VwGH vom 15.09.2010, 2010/18/0279

VwGH vom 15.09.2010, 2010/18/0279

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des L K in W, geboren am , vertreten durch Mag. Banu Kurtulan, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/32, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/182.008/2010, betreffend Versagung eines Fremdenpasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Antrag des staatenlosen Beschwerdeführers vom auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentliches aus, der Beschwerdeführer habe beim Bundesasylamt eine Bescheinigung des Generalkonsulates der Republik Türkei vom über die Aberkennung der türkischen Staatsbürgerschaft vorgelegt; er sei daher grundsätzlich als staatenlos anzusehen, weshalb er vom Personenkreis des § 86 (gemeint wohl: § 88) Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 FPG umfasst sei. Allerdings komme es für die Ausstellung eines Fremdenpasses nicht bloß darauf an, dass die Ausstellung im Interesse des Betroffenen gelegen sei, sondern darüber hinaus müsse ein positives Interesse der Republik Österreich vorliegen. Österreich eröffne nämlich mit der Ausstellung eines Fremdenpasses dem Inhaber die Möglichkeit zu reisen und übernehme damit auch eine Verpflichtung gegenüber den Gastländern. Diese an sich nur gegenüber Staatsbürgern einzunehmende Haltung erfordere einen restriktiven Maßstab.

Ein solches, über den privaten Bereich (des Beschwerdeführers) hinausgehendes Interesse, somit ein öffentliches Interesse, habe der Beschwerdeführer bisher jedoch nicht dargelegt. Sein Vorbringen, er lebe seit fünf Jahren in Österreich, sei seit dem Jahr 2005 verheiratet, habe einen kleinen Sohn und führe seit April 2005 eine Änderungsschneiderei, könne jedoch nicht einmal auf Urlaub fahren, könne ein solches positives Interesse (der Republik Österreich) keinesfalls begründen.

Gegen den Beschwerdeführer bestehe überdies ein italienisches Einreise-/Aufenthaltsverbot im "Schengener Gebiet". Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Schwechat vom sei er aus dem Bundesgebiet rechtskräftig ausgewiesen worden; zudem sei sein zuletzt am eingebrachter Antrag auf Erteilung eines (Erst )Aufenthaltstitels vom Landeshauptmann von Wien rechtskräftig abgewiesen worden, weshalb er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Daher sei der Beschwerdeführer auch nicht vom Personenkreis des § 88 Abs. 2 Z. 1 FPG umfasst.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die mit "Ausstellung von Fremdenpässen" überschriebene Bestimmung des § 88 Abs. 1 und 2 FPG (i.d.F. BGBl. I Nr. 122/2009) hat folgenden Wortlaut:

"§ 88. (1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für

1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;

2. ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG" (§ 45 NAG) oder "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" (§ 48 NAG) gegeben sind;

4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen oder

5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt.

(2) Fremdenpässe können auf Antrag weiters ausgestellt werden für

1. Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten oder

2. Fremde, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, wenn humanitäre Gründe deren Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern, es sei denn, dies wäre aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht geboten."

2. Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist für die Verwirklichung jedes einzelnen der im § 88 Abs. 1 FPG umschriebenen Tatbestände wesentliche Voraussetzung für die Ausstellung eines Fremdenpasses, dass dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist. Für die Ausstellung eines Fremdenpasses kommt es somit nicht bloß darauf an, dass diese im Interesse des Fremden gelegen ist, sondern es muss auch ein positives Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses für diesen Fremden bestehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0659, mwN). Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, ist dabei ein restriktiver Maßstab anzulegen.

Die Beschwerde bringt diesbezüglich vor, der Beschwerdeführer sei staatenlos, seit 2005 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und habe mit dieser ein gemeinsames Kind. Das öffentliche Interesse der Republik Österreich liege darin, ein langjähriges Ehe- und Familienleben der eigenen Staatsbürger nicht zu beeinträchtigen, indem deren Ehemann bzw. Vater die Ausstellung eines Fremdenpasses verweigert werde. Das Recht auf Ehe- und Familienleben sei als Grund- und Menschenrecht auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert; die Einhaltung der Menschenrechte liege demzufolge im Interesse der Republik Österreich. Die Ausstellung eines Fremdenpasses könne nur aus den in § 92 FPG aufgezählten Gründen versagt werden. Keiner dieser Verweigerungsgründe liege beim unbescholtenen Beschwerdeführer vor.

Damit zeigt der Beschwerdeführer jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Einerseits legt die Beschwerde weder dar, inwieweit der mit seiner Familie im Inland zusammenlebende Beschwerdeführer durch die Abweisung seines Antrages auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses in seinem Ehe- und Familienleben beeinträchtigt werden könnte, noch, inwiefern aus der Europäischen Menschenrechtskonvention unter dem Blickwinkel des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens eine Verpflichtung abgeleitet werden könnte, einem Fremden bei aufrechtem Familienleben im Inland einen Fremdenpass auszustellen. Dass dem Beschwerdeführer durch die Nichtausstellung eines Fremdenpasses die Möglichkeit einer Reise in das Ausland genommen werde, stellt gerade keinen Grund dar, der ein öffentliches Interesse im Sinn des § 88 Abs. 1 FPG dartun könnte (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , mwN). Andererseits trifft die Republik Österreich im vorliegenden Fall auch keine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, dem Beschwerdeführer ein Reisedokument auszustellen.

Gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass nicht ersichtlich sei, worin im vorliegenden Fall ein positives Interesse der Republik Österreich daran gelegen sein solle, dem Beschwerdeführer einen Fremdenpass auszustellen, besteht somit kein Einwand.

3. Die belangte Behörde weist auch zutreffend darauf hin, dass der Beschwerdeführer nicht unter den Geltungsbereich des § 88 Abs. 2 Z. 1 FPG fällt, weil er sich - unbestritten - seit seiner Ausweisung mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Schwechat vom nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Das Beschwerdevorbringen, die Ausweisung sei aus tatsächlichen Gründen nicht möglich, daher werde jährlich ein Ausweisungsaufschub gewährt, vermag nichts an der Tatsache seines unrechtmäßigen Aufenthaltes zu ändern. Auf die weiteren Feststellungen im angefochtenen Bescheid, wonach gegen den Beschwerdeführer auch ein Aufenthaltsverbot im "Schengener Gebiet" bestehe, geht die Beschwerde mit keinem Wort ein.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am