "wegen der Geburt in Österreich habe ich bereits die Österreichische Staatsbürgerschaft erworben", ist nicht nachvollziehbar; einerseits blieben die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer mazedonischer Staatsangehöriger sei, unbestritten, andererseits bezeichnet die Beschwerde selbst den Beschwerdeführer als mazedonischen Staatsangehörigen.
4. Soweit die Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, dass die belangte Behörde keine mündliche Verhandlung anberaumt habe, ist dem entgegenzuhalten, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht auf eine Berufungsverhandlung und auch kein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0130, mwN.); der behauptete Verfahrensfehler liegt somit nicht vor.
Weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde ergeben sich irgendwelche Hinweise darauf, dass auf den vorliegenden Sachverhalt gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen anzuwenden wären. Das diesbezügliche - gänzlich unkonkrete - Beschwerdevorbringen geht somit ins Leere.
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich auch ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am